Seniorenzentrum als „Seniorenghetto“? Aufregung um Ausdruck der SPD-Vorsitzenden+++Palmen wehrt sich

Kaarst · In der vergangenen Woche wurde der städtische Haushalt 2019 im Stadtrat mit 30 Ja-Stimmen verabschiedet. SPD, Grüne, Linksfraktion und UWG stimmten dagegen. Im Haushalt 2019 gibt es ein Defizit von rund 1,5 Millionen Euro, Ausgleichsrücklagen sollen dies auffangen.

Die SPD-Vorsitzenden Anneli Palmen nimmt Stellung zu dem von ihr verwendeten Ausdruck des Senioren-Ghettos“.

Foto: Fotos (2): Rolf Retzlaff

Für reichlich Diskussionen sorgt zurzeit eine Äußerung der SPD-Vorsitzenden Anneli Palmen während der Ratssitzung: Angesichts der von CDU und FDP ins Spiel gebrachten Planung für ein Seniorenzentrum am Dreeskamp befürchte sie die Entstehung eines „Senioren-Ghettos“.

Die Liberalen Senioren

sind über diesen Ausdruck empört. „Kaarst als eine der Kommunen mit der ältesten Bevölkerungsstruktur im Kreis ist mit altersgerechtem Wohnraum und Pflegeeinrichtungen unterrepräsentiert. Unverständlich ist es deshalb, warum sich die SPD-Vorsitzende diffamierend gegenüber einem geplanten modernen Seniorenzentrum für ein würdiges Altern bis zur letzten Lebensphase äußert“, so Beate Kopp, Regionalbeauftragte der Liberalen Senioren NRW für den Rhein-Kreis Neuss. Die Planung des modernen Seniorenzentrums am Dreeskamp berücksichtige die Wünsche der Kaarster nach Wahlmöglichkeiten, wenn eine selbstständige Lebensführung kaum noch möglich sei. Es biete sowohl Betreute Wohnungen in verschiedenen Größen, die für ambulante Pflege geeignet seien, als auch Wohngruppen unter anderem für demenziell Erkrankte sowie eine Abteilung für stationäre Pflege und Kurzzeitpflege, die es bisher gar nicht in Kaarst gebe. Für die Anbindung an das nachbarschaftliche Umfeld sorge ein offener Quartierstreffpunkt für Alt und Jung in dem geplanten Seniorenzentrum. Kopp: „Laut aktueller Generali-Studie ist es Senioren unwichtig, dass in ihrer Umgebung junge Menschen leben. Wichtig ist ihnen, dass ausreichend Arztpraxen, Betreuungsangebote sowie Haushalts- und Pflegedienste vorhanden sind.“ Die Liberalen Senioren NRW setzen sich gegen Altersdiskriminierung in jeglicher Form ein, deshalb erwarten sie im Interesse aller Kaarster Senioren eine offizielle Entschuldigung der SPD-Vorsitzenden. Anneli Palmen wehrt sich gegen die Vorwürfe: „Die SPD Kaarst ist gegen Segregation und setzt sich daher seit Jahren für heterogene Wohnumfelder ein. So soll etwa der bezahlbare Wohnraum – für Jung und Alt nicht separat am Ortsrand sondern innerhalb der einzelnen Siedlungen entstehen. Daher setzen wir uns selbstverständlich auch dafür ein, dass Senioren – zu denen ich mich mit 60 Jahren auch zähle – in Quartieren leben können zusammen mit jungen Familien, Alleinstehenden, Reichen und weniger vermögenden Haushalten. Daher haben wir uns auch dafür eingesetzt, dass Am Dreeskamp eine sogenannte ,Alternative Wohnform’ entsteht.“ Dieses Wohnprojekt solle Wohnraum für Ältere, Junge, Familien und Singles schaffen, die sich durch ein Miteinander in ihren verschiedenen Lebensphasen unterstützen. „Doch CDU und FDP haben mit ihrer Mehrheit das zu verhindern gewusst und planen stattdessen nun an dieser Stelle: 30 bis 40 betreute Wohngruppen, zwei ambulante Wohngruppen mit jeweils bis zu zwölf Bewohnern, eine Tagespflege für 15 bis 20 Gäste, vollstationäre Pflegeeinrichtung für 80 Bewohner und zehn solitäre Kurzzeitpflegeplätze“, erklärt Palmen. Und weiter: „Jede einzelne Einrichtung mag sicher ihre Berechtigung haben.“ So seien Kurzzeitpflegeplätze sehr gefragt und der Bedarf könne derzeit nicht gedeckt werden. Auch betreute Wohngruppen seien zu schaffen. „Doch Fakt ist auch, wir Alten wollen so lange wie möglich selbstbestimmt in unseren eigenen vier Wänden zusammen in einem Umfeld mit jungen Menschen leben“, weiß Palmen. Daher sei seniorengerechter Wohnraum im Stadtgebiet verteilt zu schaffen, ebenso wie diverse andere Angebote, die im Zuge des demografischen Wandels erforderlich seien. Laut Palmen mögen Seniorenzentren für die Finanzierung von Pflege interessant sein, seien aber für die meisten Menschen „sicher nicht das Maß der Dinge. Niemand muss sich daher durch den von mir in der Rede sicher zugespitzten Begriff ,Senioren-Ghetto’ getroffen fühlen.“

Rolf Retzlaf

(Kurier-Verlag)