Tag zwei nach der Wahl gibt es Zoff in der Zentrums-Partei

Kaarst · Es knirscht im Gebälk des Fünfer-Bündnisses: Der Zentrums-Vorsitzende Josef Karis wirft seinen Partei- und Ratskollegen Christian Otte aus der Fraktion. Damit wird der Zusamemnschluss von SPD, Grünen, FDP, Zentrum und UWG geschwächt.

Dr. Ulrike Nienhaus feierte im Kreise der CDU’ler den Wahlsieg.

Foto: Rolf Retzlaff

Des einen Freud ist des anderen Leid...: Dieses Sprichwort wurde am Sonntagabend bei der Präsentation der Ergebnisse der Bürgermeisterwahl in der Rathaus-Galerie mit reichlich Leben gefüllt. Während Dr. Ulrike Nienhaus (CDU) im Innenraum ihren Sieg feierte, haderte Christian Gaumitz (SPD, Grüne, FDP, Zentrum, UWG) am Rathaus-See mit seiner Niederlage. Doch Enttäuschung ist nicht gleich Resignation: "Morgen geht die Arbeit weiter", gab sich Gaumitz kämpferisch. Aber gerade dieses "Morgen" hatte es in sich: Der Zentrums-Vorsitzende Josef Karis feuerte seinen Partei- und Ratskollegen Christian Otte aus der Fraktion. Das bedeutet eine Schwächung des Fünfer-Bündnisses im Stadtrat.

Der Wahlkrimi begann mit einer ersten Hochrechnung aus den Briefwahlbezirken: 60 zu 40 für Nienhaus. Zwar konnte Gaumitz im Laufe des Abends aufholen, aber letztendlich reichte es nicht: Dr. Ulrike Nienhaus ist mit dem vorläufigen Endergebnis von 54 zu 46 Prozent die erste Bürgermeisterin in Kaarst. "Ich werde eine Bürgermeisterin für alle Kaarster Bürger sein", machte sie in ihrer Rede an das Publikum deutlich, "wir müssen gemeinsam nach vorne schauen."

Die Wahlbeteiligung lag in Kaarst bei knapp über 50 Prozent und damit über dem Durchschnitt im Rhein-Kreis Neuss. Das freute Bürgermeister Franz-Josef Moormann ebenso wie die zahlreichen Besucher in der Rathaus-Galerie: "Man sieht, wie viele Menschen sich für Kaarst und die Belange unserer Stadt interessieren."

Und CDU-Chef Lars Christoph sagte: "Die Bürger sind offenbar nicht der Ansicht, dass Kaarst neu gedacht werden muss. Jetzt hoffe ich, dass auch in Sachfragen Entscheidungen nicht immer am Zusammenhalt des Fünfer-Bündnisses ausgerichtet werden, sondern daran, was gut für die Stadt Kaarst ist."

Auch wurde Christian Gaumitz aufgrund seines respektablen Ergebnisses vom Fünfer-Bündnis gefeiert.

Foto: Rolf Retzlaff

Christian Gaumitz wagte am Tag nach der Wahl eine erste vorsichtige Analyse: "Bei der Briefwahl habe ich nicht gut abgeschnitten; die älteren Menschen wählen halt eher konservativ." Dennoch: "Knapp 46 Prozent sind ein gutes Ergebnis. Jetzt setzen wir unsere Politik fort", macht er deutlich dass das Fünfer-Bündnis weiter "ruhig und sachlich weiter arbeiten wird." Denn die Machtverhältnisse hätten sich nicht geändert: "Frau Nienhaus ist eine Bürgermeisterin ohne Ratsmehrheit." Und so feierte das Fünfer-Bündnis am Sonntagabend seinen Kandidaten mit einem — zugegebenermaßen recht leidenschaftslosen — Konfettiregen. Die SPD-Ortsvereinsvorsitzende Anneli Palmen sprach von einem "fantastischen Ergebnis" und bedankte sich bei Gaumitz und dem Team für den "tollen Wahlkampf". Auch überreichte sie ihm ein Geschenkpaket. Was da wohl drin war? "Ein paar neue Laufschuhe", verrät Gaumitz; vielleicht eine Anspielung auf die vielen Kilometer, die er unter anderem bei seinem Wahlkampf-Hausbesuchen zurück gelegt hat?

Fersengeld will er damit auf keinen Fall geben — auch wenn die Arbeit des Fünfer-Bündnisses im Stadtrat nach Ottens Rauswurf aus der Zentrums-Fraktion schwerer wird. Karis kritisiert Ottes Rolle im Bürgermeister-Wahlkampf des Neusser Zentrumskandidaten Dr. Klaus Brall. Letzterer sei "zu rechtsorientiert, solches Gedankengut lasse ich gar nicht erst aufkommen." Brall forderte unter anderem, dass Flüchtlinge zum Arbeitsdienst auf Autobahnbaustellen eingesetzt werden sollten oder dass die Grünen doch Flüchtlinge bei sich zu Hause aufnehmen sollten. "Solches Gedankengut lasse ich gar nicht erst aufkommen", stellt Karis klar. Er macht Otte als Bralls "Wahlkampfleiter" mit verantwortlich. "Ich habe keinen Wahlkampf geleitet", erwidert Christian Otte, "Herr Brall ist ein Freund und ich habe ihn unterstützt." Er räumt ein, dass einige Äußerungen Bralls "nicht zu unserem Vorteil waren, aber ihn auf einen rechten Menschen zu reduzieren, wäre unfair." Zudem frage er sich, was dies mit der Kaarster Zentrums-Fraktion zu tun habe. Seinen Ratssitz will Otte, der auch Bundes-Generalsekretär der Zentrums-Partei ist, auf keinen Fall abgeben, "aber ich weiß noch nichts von einem ordnungsgemäßen Ausschlussverfahren."

Christian Otte (2.v.r.) bei der Wahlpräsentation in der Rathaus-Galerie im Kreise seiner Zentrums-Parteikollegen.

Foto: Rolf Retzlaff

Wie auch immer: Josef Karis will mit Ottes Ausschluss "den Anfängen wehren" — auch wenn es das Fünfer-Bündnis schwächt. "Dann müssen wir halt öfter auf wechselnde Mehrheiten setzen; das möchte Dr. Nienhaus doch auch haben, wie sie gesagt hat."