Angriff auf Thomas Nickel

Neuss · Wenn der historische Wahlverlierer der Neusser CDU, Thomas Nickel, weiterhin wie Pattex an seinem Vizebürgermeister-Sessel klebt, hat die einst so mächtige Partei ein Problem.

Früher zeigte die CDU Neuss noch Stärke und Einigkeit. Das ist jetzt vorbei.

Foto: Frank Möll

"Wie eine Monstranz würden wir die personifizierte Niederlage über Jahre vor uns hertragen", analysieren CDU-Stadtverordnete die Situation. Anne Holt stehe als Vizebürgermeisterin bereit. Auch der Stuhl des Parteivorsitzenden ist angesägt. Erst recht, wenn Nickel weiter alles aussitzt.

Die Stadtverordnete Karin Kilb forderte diese Woche den Rücktritt des gesamten CDU-Vorstandes. Sie handelt und tritt selbst ab. "Einer muss ja mal den Anfang machen", sagt sie. Fraktionschefin Koenemann setzte Nickel sogar ein Ultimatum. Doch der sagt: "Ich habe mir nichts vorzuwerfen".

Thomas Nickel selbst bemüht derweil die Tränendrüsen: "Das ist alles so schrecklich. Das nimmt mich stark mit." Sebastian Rosen, der vor einem Jahr in der Stichwahl gegen den 68-Jährigen unterlag, stellt fest: "Ich habe null Mitleid. Nickel ist ein Polit-Profi. Wem es in der Küche zu heiß ist, darf kein Koch werden. Dieses mimosenhafte Gejammer ist ein Schlag ins Gesicht für all jene Neusser Bürger, denen es wegen der herzlosen, egoistischen und kalten Politik des Gespanns Nickel-Napp wirklich schlecht geht und die zum Beispiel keine bezahlbare Wohnung finden." Auf Rosen wird wieder mehr gehört, viele in der Partei sind freundlich zu ihm.

"Natürlich muss Thomas Nickel zurücktreten. Und Jörg Geerlings auch", sagt der langjährige Präsident der Bürgergesellschaft und Oberschützenmeister der traditionsreichen Scheibenschützen, Dr. Hermann Josef Kallen. "Thomas ist ja ein netter Kerl. Aber auch als Schützenpräsident sollte er Jüngeren Platz machen." Die Familie Kallen steht wie die Familie Werhahn für Neuss. "Heilige Familien" haben die stolze Stadt am Rhein aufgebaut und nachdem Napoleon hier sein Unwesen getrieben hat, auch den Preußen getrotzt. Umso mehr schmerzt sie der Verfall der Neusser CDU. Seit zehn Jahren erschütternde Niederlagen. "Wenn es keinen Ruck gibt und auch kein personeller Neuanfang kommt, trete ich aus", so Dr. Kallen gegenüber dem Stadt-Kurier.

Keine schwache Drohung, denn die "Heiligen Familien" finanzieren mit ihren Spenden und anderen guten Gaben über Dritte so gut wie alles in der CDU Neuss. Thomas Nickel konnte und wollte er nicht wählen und bereits vor zwei Jahren hat er erkannt, welche Rolle der SPD-Mann und Katholik Reiner Breuer spielen wird. Der Doyen der Bürgergesellschaft hat mit dafür gesorgt, dass der bürgerliche Reiner Breuer in den wichtigen Club aufgenommen wird.

Wie lange die Hängepartie in der CDU noch andauert, hängt von der nicht öffentlichen Mitgliederversammlung hinter den Sicherheitszäunen der elitären Internationalen Schule am Rhein ab. Der WDR will am 30. September eine Liveschaltung machen, doch der Parteivorstand möchte vertraulich tagen.

"Die haben scheinbar nichts verstanden. Größtmögliche Offenheit und Bürgernähe wäre doch jetzt angesagt", sorgt sich SPD-Parteichef Benno Jakubassa auch um Jörg Geerlings, der ihm nach der Serie von schlimmen Niederlagen "ehrlich und aufrichtig leid" tue. Ob er sich halten kann? Vieles hängt von den kommenden Tagen ab und ob es Alternativen gibt.

Sebastian Rosen hält an seiner Lebensplanung fest: "Jörg muss selbst wissen, was er macht. Ich bekräftige erneut meine Kandidatur für das Bürgermeisteramt 2020. Übrigens habe ich vor genau einem Jahr in meiner Bewerbungsrede das Wahldesaster um Thomas Nickel vorhergesagt."

Rosen zitiert seine Rede vom November 2014 (!): "Als ich vor fast 25 Jahren in die CDU eintrat, hatte die CDU Neuss 4.000 Mitglieder. Heute zählen wir knapp über 1.000 Mitglieder. Also ungefähr so viele, wie seinerzeit die Junge Union. Seit zehn Jahren verlieren wir nicht nur Mitglieder, sondern wir haben auch deutliche Verluste bei den Wahlen. Wenn wir so weiter machen, verlieren wir weiter." Wie gesagt, die Rede hatte Rosen schon vor einem Jahr gehalten und kann unten nachgelesen werden.

Eines darf Thomas Nickel mindestens bleiben: Präsident des Bürger-Schützen-Vereins. Das Komitee schlug ihn jetzt für die Neuwahlen am 21. November vor. "Wir haben das freundschaftlich im Komitee geregelt. Die Wahlniederlage hat ja nichts mit seiner Funktion hier zu tun", sagt sein möglicher Nachfolger Martin Flecken, der bald 60 Jahre alt wird und den das gleiche Schicksal ereilen könnte wie Prinz Charles, der lange auf die Thronfolge warten muss.

Rede von CDU-Bürgermeister-Kandidat Sebastian Rosen aus dem November 2014 (!):

Meine sehr verehrten Damen, meine Herren,

liebe Freundinnen und Freunde!

Neuss hat eine Perspektive verdient!

Wir haben in den vergangenen Wochen (und hier eben) mehrfach gehört, dass es gilt, Reiner Breuer als Bürgermeister zu verhindern. Die CDU müsse unbedingt das Rathaus regieren.

Und um Breuer zu verhindern habe sich Thomas Nickel entschlossen, anzutreten.

Ist das alles?

Warum wollen wir eigentlich Reiner Breuer verhindern?

Ein Mann, der rein zufällig in die SPD eingetreten ist und heute auch hier bei uns stehen könnte.

Wo unterscheiden wir uns von der SPD? Und was genau will Reiner Breuer anders machen als wir? Diese Antwort sind uns Helga Koenemann und vor allem Thomas Nickel auch heute Abend im Kern schuldig geblieben.

Glauben Sie, liebe Parteifreunde der CDU Neuss, allen Ernstes, dass die Menschen es uns abnehmen, dass die schwarz-grüne Koalition eine bessere Politik als Reiner Breuer macht?

Ich habe mich mal im Wartebereich des Neusser Bauvereins aufgehalten und mit verzweifelten, wohnungssuchenden Müttern und Vätern gesprochen, die nicht wissen, wo sie demnächst wohnen sollen... (PAUSE)

Ich war ohne Anmeldung Gast im Wartebereich der Neusser Tafel, die wir aus der Stadt heraus gedrängt haben auf die Düsseldorfer Straße. Was glauben Sie wohl, was ich dort alles erlebt habe? (PAUSE)

Mittlerweile ist der schlechte Zustand der ehemals sozialen Großstadt Neuss ja Thema jeder Zeitung. Glauben wir allen Ernstes, dass dieses sensible Thema Reiner Breuer noch schlechter machen würde als unsere CDU-geprägte Stadt-Regierung? Ich bedauere sagen zu müssen: Das können Sie vergessen.

Es ist eine als Schande, dass es obdachlose Kinder in Neuss gibt! Es ist eine Schande, wenn die Stadtwerke Müttern mit Säuglingen den Strom abstellen! (PAUSE)

Es ist eine Schande, dass 300 Babies in Neuss gar nicht erst das Licht der Welt erblicken, weil sie auch aus wirtschaftlichen Gründen abgetrieben werden! Ich frage Euch, Thomas Nickel und Herbert Engelbert Napp wie kann das sein?

Das ist eine Schande für Neuss und unsere CDU
(B E T O N E N und P A U S E)

Wir tragen hier Verantwortung!

Wir müssen dringend umkehren zu einer Politik der wirtschaftlichen Stärke, die unser Gemeinwesen in Neuss so attraktiv macht, dass die Armen leben können, weil sie Arbeit haben. Unsere Partei darf nicht die Prinzipien der Sozialen Marktwirtschaft verraten!

Soziale Marktwirtschaft ist das Fundament
und das "Glaubensbekenntnis" der CDU.

Ich frage Sie - wer außer uns soll das ausfüllen? (PAUSE)

Als ich vor fast 25 Jahren in die CDU eintrat, hatte die CDU Neuss 4.000 Mitglieder. Heute zählen wir knapp über 1.000 Mitglieder. Also ungefähr so viele, wie seinerzeit die Junge Union.

Seit ca. 10 Jahren verlieren wir, die CDU Neuss, nicht nur Mitglieder, sondern wir haben auch deutliche Verluste bei den Wahlen.

Wenn wir so weiter machen, verlieren wir weiter...

Und ICH bin jemand, der aus Überzeugung in die CDU eingetreten ist.

Ich bin jemand, der wie ein Hund darunter leidet, wenn angeblich moderne Kommunalpolitiker aus unseren Reihen das beschädigen, was Freunde wie Dr. Heinz-Günther Hüsch, Herbert Karrenberg, Peter Wilhelm Kallen, Hermann-Wilhelm Thywissen, Franz-Josef Schmitt, Hans-Heinrich Große-Brockhoff, Dr. Berthold Reinartz, Waltraud Beyen, Heinz Sahnen und viele andere mühsam aufgebaut haben.

Ein Beispiel: Wenn ich mit ansehen muss, dass bei der vergangenen Kommunalwahl der CDU-Vorstand eine Werbeagentur damit beauftragt hat, Plakate zu kleben, anstatt ein eigenes Team aus unseren Reihen zusammenzustellen, ist das nicht nur völlig unverständlich, sondern auch teuer und unklug.

Wir brauchen doch gerade diesen Teamgeist im Wahlkampf. Klaus Becker, Doris Kies, Reinbert Eitz, Harald Hau und viele andere wissen, wovon ich rede.

Wenn jetzt immer wieder gebetsmühlenartig gesagt wird: "Wir müssen Reiner Breuer verhindern!", zeigt das doch unsere eigene Schwäche.

Wie tief sind wir eigentlich gesunken, dass jemand aus der SPD überhaupt die Chance hat, hier in unserem Neuss zu gewinnen?

Wie tief sind wir eigentlich gesunken, dass nicht einmal unser Parteivorsitzender den Mumm hat, hier heute anzutreten.

Ich aber habe den Mumm! Ich habe den Mumm, den harten Kampf anzunehmen, die CDU in einem Jahr wieder zu der gestaltenden Kraft zu machen, die sie bis vor wenigen Jahren noch war.

Wir brauchen einen Neuanfang! Dafür braucht die CDU Sie alle! Ich will, dass die CDU in Neuss wieder von vielen breiten Schultern getragen wird. Und Sie zeigen es ja heute abend: ein voller Saal wie hier beweist doch, dass ein Aufschwung in unserer Partei möglich ist.

Wir haben in den vergangenen Jahren vieles richtig gemacht, aber leider auch einiges falsch. Nach Jahrzehnten der Regierung von Herbert Engelbert Napp und Thomas Nickel ist ein Generationswechsel und damit ein anderer Politikstil dringend notwendig.
Kein 70jähriger Kandidat spricht die Sprache der Jugend und der jungen Familien!!!

(LEISE BEDEUTSAM)

Wenn wir die Sprache der jungen Menschen nicht mehr verstehen, wenn wir die Themen nicht mehr kennen, nicht mehr wissen, was sie bewegt, wie wollen wir diese Menschen überzeugen und für unsere anständige christlich-liberale und soziale Politik begeistern?

Und deswegen lautet mein Credo:

Anständig mit den Menschen!

Anständig mit Neuss!

Anständig, meine sehr verehrten Damen und Herren!

Ich möchte ein Bürger-Bürgermeister sein, der bei den Bürgern ist und ihr Leben und ihre Probleme kennt.

Ein Bürger-Bürgermeister, der nah an den jungen Menschen in unserer Stadt ist und deren Sprache versteht.

Ein Bürger-Bürgermeister,

- der dafür sorgt, dass der Bauverein sich wieder auf seine Kernkompetenz, den sozialen Wohnungsbau, besinnt. Es kann nicht sein, dass sich Mitbewerber kaum noch an Ausschreibungen beteiligen. Keine Luxuswohnungen, sondern altersgerechtes Wohnen!

- ein Bürger-Bürgermeister, der für eine schlanke, moderne Verwaltung sorgt. Und dafür braucht man mehr als nur fünf Jahre! Ich mache Schluß mit der Zerstückelung der Ämter. Ein Bürgermeister Rosen wird ein großes Amt für Sicherheit, Ordnung und Sauberkeit einrichten, um diese drängenden Probleme endlich zu lösen.

- Ein Bürger-Bürgermeister, der den Neussern in der Verwaltung wieder Aufstiegsmöglichkeiten bieten wird. Es kann nicht sein, dass Führungspositionen nur von Auswärtigen besetzt werden.

- Ein Bürger-Bürgermeister, der die älteste Stadt Deutschlands zur modernsten Stadt Europas machen möchte. Wir brauchen ein schnelles und leistungsfähiges Internet. Es kann nicht sein, dass zum Beispiel in Grefrath und im Taubental die Deutsche Post oder der Kioskbesitzer Wilfred Rasmus uns heute schneller informieren als das World-wide-web.

- Ein Bürger-Bürgermeister, der dafür sorgt, dass ein Kind, dass in Weckhoven oder Derikum in den Kindergarten und in die Grundschule geht, dieselben Bildungschancen bekommt wie Kinder aus Selikum oder dem Dreikönigenviertel.

Soziale Brennpunkte entstehen auf Kommunaler Ebene, nicht auf Länderebene!!!!!

Ich möchte ein Bürger-Bürgermeister sein, der die Ortsteile stärkt, in dem er ihre Bedürfnisse stärker in den Mittelpunkt rückt.

- Ein Bürger-Bürgermeister, der die Rahmenbedingungen für eine attraktive, modern und digital ausgestattete Innenstadt schafft.

- Ein Bürger-Bürgermeister, der die Themen Umwelt und Klima nicht dem grünen Koalitionspartner überläßt.

- Ein Bürger-Bürgermeister, der gemeinsam mit dem Rat und der CDU dafür sorgt, dass wir wieder einen anderen politischen Stil pflegen, in dem die Menschen in Neuss wieder im Mittelpunkt stehen.

Meine Damen und Herren,

wir brauchen einen Bürgermeisterkandidaten der es schafft, die Stammwählerschaft der CDU wieder an die Wahlurnen zu holen!

Ich habe mehrfach bewiesen, dass ich Wahlen gewinnen kann.

Wer steht für Perspektive?? (Rosen guckt die Kandidaten an)

Wenn wir unserer geliebten Quirinusstadt Neuss gemeinsam eine neue Perspektive eröffnen wollen, bin ich der richtige Kandidat dafür.

(zügig weggehen)

ENDE

(Kurier-Verlag)