Auch aus Neuss mussten viele Opfer der Nazis den Weg in die Konzentrationslager antreten
Neuss · Die Übergriffe auf Juden fanden auch in Neuss ihren traurigen Höhepunkt mit der Verschleppung der Neusser Juden in verschiedene Konzentrationslager und ins Vernichtungslager Ausschwitz. Am 9. November 1938 brannten in ganz Deutschland die Synagogen.
Der 9. November ist der Tag, an dem organisierte Schlägertrupps jüdische Geschäfte und Gotteshäuser in Brand setzten. Die offizielle Neusser Gedenkfeier war am Montag, 10 November. Da es am Sonntag keinen Bürgermeister gab, der verfügbar war, gedachte die SPD-Ratsfrau Constanze Kriete am Sonntag den getöteten Juden in ganz besonderer Art. Sie reinigte die Stolpersteine in Neuss. Ein Stadt-Kurier-Reporter begleitete sie und half dabei.
Der 9. November 1938. Es ist der Tag, an dem tausende Juden misshandelt, verhaftet oder getötet wurden. Spätestens an diesem Tag konnte jeder in Deutschland sehen, dass Antisemitismus und Rassismus bis hin zum Mord staatsoffiziell geworden waren. Diese Nacht war das offizielle Signal zum größten Völkermord in der Geschichte der Menschheit.
Die verharmlosende Bezeichnung Reichskristallnacht, deren Herkunft nicht definitiv geklärt ist, bildete und erhielt sich für den reichsweiten Pogrom gegen die Juden im Deutschen Reich, der am 9. November 1938 ihren ersten traurigen Höhepunkt fand.
„Kristallnacht“ bezieht sich auf die überall verstreuten Glasscherben vor den zerstörten Wohnungen, Läden und Büros, Synagogen und öffentlichen jüdischen Einrichtungen. Der Begriff Reichspogromnacht hat sich erst in jüngster Zeit verbreitet und im allgemeinen Sprachgebrauch durchgesetzt, um das belastete Wort „Reichskristallnacht“ zu ersetzen.
Am 9. November 2014 waren alle drei Bürgermeister der CDU (Herbert Napp, Thomas Nickel, Jörg Geerlings) auf einer CDU-Tagung in einem Landhotel am Niederrhein. Vizebürgermeister Reiner Breuer (SPD) war in Berlin. Aus diesem Grund wurde die offizielle Gedenkfeier auf den Montagvormittag verlegt. Das hatte zum Ergebnis, dass besonders viele Schulklassen zur Gedenkfeier am Zolltor, dem Standort der alten Neusser Synagoge, gekommen waren. Bürgermeister Herbert Napp warnte dort gemeinsam mit Bert Römgens von der Jüdischen Gemeinde vor aktuellem Fremdenhass und Ausgrenzung.
Der Kölner Künstler Gunter Demnig erinnert seit Jahren an Opfer des Nationalsozialismus, indem er vor ihrem letzten selbst gewählten Wohnort Gedenktafeln aus Messing in den Gehweg einlässt. Die Gedenktafeln haben eine Kantenlänge von etwa zehn Zentimeter. Sie werden Stolpersteine genannt. Menschen sollen sozusagen über die Tatsache stolpern, dass die schweigende Masse tatenlos zugesehen hat, wie die Opfer des Nationalsozialismus zum Beispiel ins Vernichtungslager Auschwitz verschleppt wurden.
Doch die Neusser Steine gammeln vor sich hin, sind voller Dreck und Moos, glänzen längst nicht mehr. Niemand scheint sich darum zu kümmern.
SPD-Ratsfrau Constanze Kriete und Stadt-Kurier-Chefredakteur reinigten sie am Sonntag. Eine Gemeinschaftsaktion der linken Politikerin mit jenem Journalisten, mit dem sie ihre härtesten Auseinandersetzungen erlebte. Doch diese Aktion war beiden wichtig, so dass sie am 9. November 2014 zusammen arbeiteten.
Die Liste der Neusser Juden und der anderen Opfer des Nationalsozialismus, die verschleppt und bis in den grausamen Tod gequält wurden, ist lang. Die Stolpersteine erinnern an diese Opfer, die bekannt wurden:
Hermann Stein jr.
(Pferdehandlung), 12.02.1881 in Neuss, deportiert nach Lodz am 27.10.1941, ermordet am 07.05.1942
Sophie Stein
geb. Regensteiner, 25.12.1891 in Nördlingen, deportiert 1941, gestorben in Lodz
Lore Stein
31.05.1922 in Düsseldorf, deportiert 1941, + in Lodz
Milli Stein
08.02.1927 in Düsseldorf, deportiert 1941, + in Lodz
Bernhard Stein
06.03.1890 in Neuss, deportiert 27.10.1941, + in Lodz
Dora Stein, geb. Geisel
04.05.1891 in Rheinbach, deportiert 1941, + in Lodz
Theodor Regensberg
16.03.1881 in Hofgeismar, deportiert 11.12.1941 nach Riga,
umgekommen in Riga
Helena Regensberg, geb. Hertz
28.08.1882 in Worms, umgekommen in Riga
Herta Regensberg
02.07.1926 in Heiligenhaus, umgekommen in Riga
Albert Joseph
1862, deportiert: 22.07.1942 nach Theresienstadt, ermordet am 27.09.1942
Julie Joseph
1866, deportiert: 22.07.1942 nach Theresienstadt,
† 9.01.1943
Arthur Mansbach
1898, deportiert 1941, † Riga
Johanna Mansbach geb. Hirtz
1890, deportiert 1941, † Riga
Fritz Mansbach
1826, deportiert 1941 nach Riga, † KZ Buchenwald
Ernst Mansbach
1937, deportiert 1941,
† Stutthof
Anna Mansbach, geb. Marx
1865, deportiert 1942, † Izbica
Hermann Stein
1877, deportiert 1941, ermordet in Lodz
Sara Stein, geb. Rosenberger
1885, deportiert 1941, ermordet in Lodz
Josef Cohnen
1873, inhaftiert 15.07.1938 in Düsseldorf, † 18.07.1938
Ernst Cohnen
1904, Flucht nach Holland 1934, deportiert 1943 nach
Sobibor, ermordet 23.07.1943
Franz Sistemich
1901, ermordet am 22.02.1945 im KZ Flossenbürg
Helene Steffens
1916, eingewiesen in die Klink Süchteln 1938, ermordet in der „Heilanstalt“ Hademar
Hans Funger
1891, im Widerstand, verhaftet 15.2.1937, Zuchthaus Celle, brutal und unmenschlich hingerichtet 11.4.1945
Max Salm
1887, deportiert 1942, Theresienstadt, ermordet 6.6.1943
Julie Salm geb. Judenberg
1888, deportiert 1942, Auschwitz, ermordet 1944
Hermann Milchtajch
1892, ermordet: 1944 in Auschwitz
Selma Milchtajch, geb. Cahn
1900, ermordet: 1944 in Auschwitz
Günther Milchtajch
1928, ermordet: 1944 in Auschwitz
Isaak Gottschalk
1868, ermordet: 29.09.1942 in Maly Trostinec
Hermine Gottschalk
1866, ermordet 1942 in Maly Trostinec
Matha Gottschalk
1911, ermordet: in Riga
Sally Vasen
1881, Flucht 1939, Belgien, deportiert, Gurs, ermordet 16.1.1941
Paula Vasen,
deportiert 1941, ermordet in Lodz
Paula Stein, geb. Winter
1884, Flucht nach Holland 1938,deportiert 1943 nach Auschwitz, ermordet 08.04.1944
Irma Stein
1908, Flucht nach Holland 1938, deportiert 1943,
ermordet in Auschwitz
Fritz Stein
1909, verhaftet 1935, KZ Esterwegen, Flucht nach Holland 1938, deportiert 1943,
ermordet in Aus
chwitz.
Aaron Albert Heumann
27.03.1872 in
Eschweiler, misshandelt, getötet 1940 in Neuss
Erich Heumann
05.08.1905
in Köln, Flucht nach Holland 1935, deportiert 1943, ermordet 1945 in Auschwitz.