Integrationsexpertin mit marokkanischen Wurzeln bedauert Diskussion um "Nafri" Bouchra El Maazi: "Integrationspolitik wird nur unter Deutschen gemacht"

Neuss · Silvesternacht 2016/2017 in Köln: Die Katastrophe vom Vorjahr blieb aus, dennoch entbrannte eine heftige Diskussion um den Begriff "Nafri". Derweil meldet sich Integrationsexpertin Bouchra El Maazi zu Wort.

Unterm Strich war es eine ruhige Silvesternacht in Köln. Dennoch gibt es Diskussionen um den Polizeieinsatz.

Foto: Rike / pixelio.de

Die Deutsche mit marokkanischen Wurzeln ist in Kaarst und Neuss für ihr großes Engagement bekannt. Im Interview macht sie auf Integrationsdefizite aufmerksam.

Nach der fatalen Silvesternacht 2015/2016 in Köln blickte ganz Deutschland auf die Domstadt. Wie erging es Ihnen?
El Maazi: Auch ich habe gespannt gewartet, wie die Nacht in diesem Jahr ausgehen würde und war erleichtert, dass die Eskalation vom vergangenen Jahr ausblieb.

Stattdessen ist eine andere Diskussion entfacht. Im Netz streiten sich Politiker aus dem grünen und linken Lager um den Begriff "Nafri", der für nordafrikanische Intensivtäter steht. Man wirft der Polizei zudem "Racial Profiling" vor. Man sei bei den Kontrollen nur nach den Äußerlichkeiten gegangen. Was halten Sie von der Debatte?
Ich empfinde das als eine Farce. Wir sollten froh sein, dass die Nacht unterm Strich friedlich blieb. Die Polizei hat einen guten Job gemacht — das zählt.

Grüne Politiker empfinden den Begriff "Nafri" als Herabwürdigung. Sie stammen selbst aus Nordafrika. Wie geht es Ihnen damit?
Ich habe ihn nicht als beleidigend wahrgenommen. Ganz ehrlich: Das ist doch das Problem der Integrationspolitik. Sie wird nur unter Deutschen gemacht. Migranten oder Menschen mit Migrationshintergrund werden doch gar nicht gefragt, wie sie zu bestimmten Dingen stehen. Ich bin froh, dass die Polizei am Silvesterabend präsent war.

Die Ereignisse vom vergangenen Jahr in Köln sind allen im Gedächtnis geblieben. Hätte die Eskalation aus Ihrer Sicht verhindert werden können?
Auf alle Fälle. Im Grunde genommen war vorhersehbar, dass etwas passieren würde — das habe ich im Übrigen bereits im Dezember 2015 einem Landespolitiker mitgeteilt. Schließlich kenne ich die marokkanische Kultur und die Unterschiede zu der deutschen. Mir war bewusst, dass es ohne eine gute Integrationsarbeit knallen könnte. Aber darauf ist man schlichtweg nicht eingegangen. Nun bekommen wir die Konsequenzen zu spüren.

Was sollte stattdessen in den Fokus der Integrationspolitik gestellt werden?
Es sollten generell die Meinungen der Menschen eingeholt werden, die es betrifft. Politiker müssen lernen, über den Tellerrand hinauszuschauen, die Hintergründe bestimmter Gegebenheiten erforschen. Integrationspolitik wird oft von oben beziehungsweise vom Schreibtisch aus gemacht. Wir arbeiten an der Basis, geben immer wieder Impulse, leider werden wir viel zu wenig angehört.

Sie haben vorhergesehen, dass die Zuwanderung Probleme mit sich bringen würde. Aus welchen Gründen?
Weil wir hier in Deutschland in einem freiheitlich demokratischen Staat leben, es hier viel weniger Tabus gibt. Denken Sie allein an die Sexualität. Die zugewanderten Menschen hätten ganz anders eingewiesen und informiert werden sollen. Im Übrigen gilt das auch für die andere Seite. Es ist hier weit verbreitet, dass Frauen und Männer im Islam nicht gleichberechtigt sind. Tatsächlich ist dem nicht so: Die Geschlechter haben nur verschiedene Rollen. Es liegt eben in der Hand des Menschen, was er daraus macht.

Sie sind in der Integrationspolitik sehr engagiert. Was konnten Sie bisher erreichen?
Ein Erfolg war, dass wir in Neuss das Café International etablieren konnten. Jeden Dienstag von 16 bis 18 Uhr im Romaneum gibt es Gelegenheit zum Austausch. In Kaarst gibt es endlich einen Integrationsrat. Persönlich freue ich mich auch immer, wenn ich in meinen Workshops Vorurteile aus dem Weg räumen kann — Kommunikation ist hier der Schlüssel.

Was kann die kommunale Politik tun, um die Integration weiter zu fördern?
Unterm Strich funktioniert es hier gut. Was ich mir noch wünschen würde, wäre, dass die Städte und Gemeinden nicht für sich blieben, sondern mehr an einem Strang ziehen würden. Wir haben den Kreis, Konkurrenzdenken ist bei diesem Thema fehl am Platz. Gemeinsam könnte vieles erreicht werden.

Vielen Dank für das Gespräch!

Das Interview führte Violetta Buciak

(Kurier-Verlag)