Flüchtlinge haben freien Zugang zur Stadtbücherei Einheimische Hartz-4-Empfänger sind traurig, dass sie benachteiligt werden
Neuss · Aufregung bei armen alleinerziehenden, deutschen Müttern. Sie müssen für das Ausleihen von Kinderbüchern und Medien bei der städtischen Stadtbibliothek Geld bezahlen. Flüchtlinge werden hier bevorzugt, zahlen nichts.
Minister Schäuble und andere Politiker suggerieren in vielen Aussagen, dass arme Menschen aus Deutschland, also sozusagen die Ur-Einwohner, gegenüber den neu zu uns kommenden Flüchtlingen nicht benachteiligt werden.
In der städtischen Bücherei machen viele Neusser eine andere Erfahrung. "Flüchtlinge müssen nichts bezahlen. Wir aber schon", so eine Neusserin.
Bürgermeister Reiner Breuer (SPD) räumt dies nach einer Stadt-Kurier-Anfrage auch — bedingt — ein: "Das Sozialamt erhält zweckgebundene Spenden für kulturelle und/oder Bildungsmaßnamen für Flüchtlinge. Diese wurden zu einem kleinen Teil eingesetzt um insgesamt 16 Kindern und Jugendlichen, zwei Familien und 46 Erwachsenen einen Jahresausweis der Stadtbibliothek zu finanzieren. Insoweit werden die Kosten für die Jahresausweise durch Privatpersonen und nicht durch die Stadt getragen". Viele deutsche Kunden der Stadtbibliothek sind wegen dieser Vorzugs-Behandlung traurig. Besonders den alleinerziehenden Müttern geht es nicht gut. Sie müssen monatelang auf Bescheide (Kindergeld, Elterngeld, Jobcenter) warten, bekommen kein Geld, finden keine Wohnung.
Reiner Breuer ist nah dran am Problem, will mehr Sozialwohnungen schaffen und sagt dem Stadt-Kurier: "Der Bauverein hat derzeit rund 1200 Anfragen von Mietinteressenten aus den letzten drei Monaten vorliegen. Etwa ein Drittel sind Neusser, die eine Wohnung suchen, ein weiteres Drittel sind Menschen, die bereits beim Bauverein wohnen und eine größere (Familienzuwachs) oder kleinere Wohnung suchen. Das letzte Drittel sind Wohnungssuchende aus dem Umland."
Wie kann es gelingen, dass durch ein Mehr an Sozialwohnungen nicht Hilfeempfänger aus zum Beispiel Düsseldorf zu uns kommen, die den Neussern die Wohnungen wegnehmen?
Der Bürgermeister dazu auf Stadt-Kurier-Anfrage: "Bereits vor Jahren hat der Bauverein geprüft, inwieweit es gesetzliche Vorgaben für die Vergabe gibt. Einzige gesetzliche Restriktion ist das AGG (Allgemeines Gleichbehandlungs-Gesetz). Daraufhin hat der Bauverein ein Scoring Modell entwickelt. So werden Kriterien wie Neusser Bürger/in, Zeitraum/Länge der Wohnungssuche, Mietschulden aus früheren Mietverhältnissen bewertet und danach die Wohnungen vergeben." Leider wahr: Die, die durch Bummeleien und Schlampereien des Jobcenters ein schlechtes Scoring haben, sind benachteiligt.
SPD-Politikerin Constanze Kriete hatte mit dem SPD-geführten Rathaus mitorganisiert, dass nur Flüchtlinge diesen Ausweis bekommen und nicht arme und sozialbenachteiligte Neusser Kinder aus Deutschland und anderen europäischen Staaten: "Die Spendenaktion ist zweckgebunden für die Flüchtlinge. Ich selbst habe Geld für die Flüchtlinge gespendet." Dass die anderen Gruppen, die schon lange in Neuss leben, von dieser Maßnahme nicht profitieren, macht diese benachteiligten Hart-4-Empfänger traurig und auch wütend. Hier treibt die SPD Neuss eine abgehängte Gruppe in die Arme der Rechtspopulisten und stärkt weiterhin die AfD, heisst es.
Constanze Kriete (SPD) hingegen nennt die, die diese Nachricht verbreiten "miese Rassisten". Ihr SPD-Fraktionschef Arno Janen dazu: "Jeden und alles als Rassisten oder Nazi zu titulieren ist eine unangebrachte Verharmlosung der echten Nazis". Jansen zeigt sich nach Krietes mehrfachen Entgleisungen verärgert, während Ratsmitglied Thomas Kaumanns dieses Phänomen auch bei anderen SPD-Aktivisten aus dem linken Flügel sieht. Er selbst wurde von SPD-Ratsherrn Hakan Temel in ähnlicher Form abgestempelt.
Kommentar
Nehmen wir eine Gruppe von 1000 armen Flüchtlingen (fünf Prozent der Gesamtgruppe) und armen alleinerziehenden deutschen Müttern oder Hilfebedürftigen aus der Türkei, Albanien oder Russland an (95 Prozent der armen Gesamtgruppe). SPD-Ratsfrau Constanze Kriete und das SPD-geführte Rathaus sammeln Geld ein oder begleiten eine Spendenaktion und lassen 95 Prozent der Nicht-Flüchtlinge mit blutenden Herzen links liegen, um ausschließlich den 5 Prozent Flüchtlingen dieser Gruppe einen Jahresausweis für die Stadtbibliothek zu geben.
Ich bin der Meinung: Wrong! Es ist falsch, nicht alle gleich gut zu behandeln. Ja, die Flüchtlinge (sie bekommen monatlich etwa den gleichen Geldbetrag wie Hartz-4-Empfänger) sollen diesen Jahresausweis bekommen. Gut angelegtes Geld. Warum aber nicht auch alle anderen?
Neuss ist reich genug. Neulich war ich mit meiner Tochter in London. Wir haben dort die tollen Museen besucht. Hier trafen wir viele (auch arme) Familien, da der Eintritt in London traditionell für alle frei ist. Freikarten für Museumsbesuche, Bildung, Theater, Stadtbibliothek für alle Menschen in Neuss, denen es nicht so gut geht, wäre eine bildungspolitische Maßnahme, die doch nun wirklich kein Loch in unsere Haushaltskasse reisst. Und es ist endlich wieder gerecht: Flüchtlinge werden genau so gut behandelt wie alle, die unsere Hilfe und Herzenswärme benötigen.
Frank Möll