Schicksalsschlag obdachlos: Neusser helfen mit Suppe durch kalte Nächte
Neuss · Draußen ist es nach dem langen, goldenen Herbst wieder ungemütlich und klirrend kalt geworden — ein Wetter zum Zuhause bleiben. Für Dutzende Neusser keine Option — sie sind obdachlos, kämpfen Tag für Tag ums nackte Überleben.
Eine Gruppe von Ehrenamtlern hilft seit Beginn dieses Jahres mit Lebensmitteln und Sachspenden. In diesen Tagen ist sie wichtiger denn je — denn die Notunterkünfte werden knapp.
Freitag, früher Abend unterm Rathaus: Im Schatten der reich geschmückten Tanne verteilen Helfer der Organisation "Neuss packt an — warm durch die Nacht" heiße Suppe und Sachspenden. Warme Bekleidung, Schuhe und Hygieneartikel sind besonders gefragt. Rund 20 Wohnungslose sind zusammen gekommen, sind dankbar für die Hilfe.
Sie wollen oft einfach nur reden, loswerden was ihnen auf dem Herzen liegt. Schicksalsschlag obdachlos — ein Weg, für den sich kaum jemand bewusst entscheidet. Wer auf der Straße landet, hat meist einfach großes Pech gehabt. Heinrich Leyendechras ist 56, hat jetzt seit fast drei Jahren kein Zuhause mehr. Er war Tankwart, bevor er Probleme mit dem Herzen bekommen hatte. Nach einer Bypass-Operation war er berufsunfähig, seine Lebensgefährtin trennte sich von ihm. Und plötzlich stand der Neusser da, ohne Job, ohne Liebe, ohne Wohnung. Hilfe seitens der Stadt habe er kaum bekommen. "Ich habe mir natürlich sofort eine Wohnung gesucht, aber vom Bauverein gab es keine Unterstützung. Je länger ich obdachlos bin, desto schwieriger wird es, da wieder heraus zu kommen.
Nachts schläft er in der Unterkunft "Hin- und Herberge" am Derendorfweg. Dort versteckt er seine wenigen Habseligkeiten vor den anderen. "Es wird dort viel geklaut", erklärt der 56-Jährige. Außerdem werde es in letzter Zeit immer voller — statt vier werden jetzt acht Männer in einem Zimmer untergebracht. Ein Problem, das auch die Stadt Neuss erkannt hat. Die bisher 20 Plätze reichen nicht mehr aus, ein Sachbericht der Verwaltung wirkt wie ein Hilferuf. Auf Antrag der Fraktion "Die Linke" wird das Personal für die Notschlafstelle "Hin- und Herberge" am Derendorfweg aufgestockt, eine bauliche Erweiterung angestrebt. Damit will die Stadt das Problem zunehmender Obdachlosigkeit wieder besser in den Griff bekommen.
Ohne das, so fasste Sozialdezernent Stefan Hahn im Sozialausschuss zusammen, "müssten wir Obdachlose abweisen." Für Hahn hängt die Zunahme von Wohnungslosigkeit unmittelbar mit der wachsenden Flüchtlingszahl zusammen. Denn auf dem Wohnungsmarkt wird es immer enger.
Hilfe von Ehrenamtlern wird demnach immer wichtiger. Die Truppe von "Neuss packt an — warm durch die Nacht" benötigt Unterstützung. "Wir brauchen ganz dringend ein Lager, in dem wir alle Spenden unterbringen können", sagt Initiator Markus Schubert.
Kontakt über:
Info@neusspacktan.de oder Markus.Schubert@neusspacktan.de.
Die Truppe ist auch auf Facebook und im Netz zu finden. Unterstützer sind willkommen: