Tobias Goldkamp sorgt sich um die Türkei Interview mit dem Mitglied der Evangelischen Landessynode vor dem Lutherjahr
Neuss · Führende Protestanten haben den Neusser Rechtsanwalt Tobias Goldkamp (37) in die Landessynode gewählt — das höchste Entscheidungsgremium der Evangelischen Kirche im Rheinland. Der Stadt-Kurier spricht vor dem Lutherjahr mit dem gläubigen Christen über Gott und die Welt.
Aber auch über Flüchtlinge und dem Islamismus.
2017 soll ein "Reformationsjahr" oder "Lutherjahr” sein. Was bedeutet das?
Goldkamp: Vor 500 Jahren machte die Kirche ein Geschäft mit dem Ablasshandel, Sündenvergebung gegen Geld zu versprechen. Dagegen protestierte Martin Luther mit eigenen Thesen. Die Kirche reformierte sich. Leider kam es dabei zur Spaltung zwischen katholischer und evangelischer Kirche. Heute suchen wir nach gemeinsamen Wegen.
Was wird in Neuss im Lutherjahr passieren?
Goldkamp: Viel — im Herbst veröffentlichen wir einen ganzen Veranstaltungskalender. Wir planen einen Stadtkirchentag am 11. Juni 2017. Die Vorarbeiten unter Leitung von Pfarrerin Annette Gärtner laufen gut an. Es wird gemeinsame Akzente der christlichen Kirchen in Neuss geben. Cornel Hüsch bereitet mit uns einen Konvent der Neusser Christen vor.
Was war Luthers Ziel?
Goldkamp: Martin Luther übersetzte die Bibel aus dem Hebräischen und Griechischen in einfache deutsche Sprache. Er wollte, dass die Menschen nicht auf die Aussagen der Geistlichen angewiesen sind, sondern sich ein eigenes Bild von der Bibel machen können.
Was haben wir heute davon?
Goldkamp: Wir können die Bibel lesen. Ich empfehle, mit dem neuen Testament zu beginnen, zum Beispiel dem Matthäus-Evangelium, das die Botschaft von Jesus Christus enthält.
Wie würde Luther heute handeln? Welchen Beruf hätte er heute ergriffen?
Goldkamp: Vielleicht wäre er Wissenschaftler oder Journalist. Er hat nach Erkenntnissen gesucht und wollte informieren.
Die Flüchtlingsfrage beschäftigt uns und die, die als Mörder zu uns kommen. Wie sollten wir mit dem gewalttätigen Islamismus umgehen?
Goldkamp: Gewalttätige Islamisten sind für mich ein Fall für den Staatsanwalt oder den Psychiater. Ich kenne viele friedliche Muslime. Mit denen sollten wir sprechen und sie respektvoll behandeln. Mir liegt die Türkei am Herzen. Deshalb verfolge ich die Ereignisse dort mit Sorge. Menschenrechte sind keine nationale Angelegenheit, sie gelten universell. Umgekehrt sollten wir auch auf die Kritik gerade junger Muslime an unserer manchmal oberflächlichen Lebensart hören. Wir sollten wieder mehr nach dem Woher und Wohin fragen, innehalten.
Werden die Christen eines Tages zusammen stehen?
Goldkamp: Ich hoffe es. Wir sollten gemeinsam Abendmahl feiern, wie Jesus es uns gesagt hat. Gemeinsames Abendmahl braucht kein gemeinsames Abendmahlsverständnis.
Frank Möll führte Das Interview