Wer regiert eigentlich Neuss? Bürgermeister Breuer verliert viele Abstimmungen +++ SPD zerstritten +++ CDU zerstritten +++ FDP chaotisch +++ Ältestenrat steht vor der Auflösung...

Neuss · Die Bewertung des neuen Bürgermeisters in der Presse ist eindeutig: Reiner Breuer kann über Wasser gehen. Er kommt beim Volk gut an. Schwiegermutters Liebling. Doch die Führung und Lenkung der Stadt klappt nicht – und schwer wiegt die Krone.

Top-Manager und Borussia-Präsident Rolf Königs gibt der CDU Tipps und ein Coaching für künftige Strategien. Der bestens aufgelegte Moderator und CDU-Parteichef Jörg Geerlings zeigt sich ausgeschlafen und angriffslustig.

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Viele Ratsmitglieder fühlen sich gegängelt, nennen Breuer „Kontrollfreak“. Die CDU kontert den SPD-Bürgermeister geschickt aus, gestaltet in Klausurtagungen Themen, lädt in den Ortschaften zu Diskussionsrunden ein. Breuers geliebtes Lenkungsgremium, der so genannte „Ältestenrat“ steht hingegen vor dem Aus.

„Schwimme ein wenig mit dem Strom, mach nicht alles gegen die CDU. Arbeite konstruktiv mit der Rats-Mehrheit. Suche den Dialog, nicht die Konfrontation. Verkaufe gemeinsame Initiativen mit der CDU-Mehrheit als gemeinsame Erfolge unter Moderation des neuen SPD-Bürgermeisters. Zeige dich in den Ortschaften und begeistere die Menschen von deiner Politik und deiner Art, Probleme anzupacken.“ – Bürgermeister Reiner Breuer hätte auf die Ratschläge seines erfahrenen Parteichefs Benno Jakubassa ruhig hören können. Der sagte jetzt auf dem Parteitag den verdutzten Genossen: „Die Party ist vorbei. Wir müssen jetzt Neuss mitgestalten und auch mal Abstimmungen gewinnen.“ Die SPD habe erst dann einen Sieg in Neuss errungen, wenn Reiner Breuer eine Wiederwahl schafft.

Reden dieser Art kommen nicht an. Zwölf Genossen (von 108) verweigerten Jakubassa ihre Stimme. Allerdings weniger als von manchen erhofft. Am Ehrentisch im Thomas-Morus-Haus herrscht Eiszeit. Bürgermeisterfrau Breuer kann ihre Abneigung nur schwer unterdrücken. Die roten Socken des Parteichefs passen nicht zur Garderobe der „Kennedys von Neuss“. Utes Ehemann betont bei jeder Gelegenheit, kein SPD-Bürgermeister zu sein, ist Ehrengast (und nicht Mitglied) beim SPD-Neujahrsempfang. Da ließen sogar die von Claudia Föhr aufgestellten roten Blümchen auf dem Tisch frustriert den Kopf hängen.

Als der rote Benno zum SPD-Parteichef gewählt wurde, umarmten ihn viele Genossen. Reiner Breuer reicht ihm nur kühl die Hand. Kein Blumenstrauß, kein Wort des Dankes für einen grandiosen Wahlkampf. Das verletzt den Gemütsmenschen.

Dass ausgerechnet der eigene Bürgermeister, der Reiner, im Vorfeld des Parteitages gegen Jakubassa wie einst Moskaus Gesellen gegen Gorbatschow putschen und den Russen Michael Ziege zum Parteichef machen wollte, ist allerdings vom Tisch. „Ich habe da nichts mit zu tun“, soll Breuer nun seinem ehemaligen Freund anvertraut haben. Die „tickende Zeitbombe der desolaten FDP-Fraktion“, Dirk Assmuth (ehemals AfD, ehemals SPD) weiß mehr über die tiefen Zerwürfnisse in der SPD. „Ich sage dazu nichts. Nur soviel: Die letzten Wochen und Monate waren für mich sehr schlimm“, so Jakubassa auf Stadt-Kurier-Anfrage. Politik ist nicht immer ein Vergnügen. Wehner hatte mit Willy Brandt auch keines.

Alles andere als lau badet derzeit CDU-Chef Jörg Geerlings. Auch ihm fallen viele ehemalige Freunde in den Rücken. Doch der Mann ist so gut wie nie, ackert und kämpft um den Parteivorsitz. Beim Fischessen der CDU kamen 150 Gäste, um dem Vortrag des Ehrengastes Rolf Königs zu lauschen. Der Chef der Unternehmensgruppe Aunde und Präsident von Borussia Mönchengladbach machte der CDU Mut und zudem (unbewusst) internen Wahlkampf für den Parteichef, der wiedergewählt werden will. Auch hier herrscht Streit. Im Westen (Nüss) nichts neues.

(Kurier-Verlag)