Prüfen, rufen, drücken: Neuer Blick auf die Erste Hilfe „Uedesheim rettet Leben“ war zu Gast beim Stadt-Kurier
Neuss · Ein Projekt von Bürgern für Bürger, das ist „Uedesheim rettet Leben“. Seit 2018 lädt das Projekt-Team bestehend aus Dr. Hella Körner-Göbel, Anästhesistin und Notfallmedizinerin, Volker Göbel, Berufsfeuerwehrmann und Rettungsingenieur, Marc Zellerhoff, Ärztlicher Leiter des Rettungsdienstes im Rhein-Kreis Neuss, Melvin Spicker, Fachangestellter für Bäderbetriebe, und Stefan Crefeld, Stadtverordneter für Uedesheim, monatlich zu kostenlosen einstündigen Schulungen ein, um den Menschen beizubringen, was bei einem Herzkreislaufstillstand zu tun ist. 371 potentielle Ersthelfer sind so mittlerweile geschult worden – zehn davon arbeiten beim Stadt-Kurier. Wie das ehrenamtliche Team von „Uedesheim rettet Leben“ bei seinem Besuch auf der Moselstraße den Blick der Mitarbeiter auf Erste Hilfe verändert hat, berichtet Redakteurin Daniela Furth.
„Können Sie sich vorstellen, wie lange acht Minuten sind, wenn etwas passiert?“ Diese Frage stellt Marc Zellerhoff meinen Kollegen und mir während unserer Schulung. Ich weiß, es ist eine gefühlte Ewigkeit, war ich doch schon öfter als mir lieb ist in solch einer Situation. Umso beruhigender ist es, zu erfahren, dass es selbst Profis wie Zellerhoff so geht, wenn sie nicht als Arzt, sondern als Privatperson, als Ersthelfer vor Ort sind. In acht bis zwölf Minuten soll ein Rettungswagen nach Absetzen des Notrufs da sein. Meistens wird diese sogenannte „Hilfsfrist“ eingehalten, erklärt er.
Doch manchmal sind die Wege länger, wie Dr. Hella Körner-Göbel ergänzt: „In Uedesheim ist es wunderschön, aber es liegt auch nicht mitten in der Stadt oder neben einer Rettungswache.“ Etwa 80.000 Mal pro Jahr fährt der Notarzt im Rhein-Kreis Neuss raus, um die 400 Einsätze davon sind Herzkreislaufstillstände. Mehr als einmal am Tag kommen also Menschen – egal ob jung oder alt, sportlich oder untrainiert – in eine Notlage, in der wir alle helfen können. „Es ist für den Notarzt und den Patienten eine Win-Win-Situation“, erklärt uns Zellerhoff, „denn je mehr Sie helfen können, desto größer ist der Erfolg unserer Arbeit.“
Doch wie genau können wir helfen? Der letzte Erste-Hilfe-Kurs liegt bei den meisten aus unserer Runde viele Jahre, wenn nicht gar Jahrzehnte zurück. Die Angst, etwas falsch zu machen, ist groß. Der Gedanke an eine Mund-zu-Mund-Beatmung und die meist komplizierten Erklärungen, wie man den richtigen Punkt für eine Herzdruckmassage findet, lassen uns zögern. Die Angst nimmt uns Zellerhoff aber schnell: „Es wird kein Puls gefühlt, keine Mund-zu-Mund-Beatmung gemacht – anders als wir es in den Erste-Hilfe-Kursen gelernt haben.“ Erleidet ein Erwachsener einen Herzkreislaufstillstand, gibt es für uns als Ersthelfer in den ersten zehn Minuten – beziehungsweise bis zum Eintreffen des Rettungsdienstes – nur drei Punkte zu befolgen: Prüfen, rufen, drücken.
An den aus Erste-Hilfe-Kursen bekannten Puppen üben meine Kollegen und ich den Ernstfall. Als ich an der Reihe bin, prüfe ich zuerst das Bewusstsein durch Schütteln des in Not Geratenen. Da keine Reaktion kommt, kontrolliere ich als nächstes die Atmung, dafür wird der Kopf der Person leicht überstreckt. Acht bis zwölf Mal die Minute atmen wir normalerweise. Ist die Atmung normal – und nur dann –, wird derjenige in die stabile Seitenlage gebracht. Nach dem Prüfen wird der Notruf abgesetzt. Ich weise einen meiner Kollegen an, denn währenddessen kann ich mit Schritt drei, dem Drücken, beginnen. Ich lege meinen Handballen auf die Mitte des Brustkorbs, verschränke meine Hände, strecke meine Arme senkrecht über den Brustkorb und beginne fest zu drücken – und dabei bloß keine Angst vor brechenden Rippen haben. 100 Mal pro Minute sollten es sein. Mitzählen funktioniert in der Situation zwar auch, aber um den Rhythmus zu halten, singe ich im Kopf „Staying Alive“ – das hat sich seit meinem Erste-Hilfe-Kurs nicht geändert. Schützenfestfans können übrigens auch den Radetzkymarsch als Hilfe nehmen.
Im Ernstfall würde ich die Herzdruckmassage so lange ausüben, bis der Rettungsdienst neben mir stünde. Das klingt ganz schön anstrengend und verständlicherweise stellen wir uns alle die Frage: Würden wir das schaffen? Ja! Da sind sich alle aus dem Projekt-Team einig. So berichten sie zum Beispiel von einem Vorfall, bei dem ein Mann in einem Wald zusammengebrochen ist und 45 Minuten von einem Ersthelfer versorgt wurde, bis der Notarzt vor Ort war. Der Patient hat dank dieses Einsatzes überlebt – ohne Folgeschäden.
„Es ist wirklich einfach das Schlimmste, nichts zu machen“, legt uns Körner-Göbel am Ende noch einmal ans Herz. Wie jeder einzelne von uns letztendlich in einer solchen Notsituation reagieren würde, das ist natürlich schwer zu sagen. Doch sicher ist: Die Angst, etwas falsch zu machen, und die Scheu, etwa vor einer Mund-zu-Mund-Beatmung, wurde uns in dieser einen Stunde genommen. Und mein neu gewonnenes Wissen habe ich schon mit dem einen oder anderen aus meinem Freundes- und Familienkreis geteilt.