Jetzt gibt es auch einen „Doppel-Wumms“ bei der Neusser SPD: Rosemarie Franken-Weyers und Heinrich Thiel an der Spitze

Neuss · Die SPD setzt nicht nur bei der Bekämpfung der bundesweiten Energiekrise auf den Scholz’schen „Doppel-Wumms“, auch im Lokalen scheint dies als Erfolgsrezept angesehen zu werden: Die Sozialdemokraten wählten beim politischen Aschermittwoch im Thomas-Morus-Haus Rosemarie Franken-Weyers und Heinrich Thiel zu den neuen Vorsitzenden des SPD-Stadtverbandes. Die beiden wagten sich auch gleich mit Blick auf die Haushaltskonsolidierung an ein heikles Thema: die Ausweisung weitere Gewerbeflächen in Neuss.

Bürgermeister Reiner Breuer (l.) und Fraktionsvorsitzender (und bisheriger Stadtverbands-Vorsitzender) Sascha Karbowiak (r.) gratulierten der ersten Doppelspitze der Neusser Sozialdemokraten, Rosemarie Franken-Weyers und Heinrich Thiel.

Foto: SPD Neuss

Die Wahl wurde erforderlich, weil der bisherige Fraktionsvorsitzende Arno Jansen den Posten des Beigeordneten in Grevenbroich angetreten hatte, der bisherige Parteivorsitzende Sascha Karbowiak wurde zu seinem Nachfolger gewählt. Letzterer trat dementsprechend beim politischen Aschermittwoch nicht zur Neuwahl an und machte den Weg frei für die Doppelspitze – die es zum ersten Mal in der Geschichte der Neusser SPD gibt. Um dies möglich zu machen, mussten die Mitglieder zuvor einer Satzungsänderung zustimmen. Für die Mitglieder kein Problem – und so wird der Stadtverband von einem auf den ersten Blick recht „ungleichen Paar“ geführt. Rosemarie Franken-Weyers (62, Biologin, arbeitet seit mehr als 30 Jahren bei einem großen amerikanischen Pharmaunternehmen im Vertrieb, derzeit als Fachreferentin Onkologie) ist als „Spätberufene“ 2017 bei der SPD eingetreten. Aber sie kommt aus einer der Sozialdemokratie verbundenen Handwerker-Familie: „In der Werkstatt meines Vaters wurden damals die SPD-Plakate zusammengenagelt“, erinnert sie sich schmunzelnd. Ihr bereits verstorbener Mann Heinz war 60 Jahre lang Mitglied der SPD. Franken-Weyers hatte sich letztendlich für ihr politisches Engagement entschieden, „weil jetzt viele junge Leute in der SPD etwas gemeinsam bewegen wollen“. Und sie fügt hinzu: „Ich bin überzeugt, dass Werte wie Chancengleichheit und soziale Gerechtigkeit, bei gleichzeitigem Bewusstsein für eine gesunde Umwelt, in keiner anderen Partei besser vertreten werden können als in der SPD.“ Auch heute gebe es „in puncto soziale Gerechtigkeit noch genug Baustellen, an denen man sich austoben kann“.

Seit 2021 ist Franken-Weyers Ratsmitglied, sie ist planungspolitische Sprecherin der SPD – und frischgebackene Stadtverbandsvorsitzende. Ebenso wie Heinrich Thiel (34, Politik- und Wirtschaftswissenschaftler, Wirtschaftsförderer der Stadt Grevenbroich), der bereits mit 19 Jahren den Weg zur SPD fand. „Ich erinnere mich noch gut, dass auf meinem Grundschulzeugnis die Empfehlung ,Haupt- oder Gesamtschule‘ stand. Ich war zu dem Zeitpunkt noch nicht viele Jahre in Deutschland, das Schreiben fiel mir besonders schwer. Hätte ich damals nicht einen von den wenigen Plätzen an der von der SPD gegen Widerstände durchgesetzten Gesamtschule bekommen, wäre mein Leben sicher anders verlaufen“, weiß Thiel. Auch die von der SPD abgeschafften Studiengebühren seien hierbei wichtig gewesen. „Dass mir die Partei diese Chance geben hat, habe ich damals wie heute nicht vergessen. Jetzt sehe ich es als Aufgabe, auch anderen Menschen diesen Weg zu ermöglichen. Mein Ziel ist es, Chancengleichheit in der Gesellschaft zu schaffen.“

Man sieht: Zwei Menschen mit unterschiedlichen Erfahrungen und Kompetenzen stehen jetzt an der Spitze der SPD. Doch sie eint der Teamgeist, die Lust an der Diskussion – und dem anschließenden Konsens, um gemeinsam etwas bewirken zu können. Ganz wichtig sei ihnen die Fortführung der Dialog-Veranstaltungen, der „Küchengespräche“ in den Stadtteilen und der Gestaltung der Wahlkreis-Zeitungen. „Wir wollen erfahren, was die Bürger wollen, wollen hören, was in der Bürgerschaft passiert und sehen, was machbar ist“, so Franken-Weyers.

Aber sie scheuen sich auch nicht, gleich zu Beginn ihrer Amtszeit ein „heißes Eisen“ zu schmieden: Sie bringen die Schaffung weiterer Gewerbeflächen zur Diskussion – als Mittel der Linderung der schwierigen Haushaltslage. Doch Thiel verweist auf das 2022 verabschiedete Handlungskonzept für die Vergabe von Gewerbeflächen, worin zahlreiche Regeln festgelegt worden seien: unter anderem die Zahl der sozialversicherungspflichtigen Jobs, das Verhältnis der bebauten Fläche zu neu geschaffenen Arbeitsplätzen und der Blick auf die Verkehrsbelastung. Ein strenger Kriterienkatalog, den die SPD-Doppelspitze gegebenenfalls auch mit den Bürgern diskutieren möchte. „Die Menschen vor Ort sollen unsere Entscheidungen mittragen, wir wollen ihnen nichts überstülpen!“ Aber fest stehe auch, so Thiel: „Am Ende des Tages müssen wir auf die Kassenlage der Stadt schauen.“ Und neue Gewerbeflächen bringen nun mal mehr Gewerbesteuererträge ...

Rolf Retzlaff