SPD-Kritik: „CDU-Landrat will auf Kosten der Schwächsten sparen“ Gerichtsurteil: Rhein-Kreis soll für Arbeitslose höhere Mietzuschüsse leisten
„Der Mietspiegel ist unverantwortlich gegenüber den hilfsbedürftigen Menschen im Rhein-Kreis“, ärgert sich Carsten Thiel, Vorsitzender der Fraktion UWG Rhein-Kreis Neuss / Aktive Bürger Gemeinschaft – Die Aktive. Offenbar sieht dies auch das Sozialgericht Düsseldorf so: Es hat den grundsicherungsrelevanten Mietspiegel des Rhein-Kreises Neuss für rechtswidrig erklärt. So muss der Rhein-Kreis bald Arbeitslosengeldempfänger mit deutlich höheren Zuschüssen für die Miete unterstützen. Landrat Hans-Jürgen Petrauschke behält sich allerdings eine Berufung gegen das Urteil vor.
Neuss. „Das Urteil des Sozialgerichts bezieht sich auf zwei Sachverhalte aus den Jahren 2014 und 2016 für ein und die gleiche Bedarfsgemeinschaft, die ohne vorherige Absprache mit dem Job-Center von Neuss nach Kaarst umgezogen ist“, erklärt Petrauschke. Der aktuelle grundsicherungsrelevante Mietspiegel, das heißt die seit 2019 gültige Fortschreibung, sei nicht beklagt worden. Petrauschke: „Erst wenn uns die schriftliche Urteilsbegründung vorliegt, können wir prüfen, welche möglichen Konsequenzen sich daraus ergeben.“ Das Urteil besagt, dass der Rhein-Kreis deutlich höhere Mieten übernehmen muss – für eine dreiköpfige Familie beispielsweise 25 Prozent mehr. Für den SPD-Landratskandidaten Andreas Behncke zeige dies, was der CDU-Landrat versucht habe: „Nämlich auf Kosten der Schwächsten zu sparen.“
Was steht hinter dem Urteil? Wer Arbeitslosengeld bezieht, kann die Kosten für eine Wohnung und die Heizung nicht aus eigener Tasche leisten. Daher übernimmt der Staat diese Kosten. Den betroffenen Personen soll eine angemessene Wohnung zur Verfügung gestellt werden. Da die Mieten für normale Wohnungen je nach Stadt stark schwanken, legt jeder Kreis mithilfe eines Gutachterbüros die zumutbaren Mieten selber fest. Übersteigt eine Wohnungsmiete diese Obergrenze, muss der Betroffene in eine günstigere Wohnung umziehen. Bisher lag die höchste zulässige Miete für einen Ein-Personen-Haushalt in Neuss bei 418,50 Euro. Die SPD Neuss kritisiert diese Festlegung seit Jahren als viel zu gering. „Für die Beträge, die der Rhein-Kreis Neuss zur Verfügung stellt, findet man in Neuss kaum verfügbare Wohnungen“, sagt der Neusser Sozialausschuss-Vorsitzende Karlheinz Kullick.
Die Kreistagsfraktion UWG/Die Aktive will im Kreisausschuss am 13. November den jetzigen grundsicherungsrelevanten Mietspiegel ab sofort außer Kraft setzen und eine rechtssichere Neuauflage in Auftrag geben lassen. „Kaltmieten im Fünf-Euro-Bereich gehen völlig an der Realität vorbei“, heißt es in dem Antrag der Fraktion. Für einen Drei-Personen-Haushalt müssten laut Urteil in Kaarst anstatt 643,20 Euro nunmehr maximal 764,50 Euro und in Neuss statt 611,20 Euro nunmehr maximal 764,50 Euro als angemessen berücksichtigt werden. „Das zeigt ganz klar, dass der jetzige Mietspiegel völlig unrealistisch ist. Das hätte auch der Verwaltung und jedem Politiker im Rhein-Kreis Neuss klar sein müssen“, so Thiel.
Und was bedeutet dies für den Rhein-Kreis? Kreispressesprecher Reinhold Jung weist darauf hin, dass es hier ausschließlich um von Leistungskürzungen betroffene Leistungsempfänger gehe, die im Rhein-Kreis Neuss weniger als zehn Prozent aller Leistungsempfänger ausmachten. So stehe schon jetzt fest, dass nur ein geringer Teil der Leistungsberechtigten auch von möglichen Konsequenzen aus dem Urteil betroffen sein würde. Jung: „Wo alle Kosten zu 100 Prozent erstattet werden, gibt es schließlich keinen Anspruch auf Erhöhungen.“ Auch führt er an, dass die beiden erstinstanzlich entschiedenen Fälle ausschließlich eine Drei-Personen-Bedarfsgemeinschaft betrafen. Etwaige Auswirkungen für andere Bedarfsgemeinschaften könnten aus Sicht des Rhein-Kreises erst nach Sichtung der Gründe beurteilt werden.
Der Kreis behält sich vor – gegebenenfalls auch in Abstimmung mit weiteren betroffenen Gebietskörperschaften – gegen das Urteil in Berufung zu gehen. „Vor dem Hintergrund, dass das Sozialgericht Düsseldorf selbst bezogen auf unser schlüssiges Konzept bisher widersprüchlich entschieden hat, schätzt der Kreis die Erfolgsaussichten für ein Berufungsverfahren grundsätzlich positiv ein“, so Jung.