Kita-Träger sind sich einig Die Kindertagesstätten sind weiter „in Not! Landesregierung muss endlich handeln!“

Neuss · „Kitas in Not! Landesregierung muss endlich handeln!“ ist weiterhin auf Transparenten vor zahlreichen Kindertagesstätten zu lesen. Die gestiegenen Löhne und Sachkosten machen den Trägern zu schaffen: Von den staatlichen Zuschüssen sind sie nicht gedeckt (der Stadt-Kurier berichtete). Dabei hatten der Neusser Landtagsabgeordnete Dr. Jörg Geerlings (CDU) und Simon Rock (Bündnis 90/Die Grünen) Landtagsabgeordneter aus dem Rhein-Kreis Neuss, in der vergangenen Woche angesichts der Überbrückungshilfe in Höhe von 100 Millionen Euro für die Kitas frohlockt. Auch sollen die kommunalen und freien Träger ab der nächsten gesetzlich vorgesehenen Dynamisierung für das Kindergartenjahr 2024/25 fast zehn Prozent mehr Mittel für die Kindpauschalen erhalten. „Der drohende Kita-Kollaps ist abgewendet“, erklärte Geerlings. Das sieht die Arbeitsgemeinschaft der freien Wohlfahrtsverbände Neuss – ein Zusammenschluss freier Kita-Träger – gänzlich anders.

Eine deutliche Botschaft auf den Transparenten, die von der Arbeitsgemeinschaft der freien Wohlfahrtsverbände Neuss aufgehängt wurden: „Kitas in Not! Landesregierung muss endlich handeln!“

Foto: Kurier Verlag/Rolf Retzlaff

Bis die Erhöhung der KiBiz-Pauschake greife, vergehe ein ganzes Kita-Jahr, in dem die Träger bereits unter massivem finanziellem Druck stünden. „Denn die Kosten steigen anders als die KiBiz-Pauschalen nicht erst zum nächsten Kindergartenjahr“, erklärt Jens Röskens, Sprecher der Arbeitsgemeinschaft der freien Wohlfahrtsverbände in Neuss. Daran ändere auch die angekündigte Überbrückungshilfe in Höhe von 100 Millionen Euro wenig, die Anfang 2024 kommen soll. „Das sind gerade einmal 9.300 Euro pro Kita in NRW“ rechnet Röskens vor. Und die Rechnung geht weiter: Pro Vollzeitstelle lägen die Mehrkosten im Jahr 2023 bereits bei 4.500 bis 6.800 Euro. In NRW werde der tatsächliche Finanzbedarf auf 590 Millionen Euro geschätzt. Davon sei die Landesregierung mit ihrem Vorschlag weit entfernt. Die Krise sei damit nicht abgewendet. „Die Richtung stimmt, aber es müssen schnell weitere Schritte folgen“, weiß Röskens. Schließlich stehe 2024 eine weitere finanzielle Belastung aus der Umsetzung des Tarifabschlusses an. Das Land dürfe den Ball nicht einfach an die Kommunen und die Träger weitergeben. Mit jeder Erhöhung der KiBiz-Pauschalen steige auch der Anteil, den die Kommunen und Träger beisteuern müssen. Röskens: „Die Grenze der Belastung ist längst erreicht.“

In Elternbriefen informieren einige Träger darüber, nicht mehr so viel Bastelmaterial, Möbel und Deko kaufen zu können. Das Ziel: Entlassungen von Erzieherinnen und Erziehern sollen möglichst vermieden werden.

Auch die Neusser Sozialdemokraten üben harsche Kritik an den Landeshilfen: „Mir ist es vollkommen schleierhaft, wie man sich als Landtagsabgeordneter für diese Mogel-Packung feiern lassen kann“, so der SPD-Vorsitzende Heinrich Thiel. Er verweist auf ein Schreiben der Arbeitsgemeinschaft der freien Wohlfahrtsverbände Neuss. Darin rechnen die Organisationen vor, dass eine viergruppige Kita mit 13 Vollzeitstellen durch den aktuellen Tarifabschluss voraussichtlich knapp 53.000 Euro an erhöhten Personalkosten zahlen muss. „Grob kalkuliert erhält die Stadt Neuss aber nur knapp 10.000 Euro je Kita aus der Überbrückungshilfe der Landesregierung“, kritisiert Nadine Baude als jugendpolitische Sprecherin der SPD Neuss. Mit den weiteren Kosten würden die Kitas „wieder einmal im Stich gelassen“. Sollte die Stadt Neuss einspringen, würde das den städtischen Haushalt laut SPD vermutlich jährlich mit knapp sechs Millionen Euro belasten. Eine Riesensumme, zumal Neuss mit einem Rekorddefizit von über 60 Millionen Euro in die Haushaltsberatungen geht.

Zur Arbeitsgemeinschaft der freien Wohlfahrtsverbände Neuss gehören die Arbeiterwohlfahrt Ortsverein Neuss (AWO), Caritasverband Rhein-Kreis Neuss, Diakonie Rhein-Kreis Neuss, Der Paritätische Kreisgruppe Rhein-Kreis Neuss, DRK-Kreisverband Neuss, Sozialdienst katholischer Frauen Neuss (SkF) und Sozialdienst katholischer Männer Neuss (SKM).