Letztes Jahr als Präsident: Was Thomas Nickel in diesem Jahr anders macht
Neusser, die jünger als 16 Jahre alt sind, kennen nur ihn als Präsidenten: Thomas Nickel hat das Schützenwesen geprägt, steht seit 2001 an der Spitze des Komitees und beendet noch in diesem Jahr seine Karriere.
Im Stadt-Kurier-Interview verrät der 69-Jährige, was sich in seiner Amtszeit verändert hat und wie es für ihn als Schützen weitergehen wird.
Thomas Nickel, Sie sind seit November 2000 Schützenpräsident. An welche Momente erinnern Sie sich besonders gerne zurück?
Rückblickend verging alles so schnell, wo ist die Zeit geblieben? An meine erste Rede 2001 auf dem Markt erinnere ich mich aber besonders gut. Da war die Aufregung hoch. Immerhin war das Fernsehen dabei, alle Augen waren auf einen selbst gerichtet. Ohnehin war mein erstes Jahr als Präsident ein ganz besonderes. Oberst Josef Bringmann wurde von Dr. Heiner Sandmann abgelöst und damit waren gleich zwei neue Gesichter an der Spitze des Vereins.
Sie hätten noch ein Jahr dranhängen können, beenden Ihre Amtszeit aber bereits jetzt. Was waren die Beweggründe?
Das war einzig und allein mein Alter. Ich vollende am Schützenfestmontag mein 70. Lebensjahr. Ich war immer ein Verfechter, dass der Präsident zu diesem Zeitpunkt sein Amt niederlegen sollte. Ich hätte meine Amtszeit zu Ende bringen können, indem ich das eine Jahr weitergemacht hätte. Aber man muss auch loslassen können.
Sie waren ein Spätzünder und kamen erst im Jahr 1987 zum Schützenwesen. Wie beschreiben Sie Ihre Karriere?
Es stimmt, ich war ein "Spätberufener" und rutschte in das Schützenwesen rein. Damals gab es eine Spontanaktion, bei Blau Weiss Neuss "einmal" beim Fest mitzumarschieren. Initiatoren waren Achim Tilmes und Oberleutnant Heinz-Willi Maassen. Ich dachte mir, dass ich aus Spaß einmal mitmachen könnte. Dann wurde ich aber schnell mit dem Bazillus infiziert. Nur drei Jahre danach war ich Schützenkönig, zweifelsohne ein Höhepunkt meiner Schützenlaufbahn. Und ein Jahr später 1991 wurde ich zum Mitglied des Komitees gewählt. Viele Jahre war ich Schatzmeister, später Präsident. Wenn Sie so wollen, war das eine steile Schützenkarriere. Das habe ich jedoch nie so empfunden. Es hat sich so ergeben.
Sie haben mehrere Präsidenten erlebt. Haben Sie sich dabei inspirieren lassen?
Im Jahr 2000 habe ich den damaligen Präsidenten Dr. Bertold Reinartz abgelöst. Davor erlebte ich noch Prof. Dr. Herbert Brüster. Seine Reden waren sehr professual. Da habe ich mir eher ein Beispiel am Präsidenten Hermann Wilhelm Thywissen genommen, der nahbar war. Ohnehin wollte ich immer bei den Zügen und Schützen sein. Möglichst jede Einladung annehmen. Das war mir in meiner Laufbahn als Präsident am wichtigsten.
Wenn einer die Entwicklung des Schützenwesens in den vergangenen Jahrzehnten beurteilen kann, dann sind Sie das. Was hat sich verändert?
Das Schützenfest ist moderner und jünger geworden. Es ist keine Männerdomäne mehr, sondern vielmehr ein Familienfest. Und ja, auch Frauen spielen eine immer größer Rolle. Das merkt man ganz besonders im Zugleben, bei Ausflügen und Festen. Sie sind alle dabei. Das finde ich toll!
Das Neusser Schützenfest wächst jedes Jahr immer weiter. Woran liegt das?
Es ist uns immer gelungen, neue Mitglieder, besonders junge Menschen, zu begeistern, so dass wir für die Zukunft stets gut aufgestellt waren. Und die Schützenfest-Bälle haben sich so toll entwickelt. Sie ziehen die Jugend an. Dann ist es natürlich von Vorteil, dass die Kinder bereits in vielen Kindergärten und Schulen auf das Fest eingestimmt werden.
Welchen Herausforderungen wird sich Ihr Nachfolger Martin Flecken stellen müssen, und welche Ratschläge geben Sie ihm mit auf den Weg?
Ratschläge werde ich ihm keine geben. Denn, wie meine Frau so schön sagt, auch Ratschläge sind Schläge. Aber ich bin immer bereit, Auskunft zugeben und zu helfen. Martin Flecken ist schon so lange im Komitee und ohnehin viel länger Schütze als ich. Das einzige was ich sagen kann: "Lass dich mittragen — schau auf die Schützen".
Wie überall herrscht auch im Amt des Schützenpräsidenten nicht immer eitel Sonnenschein. Welche Tiefschläge mussten Sie in dieser Zeit hinnehmen?
Natürlich gibt es die Momente, die nicht so erfreulich waren. Dass Marco Sickel 2004 von seinem Amt zurückgetreten ist und später in so jungem Alter verstarb, tat weh und hat mich tief getroffen. Und es gab weitere Könige, die sich diesen Traum noch im hohen Alter erfüllten und wenige Jahre später verstarben. Dann denkt man an den Festtagen besonders an sie.
In der Öffentlichkeit wird der Präsident gerne einmal unterschätzt. Was sind die Aufgaben, die vielleicht nicht jeder sieht?
Im Grunde genommen führt der Präsident das Komitee und übernimmt dadurch eine sehr hohe Verantwortung, Ich habe es dabei immer wie in meinem Beruf gehandhabt: Man muss auch Anderen vertrauen und nicht selbst alles in die Hand nehmen. Auch meine Frau war immer involviert, hilft mir und plant die Treffen mit den Frauen der Komiteemitglieder. Eine Tradition war unser gemeinsames Gänseessen, zu dem ich immer am ersten Adventssonntag eingeladen habe. In diesem Jahr zum letzten Mal. Und dann sage ich immer, dass der Spaß am Schützenfest nicht verloren gehen darf. Wenn wir am Sonntag und Montag zu den verschiedenen Schützenbällen fahren, ist im Omnibus schön was los.
Integration und Inklusion sind die Top-Themen in der Gesellschaft und auch im Schützenwesen gibt es auf diesem Gebiet Entwicklungen. Was hat sich zuletzt getan?
Was wir schon immer geschafft haben, war die Integration von Neubürgern. Dabei spielten ethnische oder religiöse Hintergründe keine Rolle. Wir haben sehr viele Schützen mit unterschiedlicher Herkunft in unseren Reihen: Engländer, Türken, Franzosen und viele mehr. Erstmals hatten wir im letzten Jahr Rollstuhlfahrer bei den Paraden und Umzügen dabei mit der Zusage, dass die Schützenkameraden ein Auge darauf haben und Hilfe anbieten. Das hat im vergangenen Jahr super funktioniert und wir freuen uns, das auch in diesem Jahr so fortzuführen.
Wie werden Sie Ihr letztes Jahr als Präsident angehen?
Was den zeitlichen Ablauf angeht, bleibt alles unverändert. Sicherlich werde ich das ein oder andere Mal wehmütig sein. Auch zu meinem Geburtstag, diesmal an Schützenfestmontag, werde ich "normal" bleiben. Ich werde schon oft danach gefragt. Vielleicht hole ich das Feiern später nach.
Wie geht es anschließend für Sie als Schütze weiter?
Das weiß ich ehrlich gesagt noch gar nicht. Das normalste wäre jetzt, in den Schützenzug zurück zu gehen. In meinem Fall in den Grenadierzug "Sportfreunde 1987". Vielleicht werde ich aber auch erstmal ein Jahr einfach zugucken und einen der Bälle in voller Länge erleben, anstatt "Ballhopping" zu machen. Darauf freue ich mich schon. Wann immer ich mich im Leben von einem Amt getrennt habe, habe ich mir vorgenommen, nicht wehmütig zurück zu schauen, sondern optimistisch nach vorne.
Vielen Dank für das Gespräch!