+++politisch will er hoch hinaus+++warum seine türkische Wurzeln helfen+++ Der Mann, dem die Bürger vertrauen – Temel hat das Barbaraviertel im Griff

Neuss · Er startet in der Lokalpolitik durch, schaffte bei der Kommunalwahl 2014 den direkten Einzug in den Neusser Stadtrat. Nur seinem guten Freund Heinrich Thiel war das für die SPD gelungen. Inzwischen kann der Neusser mit türkischen Wurzeln erste Erfolge wie die Einrichtung einer Tiertafel vorweisen.

Hakan Temel setzt sich nicht nur im Barbaraviertel ein. Er will für ein besseres Neuss kämpfen.

Foto: Fotos: Violetta Buciak

Und auch in Zeiten der Flüchtlingskrise ist sein Engagement wichtiger denn je. Wer ist der Mann, dem die Bürger im Barbaraviertel auf Anhieb vertrauten? Der Stadt-Kurier begleitete den 34-Jährigen einen Tag lang bei seiner politischen Arbeit.

Wenn Temel in "seinem" Gebiet unterwegs ist, wird er von nahezu allen Menschen begrüßt. Man kennt ihn hier, weiß, dass er die Sorgen der Bürger aufnimmt. Das war nicht immer so. Vor der Kommunalwahl war Temel im Barbaraviertel nahezu ein Unbekannter. Der gebürtige Neusser ist in Mönchengladbach aufgewachsen, im Alter von zwölf Jahren ging es zurück in die Quirinusstadt — doch im Barbaraviertel hat Temel nie gelebt. Erst als dort sein erfolgreicher Vorgänger Hubert Eßer sich zurückgezogen hatte, nutze der Newcomer seine Chance, setzte sich gegen den Konkurrenten der CDU, Yasar Calik, durch. Und das, obwohl dieser sich eigens für den Wahlkampf ein eigenes Büro im Ort gemietet hatte.

Temels Strategie: Klinken putzen. "Nach Feierabend bin ich jeden Tag von Tür zu Tür gegangen und habe mich kurz vorgestellt, nicht aufdringlich — einfach nur kurz ,Hallo‘ sagen", so der Ratsherr. Unaufgeregt, höflich und interessiert — so eroberte Temel schnell das Vertrauen der Wähler. Und damit er das nicht verliert, engagiert sich der Ratsherr jeden Tag aufs Neue. Erst Ende vergangenen Jahres wurde durch seine Initiative die Tiertafel für Neuss gegründet — sie soll bedürftige Menschen stützen. Mehrfach hat Temel ein Sponsoring für die Grundschule "Die Brücke" im Barbaraviertel organisiert, sodass die Schüler mit gesunden Lebensmitteln versorgt wurden. Aktuell will er dafür sorgen, dass es im Barbaraviertel bald wieder einen Geldautomaten gibt. Nachdem Unbekannte im vergangenen Jahr den einzigen Sparkassenautomaten sprengten, soll kein neuer mehr folgen — ein Umstand, mit dem sich Temel nicht abgeben will.

Eine Herzensangelegenheit ist ihm die erfolgreiche Integration von den in Neuss lebenden Flüchtlingen. Das CDU-Papier dazu kritisiert er: Dort werde suggeriert, dass wegen der Zuwanderer die Sicherheit gestärkt werden müsse. Für Temel fing mit diesem Themenkomplex seine politische Karriere an: Seit über zehn Jahren ist der Deutsch-Türke Teil des Integrationsrates — hier hat Temel seine politische Karriere gestartet.

Zur SPD ging es rund drei Jahre später, zu der Zeit als Reiner Breuer noch gegen Herbert Napp kandidierte und das Nachsehen hatte. "Ich erinnere mich, wie ich ihn kennengelernt habe. Er kam auf uns am Wahlstand zu und packte gleich mit an. Damals kannte ich ihn ja nur von Plakaten. Ich war positiv überrascht", so der Ratsherr. Dass die SPD bundesweit so schlecht abschneidet, besorgt Temel nicht. "Wir haben sehr gute Leute in unseren Reihen", weiß der Neusser. Eine Erklärung für die starken Ergebnisse der AfD hat Temel dennoch: "Viele aus den etablierten Parteien haben die Unzufriedenheit der Bürger schlichtweg unterschätzt." Für den 34-Jährigen kein Grund aufzugeben. Er will in der Politik durchstarten. "Landtag oder Bundestag, beides kann ich mir schon vorstellen." Doch erstmal will der Ratsherr ganz für das Barbaraviertel da sein.

(Kurier-Verlag)