Vorstellung der Bürgermeisterkandidaten: Roland Sperling (Die Linke) „Für mehr soziale Gerechtigkeit in Neuss“

Neuss · Er ist ein Mann, dem viele Politikerkollegen nachsagen, er habe vernünftige Ansichten, sei aber in der falschen Partei: Roland Sperling, Bürgermeisterkandidat der Linken, sieht dies als Anerkennung seiner Arbeit, bleibt dennoch seiner Linie treu: „Ich vertrete radikal Linke Politik, aber die ist vielleicht anders, als sich Nicht-Linke eine linksradikale Politik vorstellen“, sagt Sperling, dessen Auftreten – stets korrekt in Anzug und Krawatte – meilenweit von dem eines „Ernst-Thälmann-Mützen tragenden Steinewerfers“ entfernt ist.

Roland Sperling (Die Linke) will sich für „mehr soziale Gerechtigkeit in Neuss“ einsetzen.

Foto: Kurier Verlag GmbH/Rolf Retzlaff

Sperling ist „Wiederholungstäter“: 2004 erreichte er als Bürgermeisterkandidat der damaligen PDS in Neuss 6,5 Prozent, seine Partei landete bei 2,9 Prozent. Jetzt nimmt er erneut Anlauf, um den amtierenden Bürgermeister Reiner Breuer im Wettlauf um den Stadtchefposten zu schlagen. Und weshalb dieses Vorhaben? „Ich bin mit Breuers Arbeit nicht restlos zufrieden“, erklärt Sperling, beginnt aber – ganz der faire Politiker – mit einem Lob für den Bürgermeister: Er bilde eine starke „Opposition gegen Rechts“ und setze sich für die Integration ausländischer Mitbürger ein. Dann ist Schluss mit lustig...: „Seine Amtszeit nur damit zu verbringen, nichts verkehrt zu machen, ist unbefriedigend“, übt Sperling Kritik, „Breuer stellt keine Ideen vor, die die Stadt voranbringen. Dies ist wohl teilweise der Furcht vor Abstimmungsniederlagen im Rat geschuldet“. Breuer habe Wahlversprechen gebrochen, wie zum Beispiel bei der Schaffung bezahlbaren Wohnraums. Er verstoße immer wieder gegen das beschlossene Konzept, bei Neubauprojekten ab 40 Wohneinheiten 25 bis 35 Prozent als öffentlich geförderter Wohnungsbau auszuweisen.

Sein Wahlversprechen nicht eingehalten habe Breuer auch bei der Umsetzung der Bürgerbeteiligung. Es reiche nicht, wenn zum Beispiel bei Anhörungen zu Bauleitplänen „immer wieder die selben Leute kommen“. Sperling schlägt die Schaffung von Bürgerräten vor, die sich aus durch das Zufallsprinzip ausgesuchten Bürgern aus allen Schichten zusammen setzen sollen.

Der 59-Jährige will die Linken-Devise der sozialen Gerechtigkeit vor Ort ausfüllen. Obwohl Neuss eine reiche Stadt sei, gebe es eine Kinderarmut-Quote von rund 17 Prozent. „Jedes sechste Kind lebt von Hartz 4. Darin sind zum Beispiel 30 Cent pro Tag für Bildung vorgesehen und 60 Cent pro Monat für Gesundheitspflege. Das haben wir auch in Neuss auszubaden. Wir müssen sehen, was die Stadt gegen diese Benachteiligung tun kann“, so Sperling.

Der Linke Bürgermeisterkandidat setzt sich ein für eine „diskriminierungsfreie Weise der Beantragung von Tablets für Schüler („Die Stadt Neuss hat 1.800 Tablets, aber es werden nur wenige ausgeliehen, weil die Eltern sich nicht gerne gegenüber den Lehrern erklären“), will aber auch Wirtschaftsthemen aufgreifen, wie zum Beispiel die eine spezielle Förderung von Social Start-Ups, jungen Firmen, die mit Innovationen im sozialen Bereich aufwarten. Auch beklagt Sperling einen „Strukturkonservatismus in Gewerbegebieten. In altbackener Weise soll möglichst viel Gewerbe angesiedelt werden, das möglichst viel Fläche verbraucht“. Laut Gutachten gebe es bis 2035 einen Bedarf an Gewerbeflächen in Höhe von 106 Hektar. „Da wurden die Firmen-Nachfragen der vergangenen Jahre einfach primitiv hochgerechnet. Ob die Stadt und die Menschen Bedarf haben, wird nicht berücksichtigt.“

In Sachen Klimaschutz mahnt Sperling eine „richtige Verkehrswende“ an. Die Radwege seien schlecht ausgebaut, der ADFC-Fahrradklimatest sei in Neuss negativ ausgefallen – „und der Bürgermeister lässt sich für die Tour-de-France-Durchfahrt in Neuss feiern, dabei hatte Neuss davon überhaupt keinen Nutzen.“ Als sinnvoll in Sachen Verkehrswende erachtet Sperling allerdings einen kostenlosen Bahn- und Busverkehr in Neuss. Sperling: „Aber stattdessen wird mit der ersten Stunde freiem Parken in den Parkhäusern der Autoverkehr in die City gelockt.“

Sperling glaubt an ein gutes Abschneiden seiner Partei: „Als Linke in Neuss sind wir nicht ein außerhalb der Gesellschaft stehendes Organ, wir sind eine Kraft, die mitgestaltet, mit Vereinen und Organisationen zusammenarbeitet und der auch von der Stadtverwaltung Kompetenz bescheinigt wird.“ Keine wilden Linken also, die gegen alles und jeden wettern. Sperling: „Wenn der Antrag sinnvoll ist, unterstützen wir – fast – jede Partei, wenn es gut für Neuss ist!“