Neusser Gruppe hilft+++Jeder kann mitmachen+++Sachspenden gesucht Schicksalsschlag obdachlos: „Ich fühlte mich von der Stadt im Stich gelassen“
Neuss · Was für die meisten längst Alltag geworden ist, ist für andere purer Luxus. Ein warmes Zuhause, frische Mahlzeiten, jemand zum reden — all das war lange Zeit für Harald M. (Name von der Redaktion geändert) nicht erreichbar.
Der 53-Jährige hat viel Pech gehabt. Als eine langjährige Liebesgeschichte zu Bruch ging, verlor er sprichwörtlich den Boden unter den Füßen. Seine Trauer ertränkte er in Alkohol. Endstation Straße: So geht es dutzenden Neussern. Die Gruppe "Neuss packt an! — warm durch die Nacht" will ihre Augen vor dem Elend nicht verschließen und helfen.
Es ist Samstagabend gegen 19 Uhr. Ganz schön kalt ist es wieder geworden, der Nieselregen lässt die Leute in ihre Häuser verschwinden. Doch manche haben diese Rückzugsmöglichkeit nicht. Sie suchen in Parks unter den noch kahlen Bäumen Schutz. Aus Bahnhöfen, in denen es zumindest trocken ist, werden sie verjagt. Obdachlose haben es nicht leicht — dabei haben sie sich ihr Schicksal nicht ausgesucht. "Aus diesem Teufelskreis rauszukommen, ist fast unmöglich", erzählt Harald. Er lebte selbst viele Jahre auf der Straße. Etwas zu essen bekam er manchmal durch karge Spenden der Bevölkerung, manchmal durch die Tafel. "Dort habe ich Salatköpfe oder rohe Kartoffeln bekommen. Damit konnte ich aber nichts anfangen, das wussten die Ehrenamtler genau...", klagt Harald. Manchmal, wenn es draußen so kalt war, dass es nicht auszuhalten war, ging er ins Obdachlosenheim. "Hier war ich nur im Notfall. Dann habe ich meine Schuhe unters Kissen gelegt und darauf geschlafen, aus Angst, dass man sie mir klauen würde. Das ist dort leider oft passiert", erzählt der Neusser. Geduscht wurde bei der Caritas.
Raus aus diesem Leben kämpfte sich Harald mit ganz viel Hartnäckigkeit. "Eine Wohnung finden war so gut wie unmöglich. Welcher Vermieter vertraut seine Wohnung einem Obdachlosen an? Von der Stadt gab es so gut wie keine Hilfe. Ich habe mich allein gefühlt", erinnert sich der Frührentner. Nur weil er drangeblieben ist, hat Harald nach vielen Jahren einen Vermieter gefunden, der ihm vertraute. "Ich glaube, es war auch eine ganze Menge Glück dabei", so der Neusser rückblickend. Das alles ist zehn Jahre her. Heute ist er wieder verliebt und lebt mit seiner Partnerin zusammen. Was aus seinen Kumpels von der Straße geworden ist, weiß er nicht.
Klar ist, dass die wenigsten sich aus der Obdachlosigkeit rauskämpfen können. Deswegen will eine Neusser Gruppe jetzt helfen: "Neuss packt an! Warm durch die Nacht" ist auf Facebook zu finden. Markus Schubert und Freundin Barbara Reichardt sind Ansprechpartner und rühren die Werbetrommel für die gute Sache. Nach dem Vorbild der Stadt Essen sammeln die Ehrenamtler Sachspenden wie Fünf-Minuten-Terrinen, Thermoskannen, Schlafsäcke und Co. Gelagert werden sie bei Simone Achternbosch. Abends zieht eine Gruppe dann los und verteilt die Spenden an Bedürftige. "Manche wollen sich nicht helfen lassen. Viele Leute wollen einfach nur reden. Ich glaube, es tut den Obdachlosen gut, dass sich jemand um sie kümmert", weiß Schubert. Helfen ist einfach: Jede noch so kleine Sachspende bringt die Truppe weiter. Dazu sind Leute willkommen, bei der Tour mitzumachen. Mehr Infos gibt es auf
Facebook unter:
www.facebook.com/groups/neusspacktan.warmdurchdienacht.