Neuss bietet mehr als nur Möglichkeit zum Einkaufen „Innenstadt nicht auf Einzelhandel reduzieren“
Neuss · „Wir können die Innenstadt nicht nur auf den Einzelhandel reduzieren“, weiß Jürgen Sturm, Geschäftsführer der Neusser Stadtmarketing GmbH. Er macht deutlich, dass eine attraktive City viel mehr zu bieten hat als „nur“ die Möglichkeit zum Einkaufen.
„Die Innenstädte in ganz Deutschland stehen unter immensem Druck – auch ohne Corona“, sieht Sturm die Pandemie als „Brandbeschleuniger in der Entwicklung. Das Problem ist die Verlagerung des Einzelhandels ins Internet“. Insgesamt sei der Umsatz im Einzelhandel gestiegen – nur nicht im stationären Bereich. Dem gilt es mit ganzheitlichen Maßnahmen entgegenzuwirken. In der City gibt es ein hervorragendes Angebot an Kneipen, Cafés und Restaurants, auch in Sachen Kultur wird einiges geboten. „Ganz wichtig ist auch das Thema ,Wohnen in der Innenstadt‘“, so Sturm, dies müsse gefördert werden und sei auch sehr stark nachgefragt, wie zum Beispiel der Run auf die Wohnungen auf dem Areal der ehemaligen Münsterschule gezeigt habe. „Innerstädtisches Wohnen hat den Vorteil, dass man alles, was man braucht, praktisch vor der Tür findet – gerade für ältere Menschen sehr attraktiv“, erklärt Sturm. Und mehr Anwohner stärken auch die City, denn sie gehen dort zum Bäcker und zum Friseur. Sturm: „Innenstadt-Bewohner sind wichtige Kunden, durch sie wird die Nachfrage im Einzelhandel erhöht.“ Dies gelte auch für diejenigen, die ihren Arbeitsplatz in der City hätten und dort ihre Einkäufe erledigen würden.
Und wie sieht es mit dem Leerstand in der Innenstadt aus? „Der hält sich nach unseren Erhebungen in Grenzen. Die meisten frei werdenden Ladenlokale können trotz Corona wiederbelebt werden.“ Natürlich gebe es Problembereiche wie die Münze als umfassendes Areal, auch die Nachnutzung der ehemaligen McDonald‘s-Filiale stehe noch nicht fest. Im gewerblichen Bereich sei eine Vermietung schwieriger als auf dem Wohnungsmarkt, schließlich müssten Faktoren wie Brandschutz und Stellplatznachweis berücksichtigt werden; dies sei in der Regel mit Investitionen verbunden.
Sturm hat beobachtet, dass zurzeit bei Aufgabe von Geschäften mit typischem innerstädtischen Angebot (zum Beispiel Kleidung, Schuhe) meist Anbieter von Waren des täglichen Bedarfs folgen. Viele Ketten würden gänzlich verschwinden, übernommen werden oder sich verkleinern – wie zum Beispiel vor Kurzem bei der Mayerschen Buchhandlung geschehen.
Gibt es ein Rezept, wie man diesen Tendenzen entgegenwirken kann? „Es gibt keine große Maßnahme, die mit einem Schlag alle Probleme beseitigt. Citymarketing besteht aus vielen kleinen Mosaiksteinen wie Stadtverschönerung und Stadtfesten, auch Ordnung und Sauberkeit sind wichtige Faktoren“, so Sturm. Viele Anbieter müssten aber auch selbst aktiv werden und attraktive Angebote schaffen. „Wir können nur die Rahmenbedingungen schaffen und mit Aktionen unterstützen“, sagt Sturm. Ein Beispiel ist der Stadtgutschein. Er kann momentan in rund 50 Neusser Geschäften, Restaurants und Dienstleistungsbetrieben eingelöst werden. Der Beschenkte kann zwischen vielfältigen Angeboten wählen. Die teilnehmenden Partner sind an ihren Aufklebern an den Ladentüren gut erkennbar. „Wir haben im vergangenen Jahr Stadtgutscheine im Wert von über 10.000 Euro verkauft – Geld, das in der Stadt bleibt, in lokalen Geschäften ausgegeben wird. Und der Gutschein bietet auch kleineren Geschäften die Möglichkeit, sich hier zu beteiligen“, will Sturm das Angebot weiter ausbauen.
All die bisher genannten Faktoren laufen auf ein Ziel hinaus – durch ein breites Angebot die Aufenthaltsqualität in der Innenstadt steigern. Hier gibt es auch Hilfe vom Land: Neuss erhält Fördermittel in Höhe von 180.000 Euro zur Anschaffung von mobilen Pflanzkübeln.
Und die Stadtverwaltung „bastelt“ weiter an der Attraktivierung der City: Am kommenden Montag tagt der Beirat zum Innenstadtstärkungsprogramm. Aktive Beiratsmitglieder sind Politiker, Vertreter der Zukunftsinitiative Innenstadt (ZIN), Neuss Marketing, IHK Mittlerer Niederrhein, Gewerkschaft ver.di, Handelsverband, Eigentümer über „Haus & Grund“, Deutsche Hotel- und Gaststättenverband (DEHOGA) sowie die Stadtteilkonferenz Innenstadt und die unter „Neuss vereint“ zusammen geschlossenen Gastronomiebetriebe. Man darf gespannt sein, was die Zukunft für die Innenstadt bringen wird... Rolf Retzlaff