Wie Neusser Gastronomen auf den zweiten Lockdown reagieren Angst vor dem Kneipensterben
Neuss · Alexander Bliersbach, Betreiber des Drusushofs, will sich in der Politik engagieren – aus Wut über den erneuten Lockdown. Ab heute sind alle Kneipen, Cafés, Bars, Restaurants und Clubs vier Wochen lang geschlossen, Veranstaltungen werden untersagt – für die Neusser Gastronomen eine Hiobsbotschaft, für die sie kein Verständnis haben.
Karl Kehrmann, Inhaber der Traditionsgaststätte „Im Dom“, stellt sich „die Frage, ob alle Gastronomen den Lockdown überstehen werden. Hier geht die Risikobewertung wieder zu Lasten der Gastronomie. Das kann ich als informierter Bürger nicht nachvollziehen“. Bereits bisher habe er 70 Prozent Umsatzeinbußen gehabt. „Es kommen weniger Gäste, das Risiko ist geringer – und dennoch müssen wir ganz schließen – das ist auch moralisch schwer nachvollziehbar.“
Michael Bott, ehemaliger Gastronom des Marienbildchens und aktuell Vorsitzender des Vereins zur Rettung der Neusser Gastronomie „Neuss vereint“, spricht von einer „Katastrophe höchsten Grades“. Er verweist auf eine Untersuchung, nach der lediglich 1,6 Prozent der Infizierten sich in der Gastronomie angesteckt hätten. Mit der vierwöchigen Schließung hätten also Bund und Länder „völlig über das Ziel hinaus geschossen. Die Gastronomen hatten eh Angst vor dem Winter, denn selbst auf einer wettergeschützten Terrasse sitzt es sich bei 5 Grad nicht schön. Und jetzt spitzt sich die Lage erheblich zu“.
Diese Ansicht teilt auch Alexander Bliersbach, Drusushof-Betreiber und Gründungsmitglied von „Neuss vereint“. Der Deutsche Hotel- und Gaststättenverband (DeHoGa) habe es nicht geschafft, der Politik die Systemrelevanz der Gastronomie deutlich zu machen. „Mit der Schließung der Gastronomie verliert die Regierung ein Kontrollorgan, ich hätte gerne weiter an der Seite der Ämter gekämpft“, verweist Bliersbach auf die strikte Einhaltung der Hygienebestimmungen in den Gaststätten, auf die sich die Gäste hätten verlassen können. Jetzt werde wieder vermehrt privat und ohne Kontrolle gefeiert. Bliersbachs Forderung: „Solange der Kauf und Verkauf von alkoholischen Getränken zum Beispiel in Supermärkten, Kiosks und Tankstellen nicht verboten wird, werden die Infektionszahlen nicht runtergehen.“ Er erwarte ganz klar, „dass die Regierung für ihre Entscheidung finanziell gerade steht. Die Regierung darf die betroffenen Branchen nicht fallen lassen, sonst werden die Gastronomen einen Weg finden, sich zu wehren!“ Bliersbach will auf jeden Fall eine politische Laufbahn einschlagen, um nicht mehr „Spielball von Entscheidungsträgern zu sein, die nichts davon verstehen“.