Hilfe auch ohne Nachweis der Bedürftigkeit gefordert Die Versorgungsstelle bietet Neusser Tafel Unterstützung an
Neuss · Eine Hiobsbotschaft erreichte vor rund vier Wochen zahlreiche bedürftige Neusser: Die Neusser Tafel stellte vorübergehend ihren Betrieb ein, weil deren Mitarbeiter aus vorwiegend älteren – und damit der Risikogruppe angehörenden – Menschen bestand und offenbar Masken zum Schutz fehlten. Niels Elsäßer, Leiter der „Offenen Tür Barbaraviertel“, stellte schnell und unbürokratisch die Versorgungsstelle Barbaraviertel auf die Beine. Jetzt ist die Tafel wieder im Einsatz, Elsäßer schließt sein Angebot und bietet gleichzeitig der Neusser Tafel Hilfe und Unterstützung an. Aber er fordert auch, in Coronazeiten auf das Vorzeigen von Bedürftigkeitsnachweisen zu verzichten.
Die Versorgungsstelle war schnell akzeptiert, täglich kamen Bürger aus den verschiedensten Neusser Stadtteilen, um sich hier kostenlos mit Lebensmitteln und Hygieneartikeln zu versorgen. Zu verdanken ist dies der Initiative von Niels Elsäßer und Hakan Temel, SPD-Ratsmitglied und Stadtverordneter fürs Barbaraviertel. Elsäßer, Sozialarbeiter und Einrichtungsleiter der Offenen Tür, machte die Not zur Tugend: Da die Jugendarbeit wegen der Pandemie ruhen muss, konnten die Räumlichkeiten an der Heerdter Straße 69 ohne weiteres für die temporäre Ausgabe von Lebensmitteln und Hygieneartikeln genutzt werden. Die Katholische Jugendagentur, Träger des Jugendzentrums, stimmte dem Vorhaben zu. Spender von Geld- und Sachmitteln waren schnell gefunden.
Temel, der bei den täglichen Ausgaben mithalf, lobt Elsäßers Engagement: „Es war sehr bedauerlich, dass die Neusser Tafel anfangs für unbestimmte Zeit geschlossen hatte. Dafür freue ich mich um so mehr über die Initiative von Niels Elsäßer. Er ist immer mit einem riesengroßen Herz für die Menschen unterwegs. Genau das braucht unsere Gesellschaft – aktuell mehr denn je.“ Elsäßer und Temel konnten eine breite Gruppe aus der Neusser Stadtgesellschaft mobilisieren. „Spenden kamen aus allen Richtungen. Schützenvereine, Firmen, Privatpersonen, aber auch die Jüdische Gemeinde Neuss sowie die Moscheegemeinden von der Gielenstraße und aus Norf kamen mit großzügigen Spenden zu uns. Es ist toll, wie unsere Stadt zusammenrückt und an einem Strang zieht“, erklärt Elsäßer. Ein Beweis für hohe Akzeptanz waren auch die Aktionswochen Lokalpolitik und Bürgerschützenverein. Namhafte Politiker und Vertreter aus dem Schützenwesen nahmen hierbei an den täglichen Ausgaben teil.
Jetzt hat die Neusser Tafel wieder ihren Betrieb aufgenommen, in der Versorgungsstelle finden keine Ausgaben mehr statt. „Wir möchten jegliche Art von Parallelstruktur in unserem Stadtviertel vermeiden – dies wäre kein sinnvoller und verträglicher Umstand fürs Barbaraviertel“, erklärt Temel. Doch es gibt Anwohner, die diesen Schritt zutiefst bedauern. So erklärte eine Anwohnerin, die anonym bleiben möchte, dass sie bei der Neusser Tafel keine Lebensmittel erhalten werde, da sie keinen Bedürftigkeitsnachweis vorlegen könne. Zwar verdiene sie genug Geld, um bisher über die Runden zu kommen; doch jetzt seien durch die aktuellen Hamsterkäufe die preiswerten Produkte sehr oft vergriffen. Daher sei für sie die Versorgungsstelle um Niels Elsäßer ein wahrer Glücksfall gewesen. Dieser hierzu: „Wir haben niemanden zurückgewiesen. Egal ob er seine Bedürftigkeit nachweisen konnte oder nicht. Wir befinden uns aktuell in einer Phase, in der ohnehin den Menschen viel abverlangt wird und da wollen wir es ihnen nicht noch schwerer machen. Wir wollen einfach nur helfen.“
Nun wolle man auf die Tafel zugehen, Unterstützung anbieten und die noch vorhandenen Lebensmittel an die Tafel übergeben. „Unser Lager und Konto ist so gut gefüllt, dass wir noch lange Zeit die Menschen in unserer Stadt unterstützen können. Da wir uns aber nicht in Konkurrenz zur Tafel sehen, wollen wir kein paralleles Angebot laufen lassen. Daher möchten wir die Tafel bei der Besorgung von Lebensmitteln unterstützen. Und solange es noch leere Regale in den Supermärkten gibt, sollte auch die Tafel auf die Sichtung von sogenannten Bedürftigkeitsnachweisen verzichten“, fordert Niels Elsäßer. Hakan Temel hofft nun, dass die Neusser Tafel „die ausgestreckte Hand auch wirklich erkennt und greift“. Die Notleidenden und Bedürftigen in Neuss würden sich garantiert freuen.