Dramatische Situation für Mütter in Neuss: Viele finden keine Hebamme

Neuss · Es sollte die schönste Zeit für eine junge Familie sein: die Geburt eines Kindes. Doch für viele Mütter in Neuss gibt es ein Riesenproblem — sie finden keine Hebamme für die Nachsorge, werden mit ihren Fragen allein gelassen, da es auch zu wenig Kinderärzte gibt.

Nadine Arnold (rechts) kann sich glücklich schätzen: Sie und Töchterchen Hanna, zehn Wochen alt, haben eine Hebamme für die Nachsorge gefunden. Die Beiden fühlen sich bei Sabine Steingießer (links) in der Hebammenpraxis Badey-Plahr gut aufgehoben.

Foto: Hanna Loll

Eine wöchentliche Sprechstunde soll jetzt ein wenig Abhilfe schaffen.

In den vergangenen Jahren hat sich die Situation für Hebammen — besonders für frei berufliche — in der gesamten Bundesrepublik rapide verschlechtert. So auch in der Stadt des Bundesgesundheitsministers Hermann Gröhe.

Eine gesetzlich verpflichtende Versicherung, die das Haftungsrisiko der Freiberufler absichert, ist immer teurer geworden. Zum Vergleich: Im Jahr 2004 mussten die Hebammen rund 1.350 Euro für die jährliche Versicherung zahlen, heute sind es über 5.000 Euro — also fast das Vierfache. "Das können sich zahlreiche Hebammen nicht mehr leisten. So mussten viele den Beruf an den Nagel hängen und immer weniger wollen Hebamme werden", bedauert Armelle Badey-Plahr. Sie ist seit 40 Jahren Hebamme und leitet eine Hebammenpraxis im Haus 6 des Lukaskrankenhauses.

Sechs fest angestellte Hebammen arbeiten dort und betreuen in der Woche bis zu 50 Familien. Die Situation ist dramatisch, weiß Badey-Plahr: "Mütter werden nach der Geburt immer früher aus den Krankenhäusern entlassen, sie haben noch viele Fragen und Unterstützungsbedarf. Jeden Tag kommen drei bis fünf Frauen in unsere Praxis, weil sie keine Hebamme für die Nachsorge finden. Würden wir sie alle annehmen, könnten wir keine qualitative Betreuung mehr gewährleisten — das tut uns in der Seele weh." Fakt ist: Jeder schwangeren Frau steht die Betreuung durch eine Hebamme zu — sie ist eine Leistung der gesetzlichen Krankenkassen. Auch im Wochenbett hat jede Frau Anspruch auf Hebammenhilfe. Dennoch finden die Frauen schlichtweg keine.

Und genau deshalb hat sich die Hebamme aus Leidenschaft etwas ganz Besonderes ausgedacht, um Müttern in Not zu helfen: "Ab 1. April werden wir jeden Dienstag von 10 bis 16 Uhr eine Nachsorge-Sprechstunde einrichten. So bekommen auch Familien, die keine Hebamme für die Nachsorge gefunden haben, eine qualitative Beratung. Je nachdem, wie groß die Nachfrage ist, werden wir auch an weiteren Tagen der Woche eine Sprechstunde einrichten", verspricht die Hebamme. Ein kleiner Lichtblick für die angespannte Situation der Geburtshelfer in der Quirinusstadt. Nach einer telefonischen Anmeldung erhalten Mütter nun doch noch die nötige Unterstützung — nur eben in der Praxis, nicht Zuhause. "Dadurch sparen wir Zeit und können so mehr Frauen betreuen", erklärt Badey-Plahr, "ich bin sicher, dass darin die Zukunft des Hebammenberufes liegt."

Denn die wachsenden Anforderungen an die Geburtshelfer wie beispielsweise das "Qualitätsmanagement", in dem Hebammen ihre Leistungen haarklein nachhalten müssen und für die eine Schulung obligatorisch ist — die sie übrigens selbst zahlen müssen —, werden die Aussichten der Branche nicht verbessern. Badey-Plahr: "Ich würde mich auf jeden Fall wieder dafür entscheiden, Hebamme zu werden. Dennoch: Die Zeit, die wir für die heutigen Reglements aufwenden müssen, geht den Patienten verloren..." Jetzt hofft sie, mit ihrem Angebot viele der verzweifelten Mütter in Neuss zu erreichen, ihnen einige Sorgen nehmen zu können.

(Kurier-Verlag)