Drei Monate ohne Bezüge Mit 54 Jahren plötzlich Witwe: Und vom Jobcenter gab es keine Unterstützung
Neuss · Von einem Tag auf den anderen stand das Leben von Birgit Zimmermann Kopf. Ihr Mann verstarb plötzlich im Alter von 57 Jahren. Mit einem Mal stand die Neusserin ohne Bezüge da und klagt an: "Durch das Jobcenter wäre ich beinahe auch noch obdachlos geworden."
Wenn Zimmermann vom Todestag ihres Mannes berichtet, kommen ihr noch immer die Tränen. An einem gewöhnlichen Freitag im Januar vergangenen Jahres kam die Hausfrau vom Einkauf nach Hause. Ihr Mann saß wie immer in dem Sessel, in dem er sich nach der Arbeit ausruhte. Nur diesmal wachte er nicht auf. "Ich schrie, griff zum Telefon und rief den Rettungsdienst. Aber es war zu spät. Später stellte sich heraus, dass er an einem Herzinfarkt verstarb — Anzeichen gab es dafür nie", berichtet die Witwe.
Es war der Anfang von einem Martyrium, denn zum Trauern blieb der Neusserin keine Zeit. Ihr Ehemann war Alleinverdiener, arbeitete 40 Jahre lang zunächst als Soldat und dann als Fernfahrer. Um über die Runden zu kommen, musste Zimmermann nur Stunden nach seinem Tod Berge von Formularen abarbeiten und Papiere zusammensuchen — all das neben den Vorbereitungen zu der Bestattung. "Ich war wie gelähmt, wie sollte ich all das in meinem Zustand bewältigen?", fragt die Neusserin. Hilfe bekam sie in dieser Zeit von ihrem guten Familienfreund Wolfgang Kutzke. Nach nur zwei Tagen meldete die Witwe ihren Fall dem Jobcenter, reichte alle erforderlichen Unterlagen ein.
Doch anstatt Unterstützung zu bekommen, bahnten sich nur weitere Probleme an. "Es war zunächst unklar, wie viel Geld mir zustand und welche Ämter für meinen Fall verantwortlich waren. Deswegen hieß es, dass das Jobcenter in Vorleistung gehen sollte", erklärt die zweifache Mutter. Doch das zahlte die ersten drei Monate keinen Cent, nur mithilfe von Familie, Freunden und einer verständnisvollen Vermieterin konnte die Neusserin gerade so über die Runden kommen. Als sich Zimmermann dann eine kleinere Wohnung suchte, um den Vorgaben des Jobcenters zu entsprechen, folgte das nächste Dilemma. Denn die Kaution von 1.630 Euro wollte die Behörde ebenfalls nicht übernehmen, verwies stattdessen an das Wohnamt. "Aber das übernimmt solche Zahlungen ohnehin nicht", klagt Zimmermann an. Ihre bestehende Wohnung musste sie zu diesem Zeitpunkt schon kündigen. "Ich wäre also beinahe auf der Straße gelandet", so die 54-Jährige.
Nur durch die Hilfe ihrer Mutter, die den Betrag in Form eines Darlehens an die GWG überwies, hat Zimmermann die Wohnung doch noch bekommen. Aber auch jetzt riss die Pechserie nicht ab. Denn im November folgte ein Brief der Inkassostelle Recklinghausen, die eben dieses — nie vom Jobcenter gezahlte — Darlehen von 1.630 Euro einforderte und eine Vollstreckungsandrohung aussprach.
Für Zimmermann ein Riesen-Schock. "Ich gönne mir im Supermarkt doch nicht einmal eine Packung Butter, wie soll ich da so einen hohen Betrag zusammenbekommen?" Große Hilfe bekam sie in der Zeit durch die Sozialsprechstunde der CDU. Wie sich herausstellte, handelte es sich um einen Fehltritt des Jobcenters.
"Tatsächlich sind in dem vorliegenden Sachverhalt Fehler passiert. Dies bedauern wir sehr. Die Mitarbeiter des Jobcenters müssen jeden Tag viele komplexe Sachverhalte bearbeiten und Entscheidungen treffen, dabei sind Fehler nicht immer auszuschließen", sagt Pressesprecher Christoph Janßen. Für Zimmermann, die durch diese Misere unter Depressionen leidet und auf psychologische Behandlung angewiesen ist, kein Trost. Sie lebt heute von einer kleinen Witwenrente, der Unterstützung ihres Sohnes, der eine Ausbildung macht und arbeitet ehrenamtlich bei der Lebenshilfe mit Behinderten. Auf das Jobcenter will sie nie wieder angewiesen sein.