Neuss: Wohnungsnot bringt Bauverein in arge Probleme SPD-Chef Jakubassa: Lubig muss nicht unbedingt abgesetzt werden

Neuss · Vielen Menschen, auch Senioren, droht die Obdachlosigkeit. In Neuss fehlt bezahlbarer Wohnraum. Der Neusser Bauverein hatte in den vergangenen Jahren auf Luxusobjekte gesetzt. Alle Parteien fordern dringend ein Umdenken.

Der Bauvereins-Vorstand um Frank Lubig und Dirk Reimann steht massiv in der Kritik.

Foto: Foto: Frank Möll

Erste Maßnahme: Der alte, offenbar verfilzte, Aufsichtsrat wird nun doch durch den neu gewählten Aufsichtsrat ersetzt. Dies soll im kommenden Jahr im Januar vor der Neuwahl des Vorstandsvorsitzenden geschehen.

Bürgermeister Napp will Schaden vom Bauverein abwenden. Aus diesem Grund hat er nun (anders als geplant) zugestimmt, im Januar den bereits neu gewählten Aufsichtsrat einzusetzen.

Zum Hintergrund: Bauvereins-Vorstandschef Frank Lubig steht in der Kritik und hat auch in der CDU kaum noch Rückhalt. Seine Wahl steht im Sommer 2015 an. Es könnte knapp werden.

Bislang hatte Lubig, den aktuellen Aufsichtsrat ganz gut "im Griff". Der Stiefsohn eines Aufsichtsrates hat einen guten Job im Unternehmen erhalten. Der Vater war Lubig dankbar. Andere Aufsichtsratsmitglieder wurden hofiert. Lubig würde glatt gewählt werden: Vom alten Aufsichtsrat. Doch im neuen Führungs-Gremium werden andere Leute sitzen. Reiner Breuer zum Beispiel von der SPD und Hermann-Josef Baaken von der CDU. Beide gelten als wenig anfällig für "Zückerchen" und "Pflege der Landschaft", sind unbestechlich und werden als hochanständig angesehen.

Bislang aber sind die Bauvereins-Bosse durch teure Privatvillen in Bergisch Gladbach und Ratingen (also weit ab vom Brennpunkt in Neuss) und Luxusreisen aufgefallen, während in Neuss mindestens 1.000 Wohnungen fehlen und die Situation in den kommenden Jahren noch brisanter wird. Am 5. Dezember werden sie ohne kritische Pressefotografen im Zeughaus lecker essen, teure Weine genießen und dicke Zigarren rauchen. "Sie sind oft in Luxus-Restaurants in Düsseldorf zu sehen", stellt CDU-Planungsausschussvorsitzender Karl-Heinz Baum fest.

Doch im Wartebereich des Bauvereins selbst geht es zum Teil unmenschlich zu: Mütter flehen die Sachbearbeiter im zentralen Anlaufbüro am Hafen um ein Dach über dem Kopf an. Es kommt zu unwürdigen Szenen. Sie bitten mit ihren Kindern sozusagen auf Knien, flehen, damit ihre Babies von der Obdachlosigkeit verschont bleiben.

CDU-Bürgermeister-Kandidat Thomas Nickel: "Wir dürfen uns nicht ausruhen. Wir müssen weiter bezahlbaren Wohnraum schaffen, seniorengerecht und generationsübergreifend. Wir müssen den Neusser Bauverein an seinen Kernauftrag erinnern! Und eingreifen, falls er es vergisst!" Auch der neue starke Mann der CDU, Sebastian Rosen, spricht Klartext: "Das Bild, das der Bauverein momentan abgibt, ist eine Schande für unsere Stadt!"

SPD-Chef Benno Jakubassa begrüßt die Entscheidung der CDU. Seine Partei hatte selbst einen Antrag gestellt und den aufrechten CDU-Aufsichtsrat Heinz Sahnen unterstützt, der eine dringende Ablösung des alten Aufsichtsrates forderte. Mit Erfolg. Jetzt könnte der Vorstand (Lubig, Dirk Reimann) gezwungen werden, gegen ihre Natur endlich wieder etwas für den sozialen Wohnungsbau und die Menschen in Neuss zu tun. "Lubig ist mir egal. Wir müssen ihn nicht unbedingt absetzen. Aber er muss deutlich wieder sozialer werden und seinen Kurs ändern", so Jakubassa. CDU-Ratsherr Karl-Heinz Baum begrüßt die neue Linie und steht bereit, mit anzupacken, um die Fehler des aktuellen Vorstandes zu heilen.

Kritik kommt auch vom Deutschen Mieterbund. Dieser kann die Gründe des Bauvereins gegen mehr öffentlich geförderten Wohnungsbau nicht nachvollziehen.

"Wenn der Vorstandsvorsitzende des Neusser Bauvereins beklagt, er könne sich nicht auf sein Kerngeschäft besinnen, wozu auch der Bau von mehr Sozialwohnungen gehöre, da ihm dafür aufgrund zu hoher Instandhaltungskosten das Geld fehle, so ist dies schlichtweg nicht nachvollziehbar," stellte Bernhard von Grünberg, Vorsitzender des Deutschen Mieterbundes Nordrhein-Westfalen, anlässlich der jüngsten Äußerungen von Frank Lubig klar.

"Es ist gängige Praxis, dass die Instandhaltungskosten immer schon bei der Kostenkalkulation für die Kaltmieten miteinberechnet werden." Anstatt sich auf die Vermarktung von teuren Wohnungen zu konzentrieren, fordern der für Neuss zuständige Mieterverein Düsseldorf und der Landesverband, sich mehr am tatsächlichen Bedarf zu orientieren.

"In der Vergangenheit wurde viel zu wenig Wohnraum im mittleren und unteren Mietpreissegment geschaffen. Hier muss mehr investiert werden", machte von Grünberg deutlich. "Im Übrigen tragen die Kommunen die Kosten der Unterkunft."

Mehr sozialer Wohnraum würde langfristig auch dem Haushalt der Kommune zu Gute kommen. Der Bauverein wehrt sich gegen die Angriffe.

(Kurier-Verlag)