Die Wünsche lässt das Morden nicht: Was verbirgt sich im „Kneipengrab“?
Christiane Wünsche lässt gern morden — vor allem in den 1980er Jahren: In ihrem neuen Krimi legt sie ein "Kneipengrab" frei. Ob damit endlich die Wahrheit über Alexanders Tod ans Licht kommt? Mit ihrem fünften Roman festigt die Kaarster Autorin ihren Ruf als Zeichnerin packender Psychogramme.
Schnell zieht die Protagonistin des Niederrhein-Krimis den Leser in ihren Bann. Wünsche lässt Nina Bongartz aus der Ich-Perspektive erzählen und gewährt so einen tiefgründigen Blick in die Seele einer Frau, die in ihrem Leben zu viel verloren hat und darüber hartherzig und hasserfüllt geworden ist. Nina Bongartz arbeitet im Kaarster Rathaus, doch tief in ihrem Inneren führt sie alles andere als ein gemütliches Beamtenleben. In ihrer Jugend musste sie den Tod ihrer besten Freundin und die Ermordung ihres geliebten Bruders Alexander verkraften. Jetzt, viele Jahre später, steht die Entlassung des Täters bevor — und bei den Abrissarbeiten der Driescher Dorfkneipe "Marianne" wird das alte Fahrrad ihrer toten Freundin freigelegt. Und Nina kommt zu einer schrecklichen Erkenntnis: Der Täter kann nicht der damals beschuldigte Serienmörder sein, hier war ein Ortskundiger am Werk...
Der Krimi "Kneipengrab" zeichnet sich wie seine Vorgänger durch reichlich Lokalkolorit aus. Christiane Wünsche hat einen Teil ihrer Kindheit in Driesch verbracht, ist in einem Haus neben dem Driescher Spielplatz aufgewachsen. "Ich kann mich noch erinnern, wie ich mir als Vierjährige vorgestellt habe, dass im Gebüsch winzige Menschen in kleinen Pilzen leben", so die Autorin schmunzelnd. Ihre Vorstellungskraft hat sie behalten — nur entwirft sie mittlerweile spannungsgeladene Geschichten, die die 49-Jährige gerne mit Abstechern in die Vergangenheit schmückt. Wie schon bei ihrem Werk "Zaungast" gibt es auch in dem neuen Werk Flashbacks in die Zeit der 1980er Jahre. Da ist die Fahrt mit der guten, alten Raupe auf der Vorster Kirmes, der Auftritt der Band ihres Bruder im Albert-Einstein-Forum und natürlich ein Besuch in der vor vielen Jahren abgerissenen Gaststätte "Marianne". Weitere Schauplätze in der Jetzt-Zeit sind zum Beispiel die Gaststätte "Frankenheim", der Grieche im Alten Dorf und der Kaarster Stadtpark.
Leser aus Kaarst werden an der Entdeckungsreise in die Vergangenheit ihre Freude haben, aber auch die jungen oder ortsunkundigen Leser kommen auf ihre Kosten. "Kneipengrab" zeichnet ein tiefgründiges Psychogramm um Schuld und Vergebung, eingebettet in eine spannende Handlung. Christiane Wünsche versteht es, Ninas Zerrissenheit und ihren inneren Kampf überzeugend darzustellen. Es entwickelt sich eine beklemmende und düstere Atmosphäre, in der sich Nina immer weiter verliert — und dabei den Leser mit sich nimmt.
In ihrem "wahren Leben" leitet Wünsche das Jugendcentrum JC auf dem Holzbüttgener Lindenplatz. Morgens vor der Arbeit nimmt sie sich die Zeit zum Schreiben. Und da ist sie wirklich fleißig: Sie hat bereits mit einem Familienroman begonnen, der natürlich wieder in unserer Region angesiedelt ist.
Doch jetzt stehen erst einmal Lesungen aus dem Niederrhein-Krimi "Kneipengrab" an, der ab 25. Februar im Buchhandel zu haben ist (Emons Verlag, ISBN 978-3-95451-788-6, 256 Seiten). Am 27. Februar, 19.30 Uhr, stellt Christiane Wünsche ihr neues Werk in Kooperation mit dem Bücherhaus am Münster im Theater-Café "Diva" an der Oberstraße in Neuss vor (Eintritt: 3 Euro). Am 1. März, 19.30 Uhr, liest sie im Vorster Katharina-von-Bora-Haus auf der Martin-Luther-Straße (Eintritt: 2 Euro). Am 11. März, 19.30 Uhr, ist sie zu Gast im Restaurant "Zoco Bella" auf dem Neusser Markt. Rolf Retzlaff