Beeindruckende Ausstellung in der Gesamtschule Nordstadt: „Hörbar. Stimmen zu Nahost.“ „Keiner ist ohne Schuld“

Nordstadt · Alice, Palästinenserin mit israelischer Staatsbürgerschaft, lebt in einem Zelt, weil ihr Haus im Westjordanland von radikalen Siedlern besetzt wurde. Yonatans Mutter, eine engagierte Friedensaktivistin, wurde beim Anschlag der Hamas getötet. Trotzdem setzt er sich weiterhin aktiv für den Frieden zwischen Israelis und Palästinensern ein. Zwei beeindruckende Persönlichkeiten, die Teil der Ausstellung „Hörbar. Stimmen zu Nahost.“ in der Gesamtschule Nordstadt sind. 13 Menschen richten sich im Rahmen der multimedialen Ausstellung zum Nahostkonflikt mit Videobotschaften an die Schüler. Jetzt soll die Ausstellung auf bundesweite Tour geschickt werden.

Die Lehrer Dora von Soosten und Mutlu Yolasan haben die Ausstellung „Hörbar. Stimmen zu Nahost.“ in der Gesamtschule Nordstadt konzipiert, der Schüler Daniel Knaub hat zahlreiche Gruppen durch die Ausstellung geführt.

Foto: Kurier Verlag/Rolf Retzlaff

Wie kann ein derart schwieriges und polarisierendes Thema wie der Nahostkonflikt den Schülern nahe gebracht werden? Ein Krieg, der auch die Schüler stark beschäftigt. Für die beiden Lehrkräfte Dora von Soosten und Mutlu Yolasan war klar: „Es geht nicht darum, einfache Antworten zu liefern, sondern Perspektiven zu eröffnen, die Empathie und Verständnis durch Bildung und Begegnung fördern.“ Die Schüler sollen nicht nur Infos über den Nahostkonflikt erhalten, sondern ihn „fühlen und verstehen können“.

Alice Kisiya wurde aus ihrem Zuhause vertrieben und lebt zurzeit in einem Zelt; dementsprechend ist das Video mit ihrer Stimme in einem Zelt zu sehen.

Foto: Kurier Verlag/Rolf Retzlaff

Bereits das Entree ist beeindruckend. Der Besucher steht in einem kleinen Zelt, es läuft ein kurzer Film: Soldaten, zerstörte Städte, Protestveranstaltungen sind zu sehen. „Keine Seite ist frei von Schuld“, erklärt eine Stimme. Nicht alles sei einfach schwarz oder weiß. In der Ausstellung gehe es um Menschen, die mit Hoffnung leben würden, obwohl es für den Konflikt vielleicht keine Lösung gebe. Und die Stimme fordert auf: „Hör ihnen zu!“

Dazu haben die Schüler in der Ausstellung reichlich Gelegenheit: Auf 13 Bildschirmen wird Menschen aus den verschiedensten Bereichen eine Stimme verliehen: vom Präsidenten der Deutsch-Palästinensischen Gesellschaft, vom Rabbi, der sich vom „überzeugten zionistischen Siedler“ zum Friedensaktivisten wandelte, von Psychologen, Buchautoren, Journalisten und Wissenschaftlern. Sie alle wurden von Dora von Soosten und Mutlu Yolasan interviewt. „Dabei kamen rund elf Stunden Videomaterial heraus“, weiß Yolasan. Jedes Video wurd auf drei bis fünf Minuten Laufzeit zusammengeschnitten. Die beiden Lehrkräfte haben die Ausstellung mit Unterstützung der gemeinnützigen Unternehmensgesellschaft „Gesellschaft im Wandel“ konzipiert und bisher aus der eigenen Tasche finanziert (Schulleiter Lorenz Gelius-Laudam: „Da müssen wir aber noch was machen ...“). Neben den Videos gibt es ein Friedensmobile mit Gedichtzeilen zu Nahost, einen „Platz für Gedanken“ (van Soosten: „Hier können die Schüler ihre eigene Betroffenheit anonym dalassen.“) und Literatur zum Thema.

Foto: Kurier Verlag/Rolf Retzlaff

Selbst NRW-Bildungsministerin Dorothee Feller hatte sich die Ausstellung nicht entgehen lassen: „Die Ernsthaftigkeit und Offenheit, mit der sich die Schülerinnen und Schüler mit diesem komplexen Thema auseinandersetzen, hat mich sehr beeindruckt. Der Nahostkonflikt ist vielschichtig und bewegt ganz viele Menschen auch bei uns in Nordrhein-Westfalen. Es ist gut und richtig, dass sich Jugendliche damit auch in der Schule beschäftigen.“

Zurzeit laufen Gespräche mit „Gesellschaft im Wandel“, auf welche Weise die Ausstellung Schülern in ganz Deutschland nahe gebracht werden könnte. „Vielleicht wird sie mit einem Bus auf Tour gehen“, so Yolasan. Und die ersten Stationen würden er und seine Kollegin natürlich begleiten wollen. Lehrerengagement vom Feinsten, auch außerhalb des Stundenplans – und das alles zum Wohle unserer Kinder und somit unserer Gesellschaft. Rolf Retzlaff

Dora von Soosten und Mutlu Yolasan haben ihre Interviewpartner aus aller Welt – von Berlin und New York bis Israel und Bethlehem – gebeten, ihnen einen Song zu nennen, der sie im vergangenen Jahr begleitet hat. Dabei herausgekommen ist eine Playlist, die auf Spotify zu hören ist (nach „Hörbar ohne Grenzen“ suchen). Und die Lehrkräfte zitieren den Schriftsteller Navid Kermani: „Musik ist wie ein Kontinent ohne Pässe und Grenzkontrollen.“