Über Schwachstellen und Jahrtausend-Ereignisse So wird Uedesheim vor Hochwasser geschützt

Uedesheim · Paul-Heinz Kramp sieht sich nicht als Historiker: „Ich bin ehemaliger Geschichts- und Lateinlehrer. Da ich aber viele Jahre Mitglied im Erbentag des Deichverbandes war und immer noch bin, habe ich zum Deich natürlich einige Kenntnisse gewonnen.“ Und die teilt er gerne mit den Uedesheimern. So ist er im neuen „Jahrbuch“ des Rhein-Kreises Neuss vertreten. Außerdem hat er einen Vortrag „Deichverband Uedesheim“ in petto, der aber aufgrund der Corona-Lage schon mehrfach verschoben werden musste.

Die verklinkerte Spundwand mit Betonabdeckplatten.

Foto: Dietmar Steinhaus

Dass das Interesse unter den Rhein-Anrainern groß, machen die vielen Fragen deutlich, die Paul-Heinz Kramp immer wieder gestellt werden: „Seit wann gibt es den Deich? Wer kümmert sich um den Hochwasserschutz? Gegen welches Hochwasser schützt der Damm? Woraus besteht er? Warum verlaufen Wege, über die man spazieren gehen kann, nicht durchgängig über die Deichkrone? Wie sieht die Hochwasserlage am Rhein insgesamt aus? Auf diese Fragen und noch einige mehr, will er dann eine Antwort geben.

Der „Deichverband Uedesheim“ wurde 1889 per Genehmigung von Kaiser Wilhelm II. gegründet. An der Spitze des Deichverbandes standen von 1889 bis 1968 die. Sie waren Uedesheimer Bürger mit Bezug zur Landwirtschaft. Die Verfügung über Fuhrwerke war für den Deichbau und die Deichinstandhaltung unerlässlich, wurden doch viele Arbeiten am Deich von den Anliegern traditionell in Eigenleistung verrichtet. Zu diesen Arbeiten gehörte selbstverständlich auch das Schließen des am Ende der Rheinfährstraße gelegenen Deichtores bei Hochwasser. Ab 1968 wurde der Deichgräf aus den Reihen des Tiefbauamtes rekrutiert.

Deich-Kenner Paul-Heinz Kramp.

Foto: privat

Der Deichverband unterhält Hochwasserschutzanlagen mit einer Länge von 6.850 Metern (6.000 Meter Deiche und 850 Meter Schutzmauern). Die maximale Deichhöhe beträgt 4,30 Meter. Zum Deichverband gehören sieben Deich- oder Mauertore. Zwei dieser Tore verlaufen quer über die Fahrbahn der B 9 südlich und nördlich des Silbersees.

Im Bereich des Deichverbandes Uedesheim wird nicht jeder Abschnitt durch Deiche und Mauern geschützt. Es gibt auch 950 Meter Hochufer, die eines solchen Schutzes nicht bedürfen. Die von den Hochwasserschutzanlagen geschützte Fläche beträgt 5.920.000 Quadratmeter und stellt das Verbandsgebiet dar. Die Schutzmaßnahmen beginnen auf Dormagener Gebiet rund 500 Meter südlich des Silbersees, umfassen die Rheinfront von Uedesheim und enden im südlichen Bereich am Ortseingang von Grimlinghausen. Flussabwärts übernimmt dann die Stadt Neuss den Hochwasserschutz.

Der Deichgraf weiß, wie auf welchen Hochwasserstand zu reagieren ist.

Foto: Ursula Kramp

„Der Deich ist ein nicht unempfindliches Bauwerk und bedarf sorgfältiger Überwachung, Unterhaltung und Instandsetzung“, macht Kramp deutlich. Zweimal im Jahr findet eine so genannte „Deichschau“ statt – einmal durch die Aufsichtsbehörde, die Bezirksregierung Düsseldorf, und einmal durch die Mitglieder des „Erbentages“ und des Deichamtes. Der Fachmann weiter: „Bei dieser Deichschau werden unter Leitung des Deichgräfen Mängel am Deich begutachtet und deren Behebung überlegt. Schon kleine Defizite können bei Hochwasser katastrophale Auswirkungen haben. Die Pflege der Grasnarbe ist ganz besonders wichtig. Sie muss in einem einwandfreien Zustand sein.“

Optimal wäre sicherlich an Stelle der maschinellen Mahd die Pflege des Deiches durch Schafsbeweidung. „So würde der Deich nicht nur gemäht, sondern auch gedüngt und gleichzeitig durch die Hufe der Tiere optimal verdichtet. Es fehlt aber an einer ausreichenden Anzahl von Schafsherden, sodass nur gelegentlich auf dem Deich Schafe zu sehen sind“, berichtet Paul-Heinz Kramp.

Das eine Deichtor quer über die B 9 südlich von Uedesheim.

Foto: Dietmar Steinhaus

Steigt das Wasser, tritt der Hochwasserdienst in Aktion. Bei einem Wasserstand von acht Metern, gemessen am Pegel Düsseldorf, tritt der Einsatzstab zusammen. Ab 8,30 Meter wird eine rund um die Uhr besetzte Hochwasserschutzzentrale eingerichtet. Bei 8,65 Meter Wasserhöhe werden erste Deichtore geschlossen. Die aktive Deichwacht mit regelmäßigen Begehungen des Deiches beginnt bei 9,70 Meter.

Das Bemessungshochwasser, dem der Deich auch entspricht, liegt gemessen am Düsseldorfer Pegel bei rund 11,60 Meter. Kramp: „Seine Eintrittswahrscheinlichkeit liegt bei drei Ereignissen in 1.000 Jahren.“ Sollte das Wasser höher steigen, muss der Deich nicht zwingend überströmt werden, denn die Hochwasserschutzanlage überragt das Bemessungshochwasser um etwa 60 Zentimeter Sicherheitszuschlag und bei den aktuell in der Planung befindlichen Neubauten sogar um einen Meter. „Sollte es aber zu einer freien Überflutung kommen, ist davon auszugehen, dass die Katastrohe unabwendbar ist. Viele hundert Kilometer Rheindeich sind auf das gleiche Bemessungshochwasser ausgelegt. Eine so lange Strecke lässt sich nicht provisorisch mit Sandsäcken verteidigen“, macht der Fachmann deutlich.

Schwachstelle im Bereich des Deichverbandes Uedesheim ist der alte – etwa 300 Meter lange – Deich zwischen der A 46 und dem Hochufer des Reckbergs. Bereits seit Jahren sei hier eine Erhöhung und Verstärkung des alten Dammes geplant. Doch hier kam bisher immer der „Limes“ in die Quere.