Der FDP-Bundesvorsitzende war zu Gast bei den Freien Demokraten in Kaarst Christian Lindner: „Wir dürfen die Mitte unserer Gesellschaft nicht vergessen!“
Kaarst · "Wir haben uns daran gewöhnt, keine Sitze zu haben, aber keine Sitzplätze zu haben ist eine neue Erfahrung!" Christian Lindner, Bundesvorsitzender der Freien Demokraten und Vorsitzender der FDP-Landtagsfraktion NRW, präsentierte sich beim Neujahrsempfang der Kaarster FDP im Mercure Hotel in bester Laune und bewertete das Erscheinen der rund 250 Zuschauer gleich als "politisches Statement, das uns beflügelt".
Tatsächlich hatte der Besuch des FDP-Spitzenpolitikers für einen Besucherrekord gesorgt: Die Stühle waren restlos vergeben, in den hinteren Reihen sicherten sich interessierte Kaarster die letzten Stehplätze. Sie alle erlebten mit, wie Lindner rund eineinhalb Stunden unter dem Motto "Die Mitte stärken — für Vernunft und eine freiheitliche Zukunft in unsicherer Zeit" Rede und Antwort stand. Er erkannte mit Blick zum Beispiel auf Brexit, Aleppo, die Türkei, den Kreml und Amerika eine Erschütterung der Ordnung, durch die selbst liberale Werte wie Vernunft und Aufklärung keine Selbstverständlichkeit mehr seien. So verwies er auf den in der ersten Reihe sitzenden Bijan Djir-Sarai. Der Vorsitzender des Bezirksverbandes Düsseldorf und des Kreisverbandes Neuss der Freien Demokraten ist gebürtiger Iraner. "Er kann nicht ohne Weiteres in die USA reisen. Ich versichere Ihnen, von ihm geht keine Gefahr aus", so Lindner mit einer Mischung aus Schmunzeln und Fassungslosigkeit angesichts der Trump'schen Politik.
Mit Blick auf die NRW-Landtagswahl am 14. Mai und die Bundestagswahl am 24. September mahnte er: "Politische Neutralität ist ein Luxus, den wir uns nicht leisten können. Wir haben nicht nur die Möglichkeit, wählen zu gehen, wir haben eine Wahlpflicht." Lindner empfahl, aus Trumps Wahl zu lernen. Er verwies auf die "forgotten men", diejenigen, die mit ihren Sorgen nicht wahrgenommen worden seien. Diese Gefahr sieht er auch in Deutschland: "Es geht nicht nur um Flüchtlinge und Superreiche — wir müssen auch über die Sorgen und Nöte in der Mitte unserer Gesellschaft reden." Er will sich für einen starken Mittelstand einsetzen, "für diejenigen, die dem Staat Steuern zahlen, für diejenigen, die nicht bedürftig, aber nicht aus dem Gröbsten raus sind, die sich nicht in irgendeiner Flughafen-Lounge mit Champagner zuprosten."
Weiter kritisierte Lindner die Auswüchse der Bürokratie und deren Folgen: "Wenn ein Grüner Justizsenator Unisex-Toiletten anordnet, um Menschen von diskriminierenden Entscheidungen zu befreien, auf der anderen Seite aber ein Terrorist mit 14 ausgedachten Identitäten ungehindert Mordtaten ausüben kann — dann fehlt der Rechtsstaat, der die Menschen schützt und verteidigt." Man müsse allerdings die Gesetze nicht verschärfen, sondern die bestehenden Gesetze konsequent umsetzen. Andererseits warte er schon lange auf ein Einwanderungsgesetz. Natürlich müssten wirklich bedrohte Flüchtlinge aufgenommen werden — aber nur auf Zeit, um später wieder in ihre Heimat zurückzukehren und dort beim Wiederaufbau zu helfen. "Wir sollten uns aussuchen, wer bleiben darf", gibt Lindner zu verstehen, dass Flüchtlinge mit Bleiberecht die deutsche Rechtsordnung zu akzeptieren hätten, die deutsche Sprache beherrschen und in der Lange sein müssten, für sich und ihre Familie zu sorgen.
Weiter brach Lindner eine Lanze für die unterbesetzte Polizei, betonte die wichtige Rolle der Digitalisierung und machte einen Vorschlag, wie der Überschuss im Staatshaushalt in Höhe von sieben Milliarden Euro sinnvoll eingesetzt werden könne: "Lassen Sie uns den Solidaritätszuschlag für alle Menschen mit einem Jahreseinkommen unter 50.000 Euro streichen; das wäre nicht nur gerecht, es wäre auch ein Mittel gegen die Politikverdrossenheit vieler Menschen!"