Notlösung: Sporthalle dient als Unterkunft für Flüchtlinge

Kaarst · Seit Montag dient die Turnhalle an der Bussardstraße als Notunterkunft für Flüchtlinge. Erst im Laufe der vergangenen Woche hatte die Stadtverwaltung von der Zuweisung erfahren. "Und wir rechnen tagtäglich mit weiteren Zuweisungen", sagt der Erste Beigeordnete Dr. Sebastian Semmler.

Ute Walter vom Ökumenischen Arbeitskreis Asyl steht den Flüchtlingen mit Rat und Tat zur Seite — so auch am Montag in der Turnhalle Bussardstraße.

Foto: Rolf Retzlaff

Doch auch in dieser Notsituation zeigten die Kaarster eine tolle Hilfsbereitschaft: 15 Ehrenamtler meldeten sich spontan. Sie stehen den Flüchtlingen mit Rat und Tat zur Seite.

Bis zum heutigen Mittwoch werden 31 Menschen aus Syrien, Pakistan, Afghanistan, Georgien, Bangladesch und Marokko in der Turnhalle untergebracht. "Es handelt sich hier um normale Zuweisungen", erklärt Semmler. Diese Personen wurden bereits in einer Erstaufnahmeeinrichtung registriert und dann nach Kaarst gebracht. Da in den Notunterkünften der Stadt derzeit kein Platz ist, wurden die Flüchtlinge vorerst an der Bussardstraße beherbergt. "Wir bringen nicht gerne Menschen in Turnhallen unter", macht Semmler deutlich, dass dieser Zustand nicht von langer Dauer sein soll. So werden zurzeit unter Hochdruck die Angebote von rund 50 Privatwohnungen abgearbeitet, die der Stadt von den Eigentümern als Unterbringungsmöglichkeit für Flüchtlinge angeboten wurde. Auch Bürotrakte und Gewerbehallen werden geprüft.

Das Wohnheim an der vom-Stein-Straße ist mit 60 Menschen belegt. In der vergangenen Woche wurde mit den Vorbereitungen für die Aufstellung von Wohnmodulen an der Wattmannstraße in Vorst (neben dem Haus der Lebenshilfe) begonnen; weitere Einrichtungen folgen am Klärwerk, an der Siemensstraße, an der Büttgener Straße (gegenüber Kaarster Bahnhof) und an der Straße Am Hoverkamp. Feste Gebäude entstehen an der Hubertus- und Ludwig-Erhard-Straße.

Doch jetzt gilt es erst einmal so schnell wie möglich die Menschen aus der Turnhalle in ein menschenwürdigeres Wohnumfeld zu bringen. Mithilfe von Planen entstanden in der Halle Kammern, in denen drei bis vier Klappbetten stehen. Türen gibt es nicht, Schränke ebenso wenig — Privatsphäre gleich null. Dennoch merkt man den Männern an, dass sie froh sind, angekommen zu sein. Chand Aki (20), Atif Hussian (20) und Azhar Hussian (29) haben aus Angst vor den Bomben der Taliban ihre Familien und ihre Heimat in Pakistan verlassen. Jetzt sitzen sie auf ihren Klappbetten in der Kaarster Turnhalle und hoffen, hier aufgenommen zu werden, in Frieden leben zu können.

Das Gefühl, willkommen zu sein, vermitteln ihnen unter anderem 15 Kaarster Ehrenamtler, die Ute Walter vom Ökumenischen Arbeitskreis Asyl um Unterstützung gebeten hatte. "Die Hilfsbereitschaft war toll, ganz schnell hatten sich Ehrenamtler bei mir gemeldet", so Walter. Die engagierte Truppe kümmert sich jetzt unter anderem um die Essensausgabe, zeigt den Flüchtlingen aber auch, dass hier Menschen sind, die sich um sie kümmern — das ist gelebte Willkommenskultur.

Ute Walter (2.v.r.) vom Ökumenischen Arbeitskreis Asyl freut sich über das tolle Engagement der Ehrenamtler.

Foto: Rolf Retzlaff

Bürgermeister Franz-Josef Moormann weiß dies zu schätzen. "Tragen Sie dazu bei, dass die Menschen, die sich nach Aufgabe ihrer Heimat wegen Krieg und Terror, dem Verlust von Familienbanden, dem Verlust von Hab und Gut und oftmals traumatischer Erfahrungen auch während der Flucht in unserer Stadt wohlfühlen. Sollten Sie also in Kürze im Umfeld der Sporthalle Flüchtlingsfamilien begegnen, wären wir Ihnen sehr dankbar, wenn Sie den Menschen bei Bedarf mit benötigten Auskünften weiterhelfen."

Großes Verständnis für die Situation bringt auch Leo Erdtmann, Vorsitzender der SG Kaarst, auf. Sein Verein ist Hauptnutzer der Turnhalle, Schulsport wurde hier nicht betrieben. "In solchen Zeiten müssen wir enger zusammen rücken", macht Erdtmann deutlich. Die SG bietet wie auch die anderen großen Kaarster Vereine kostenlose Mitgliedschaften für Flüchtlinge an, setzt auf Integration durch Sport. Doch auch wenn die Hilfsbereitschaft groß ist — seine Sorge um die Zukunft der SG Kaarst kann Leo Erdtmann nicht verbergen. Noch fallen keine Sportangebote aus, wurden nur in andere Hallen verlegt. Aber wenn weitere Hallen gesperrt werden würden, müsse die SG Übungsleiter entlassen, die zum Teil vom Geld, das sie bei der SG verdienen, ihren Lebensunterhalt bestreiten.
Zudem könne die Zahl der Mitglieder schrumpfen, Abteilungen müssten geschlossen werden. In einem Schreiben an die Bezirksregierung will Erdtmann seiner Sorge Ausdruck verleihen.