Seit zwei Jahren in Neuss: So ist es Flüchtling Hakim Yaquby ergangen

Neuss · Hakim Yaquby lebt seit zwei Jahren in Neuss. Ginge es nach den Behörden, dürfte er bald gar nicht mehr hier sein — sein Asylantrag wurde abgelehnt, weil er aus Afghanistan kommt, einem "sicheren Herkunftsland".

Seit zwei Jahren leben hunderte Flüchtlinge aus Kriegsgebieten in Neuss. Was machen sie? Und wie haben sie sich eingelebt? Hakim Yaquby ist als Afghane von der Abschiebung bedroht, hat aber das beste aus seiner Situation gemacht.

Foto: Fotos: Violetta Buciak/privat

In seinen Papieren hat er nur die Duldung. Dennoch will er das Beste aus seiner verbliebenen Zeit machen, hat am Dienstag eine Ausbildung angefangen.

Dienstag, 1. August: Bei einem Selbstmordanschlag auf eine Moschee im Westen Afghanistans sind mindestens 29 Menschen getötet und mehr als 60 weitere verletzt worden. Mittwoch, 2. August: Im Süden Afghanistans sind Nato-Soldaten bei einem Anschlag der Taliban ums Leben gekommen. Das Land, das unter Beschuss steht, gilt trotzdem als "sicheres Herkunftsland".

Für den 25-jährigen Yaquby unverständlich. Dennoch will er sich, so gut es geht, in Neuss einleben, spricht sehr gut deutsch — und das, obwohl er als Afghane nicht zu den begehrten Sprachkursen zugelassen wurde. "In jeder Stadt im Umkreis habe ich angefragt. Ich war in Kaarst, Dormagen oder Köln. Es war nichts zu machen", so der Afghane. Stattdessen lernte er mithilfe von engagierten Ehrenamtlern Deutsch, übt nach eigenen Aussagen jeden Tag in der Flüchtlingsunterkunft in Pomona auf eigene Faust. Freunde hat er dort nicht gefunden. Er sagt offen: "Viele Mitbewohner sind faul, sie kümmern sich nicht um Jobs oder ihr persönliches Weiterkommen. Das wäre nur schlechter Einfluss für mich." Stattdessen zählt er eine Hand voll Einheimischer zu seinen Freunden — Menschen, die ihm geholfen haben, die ihm einen Job vermitteln konnten.

"Nachdem ich fast 70 Bewerbungen verschickt habe, durfte ich am Dienstag meine Ausbildung als Berufskraftfahrer beginnen", freut sich Yaquby. Vier Tage lang hat er in dem Neusser Unternehmen zunächst ein Praktikum gemacht, dann kam das Angebot — ein Hoffnungsschimmer. Auch wenn er in seiner Heimat als Supervisor für ein US-amerikanisches Unternehmen in leitender Funktion tätig war, wie er selbst sagt. In dem ihm zugewiesenen Projekt ging es darum, Schutzwälle gegen Überschwemmungen errichten zu lassen. Seine Zusammenarbeit mit US-Amerikanern missfiel der Taliban, die am 12. Juni 2015 in sein Elternhaus stürmte. Dort haben die Männer Yaqubys Vater geprügelt, die Mutter und Geschwister weinten bitterlich. Er selbst war wegen einer Trauerfeier in einer anderen Stadt, wurde aber noch in der Nacht von seiner Mutter informiert. "Sie bat mich, nicht mehr zurückzukommen, sonst würden sie mich finden und ermorden", sagt Yaquby.

Also floh er, landete Wochen später in einer Massenunterkunft in Dortmund. Jetzt lebt er in Neuss. "Die Stadt gefällt mir gut, die Menschen sind freundlich. Auch wenn ich bemerke, dass mir manche mit Misstrauen begegnen", erzählt der Afghane. Er versteht, dass manche Bürger aufgrund der Terrorgefahr ein schlechtes Gefühl ihm und anderen Flüchtlingen gegenüber haben. "Aber nicht alle mit schwarzen Haaren planen so schlimme Taten", stellt der junge Mann klar. In seiner Freizeit geht er gerne ins Fitnessstudio — das sei auf Dauer für ihn jedoch zu teuer. Ansonsten nutzt er weiterhin jede freie Minute, um sein Deutsch zu verbessern. Gelegentlich telefoniert er mit seiner Familie, um die er sich schreckliche Sorgen macht. Eine Verständigung per Internet sei nicht möglich, da die Infrastruktur in seiner Heimat sehr schlecht sei. Dort, neben seinem Elternhaus, sei erst kürzlich eine Bombe eingeschlagen — Zustände wie im Krieg. "Nicht wie im Krieg. Das ist Krieg", sagt Yaquby.

(Kurier-Verlag)