CDU Neuss will Gewerbesteuer um 45 Prozent senken „Politische Bankrotterklärung“ oder „echte Kehrtwende“?
Neuss · Neuss muss sparen: Für das kommende Jahr rechnet Stadtkämmerer Frank Gensler mit einem Defizit von 27,4 Millionen Euro (wir berichteten). Jetzt sind die Politiker an der Reihe. Wie sie das Loch im Stadtsäckel stopfen wollen und welche Projekte trotz Geldmangel umgesetzt werden sollen, besprachen am vergangenen Wochenende CDU und SPD auf ihren Klausurtagungen. Der größte „Hammer“: Die Christdemokraten wollen die Gewerbesteuer, die in die Stadtkasse fließt, um 45 Prozent senken. Die Sozialdemokraten sehen darin eine „politische Bankrotterklärung“.
Auf der Tagung in Wermelskirchen sprach der CDU-Fraktionsvorsitzende Sven Schümann von einer „Haushaltswende“ und einer „echten Kehrtwende zur Rettung des Haushalts“. Das sieht auch der Parteivorsitzende Jan-Philipp Büchler so: „Mit einer Gewerbesteuersenkung können wir die Neusser Ausbildungs- und Arbeitsplätze in dieser schwierigen Zeit schützen, Abwanderung von Firmen verhindern und neue Firmen nach Neuss holen. Damit können wir unsere sozialen Leistungen und die Investitionen in Infrastruktur und Klimaschutz überhaupt erst umsetzen“, macht er deutlich, „denn die Stadt Neuss hat ihre Klimaziele um 98 Prozent verfehlt. Die Stadt braucht dringend mehr Geld, um den CO2-Ausstoß zu reduzieren. Geld, das wir heute nicht haben. Die Ansiedlung von mehr Unternehmen und Arbeitsplätzen ist die Chance, dies zu ändern.“ Auch will die CDU die Ausweisung neuer Gewerbegebiete wieder auf die Agenda setzen.
Die SPD zeigt sich entsetzt angesichts der christdemokratischen Zukunftsperspektiven: „Sie würden den Haushalt der Stadt Neuss mit weit über 70 Millionen Euro belasten – und das bei einem schon heute prognostizierten Defizit in Höhe von über 30 Millionen Euro“, weiß der SPD-Vorsitzende Sascha Karbowiak, „das hätte dramatische Auswirkungen auf das Leben in der Stadt Neuss“. Angebote wie beitragsfreie Kitas, Unterstützung von sozialen Einrichtungen in der Stadt und vieles mehr seien damit nicht mehr finanzierbar. Der Weg in die Haushaltssicherung im Jahr 2024 sei unvermeidbar. „Dies hätte weitere massive Leistungseinschränkungen sowie steigende Steuern und Gebühren für alle Bürgerinnen und Bürger zur Folge“, befürchtet Karbowiak. Er spricht von „Steuerdumping zulasten der umliegenden Städte“, auch würde laut SPD eine Absenkung des Hebesatzes weit unter Landesdurchschnitt den Anspruch auf finanzielle Zuweisungen vom Land deutlich reduzieren. Zudem befürchtet die SPD eine „CDU-Initiative zur massiven Ausweisung weiterer Gewerbegebiete“, denn umfangreiche Leerstände von Gewerbeflächen gebe es in Neuss nicht.
Und auch der SPD-Bundestagsabgeordnete Daniel Rinkert meldet sich zu Wort. Er wendet sich an seinen Kollegen im Landtag Dr. Jörg Geerlings. „Die NRW-Landesregierung hat es sich zum Ziel gesetzt, Steueroasen trockenzulegen und dies auch im Schwarz-Grünen Koalitionsvertrag festgehalten. Mich würde interessieren, wie Herr Dr. Geerlings zum Beschluss seiner Neusser Ratsfraktion steht. Schließlich steht dieser Beschluss in einem absoluten Widerspruch zu seiner Landespolitik.“ Geerlings fasst sich kurz: „Der CDU-Vorschlag, Steuern zu senken, ist ein wichtiger Diskussionsbeitrag. Bürgerinnen und Bürger und gerade kleine und mittlere Betriebe, wie etwa das heimische Handwerk, brauchen Entlastung. Über Höhe und Einstieg in eine Entlastung müssen wir diskutieren. Die SPD ist gegen Entlastungen und fährt den Haushalt der Stadt Neuss ohne Ideen vor die Wand.“
Mit welchen weiteren Ergebnissen die Sozialdemokraten und die Christdemokraten von ihren Klausurtagungen zurückgekehrt sind, lesen Sie auf Seite 2
Rolf Retzlaff