Steuerverluste: Müssen Schützenvereine Frauen aufnehmen? Ohne Frauen kein Gemeinnutz? Finanzhof verunsichert Vereine
Kaarst · Immer wieder wird sie auch in Kaarst diskutiert: die Frage, ob Frauen in Schützenvereinen mitmachen dürfen. Nach einem Urteil des Bundesfinanzhofes bangen jetzt allerdings viele Vereine um ihre Bräuche — denn hohe Steuerbelastungen könnten anstehen...
Zwar wurde das Urteil des Bundesfinanzhofes (BFH) bereits am 17. Mai gefällt (V R 52/15), die Begründung ist allerdings erst seit vergangener Woche öffentlich: Einer Freimaurerloge wurde die Gemeinnützigkeit, die für einen Verein enorme steuerliche Vorteile mit sich bringt, aberkannt, weil sie keine Frauen aufnimmt — und somit gegen Artikel 3 des Grundgesetzes verstoße, der die Diskriminierung und Bevorzugung von Menschen aufgrund bestimmter Eigenschaften untersagt. Das Urteil des BFH ist kein Grundsatzurteil — dennoch versetzt ein kleiner Satz am Ende der Pressemeldung massenhaft Vereine in der Bundesrepublik in Panik. Dort heißt es: "Das Urteil des BFH könnte sich aber auch auf Vereine auswirken, die die Gemeinnützigkeit in Anspruch nehmen, aber wie zum Beispiel Schützenbruderschaften, Männergesangvereine oder Frauenchöre Männer oder Frauen ohne sachlichen Grund von der Mitgliedschaft ausschließen." In den Satzungen der meisten Bruderschaften in Kaarst steht, dass nur Männer Vereinsmitglieder werden können. Müssen jetzt also auch die Kaarster Schützen um ihre Steuervorteile bangen, wenn sie keine Frauen aufnehmen?
Für Bürgermeisterin Dr. Ulrike Nienhaus ist das Urteil unverständlich: "Gemeinnützigkeit lässt sich nicht an Geschlechterrollen festmachen, sondern daran, was man tatsächlich leistet." Die ehrenamtliche Arbeit, die die Kaarster Schützen für Stadt und Gemeinschaft leisten würden, sei herausragend und die Stellung der Schützen solle in diesem Kontext anders betrachtet werden als beispielsweise eine Freimaurerloge. Hervorheben möchte Nienhaus besonders die Tatsache, dass sich diese Entscheidung nicht nur auf die Schützen, sondern auch auf andere gemeinnützige Vereine (zum Beispiel Sportmannschaften) auswirken könnte.
Für Claus Schiffer, Präsident der St.-Sebastianus-Schützenbruderschaft Kaarst, heißt es erst mal abwarten. "Ich habe mich mit dem Bundesverband besprochen und es ist schwierig, jetzt schon etwas zu diesem Thema zu sagen. Wir müssen erst mal schauen wie es weiter geht. Fest steht, dass das Urteil für viele Vereine ein großes Problem werden könnte", bedenkt der Brudermeister die möglichen finanziellen Konsequenzen, "doch das wichtigste ist doch, dass wir Schützen immer gemeinnützig unterwegs sind. Bei diesem großen ehrenamtlichen Engagement kann ich mir nicht vorstellen, dass jemand das anders sehen könnte. Die Kaarster Vereine und Bruderschaften sind so aktiv in der Brauchtums- und Heimatpflege — das ist doch das Ausschlaggebende am Schützenwesen!"
Auch Josef Karis ist aktiver Schütze und fungiert unter anderem in Holzbüttgen als Hubertusmajor, marschiert aber auch in Kaarst und Driesch mit. Ginge es nach ihm, wären Frauen schon längst aktiv in allen Bereichen des Schützenwesens integriert. "Seit 1956 dürfen Frauen wählen gehen, sie dürfen arbeiten gehen und Führerscheine machen — ich habe den Eindruck, dass das Schützenwesen eine der letzten Domänen ist, in denen sie noch um ihre Rechte kämpfen müssen. Das ist doch nicht mehr zeitgemäß! Ich frage mich, wieso sich die Schützen im Rhein-Kreis Neuss damit so schwer tun. In zahlreichen anderen Vereinen und Bruderschaften in Deutschland sind Frauen im Schützenwesen längst eine Selbstverständlichkeit. Ich hätte lieber eine Frau auf einem Pferd als Oberst, als einen Mann, der zu Fuß marschiert. Für dieses Recht sollten die Frauen kämpfen!" Und um ihnen dazu gleich noch den richtigen Anreiz zu geben, schmunzelt Karis: "Sollten Frauen zugelassen werden, spendiere ich dem ersten Damenzug, der sich in Kaarst gründet, das Königssilber!"
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