CDU steht weiter für ein Fotografier-Verbot im Rat
Der Rat der Stadt Neuss sperrt die Öffentlichkeit mehr und mehr aus. Nachdem sich die Politiker der führenden CDU und auch die Grünen, die einmal für Transparenz standen, gegen ein Live-Streaming der Sitzungen über das Internet ausgesprochen haben, will die Koalition auch Pressefotografen vor Ort mit einem faktischen Arbeitsverbot abstrafen.
von Frank Möll
Neuss.
Der Bürgermeister sitzt im offenen Hemd an seinem Pult und kaut Snacks, die er mit einem Zahnstocher aus einer Tupperdose pickt. Ratsmitglieder blättern in einem Mode-Katalog, ein anderer telefoniert mit dem Handy. Viele Plätze sind leer, weil Ratsherren zu spät oder gar nicht kommen.
Bilder dieser Art soll es in Zukunft für den normalen Neusser Bürger nicht mehr geben. Auch wenn der Fraktionschef der Grünen wutschnaubend und demonstrativ die Sitzung verlässt, darf dies nicht mehr fotografisch festgehalten werden. Die CDU und die Grünen haben zum ersten Mal seit dem zweiten Weltkrieg ein Fotografierverbot im Rat durchgesetzt. Nur wenn verdiente Politiker einen Blumenstrauß erhalten, darf ein gestelltes Foto geschossen werden, so der Plan.
„Mein Demokratie-Verständnis ist da ein anderes“, sagt der Chef der SPD-Fraktion, Arno Jansen. Er will am Freitag einen Antrag der Fraktion der Linken unterstützen, die das von der CDU und deren Bürgermeister initiierte Fotografier-Verbot kippen soll. Auch die Liberalen scheinen dafür, während sich AfD-Politiker Günter Weinert, ein älterer Herr, von Fotografen „in der Konzentration“ gestört fühlt und die CDU-Regelung astrein findet. Es sei ein alarmierendes Zeichen der Kraftlosigkeit und der mangelnden Fähigkeit, selbstverständliches durchzusetzen, wenn führende CDU-Politiker wie Jörg Geerlings, Sebastian Rosen, Thomas Nickel, Thomas Kaumanns und JU-Chef Sebastian Ley es nicht schaffen, die anderen in der Fraktion für Fragen der Demokratie und Transparenz zu überzeugen, schimpfen viele in der Union. Auch die in Neuss lebende Bundestagspräsidentin a.D. Professor Rita Süßmuth kann die Haltung der Neusser CDU ebenso wenig nachvollziehen wie Altmeister Dr. Heinz Günther Hüsch.