Zu Besuch bei einem Kaarster Freimaurer Der Meister vom Stuhl erklärt den Männerbund

Kaarst · Zahlreiche Mythen und Legenden ranken um die Freimaurerei. Handelt es sich um eine Sekte oder einen Geheimbund? Die wirrsten Thesen und Mutmaßungen geistern durch Internet und Literatur. Dan Brown hat mit seinem Bestseller "Das verlorene Symbol" die Phantasie mächtig angeregt.

Peter W. Raudenkolb möchte aus der Freimaurerei — fast — kein Geheimnis machen. Foto: Rolf Retzlaff

Foto: Rolf Retzlaff

Doch wie tickt so ein Freimaurer? "Kaarster Leben" besuchte Peter W. Raudenkolb, Meister vom Stuhl der Freimaurerloge Heinrich Heine. Das Resultat: Der Kaarster ist alles andere als ein Verschwörungstheoretiker oder geheimnisumwitterter Mystiker.

"Lassen Sie uns doch in die Küche setzen und einen leckeren Kaffee trinken", eröffnet Raudenkolb ganz salopp das Treffen. Von Anfang an macht er deutlich, dass er nicht viel von "Geheimniskrämerei" hält. Aber er befolgt natürlich die Regeln seiner Loge: "Die Freimaurerei hat keine Geheimnisse bis auf die Tatsache, dass man nie angibt, wer Mitglied ist und wer nicht. Von sich selbst kann man das sagen, nicht aber von anderen", erklärt der 65-Jährige. Nur so viel verrät er: "In Kaarst leben viele Freimaurer."

Und welche Interessen verfolgen die Freimaurer? "Heute sind dies die allgemeine Menschenliebe, Toleranz und Brüderlichkeit untereinander", weiß Raudenkolb. Man müsse an sich selbst arbeiten, sich selbst ständig in Frage stellen — ein hoher ethischer Anspruch. Jeder Freimaurer sei angehalten, "nach besten Kräften seine eigenen Fehler zu beobachten, sie auszumerzen und Besseres an ihre Stelle treten zu lassen." Dabei gehe es vor allem um das Bemühen, denn keiner sei unfehlbar. "Wir sind ganz normale Menschen und keine Heiligen", stellt Raudenkolb klar.

Zu den Grundprinzipien der Freimaurerei gehört auch die religiöse Toleranz. "Der Mensch wird nicht danach beurteilt, welcher Religion oder Konfession er angehört", macht Raudenkolb deutlich, dass in der Loge Heinrich Heine Menschen verschiedener Nationen und Bekenntnisse aus Deutschland, Frankreich, Griechenland, Jordanien, Luxemburg, den Niederlanden, Palästina, Spanien und Togo zusammen kommen. Gerade die religiöse Toleranz sei es, die einen gewissen Abstand zur eigenen Religiosität fordere: "Einem fanatischen Verfechter seiner Religion wird es nie gelingen, sich gegenüber anderen wahrhaft tolerant zu zeigen."

Die Loge Heinrich Heine trifft sich regelmäßig bei der AWO im Meerbuscher "Haus der Begegnung". "Ein Name, der gut passt" meint Raudenkolb, denn "seine" Freimaurer wollen sich nicht hinter dicken Mauern verstecken. Neben ihren Clubabenden laden sie zu öffentlichen Gästeabenden ein. Sie haben einen Heine-Abend in Düsseldorf veranstaltet und im Meerbuscher Jugendzentrum gemeinsam mit der AWO eine Veranstaltung mit Livemusik und Theater auf die Beine gestellt. Der Erlös wurde zu gleichen Teilen der Arbeiterwohlfahrt und der Jugendarbeit gespendet. "Damit verfolgen wir auch einen Gedanken der Freimaurerei", weiß Raudenkolb, "durch unser Verhalten und unser Engagement wollen wir Vorbilder für die junge Generation sein." Dazu gehöre auch die Bereitschaft zu helfen, ohne eine Gegenleistung zu erwarten.

Und was geschieht bei den Clubabenden? "Es werden Vorträge gehalten, ein Gedicht von Heine wird vorgetragen, wir unterhalten uns", so Raudenkolb. Alles kein Geheimnis — nur über die so genannten Tempelarbeiten wird nicht gesprochen. "Aus gutem Grund werden die Inhalte nicht bekannt gegeben", sagt Raudenkolb, der diese Versammlungen leitet, "das Erhabene und das Lächerliche liegen oft nahe beieinander; das Ritual muss man selbst erleben. Es lässt sich nicht beschreiben." Auf jeden Fall herrsche hier der Gedanke des geschlossenen Raumes: Was dort passiere, bleibe im Raum. Deshalb sei die Freimaurerei während der Nazizeit verboten worden. "Was sich hinter verschlossenen Türen abspielen mochte und worüber man keine Kontrolle ausüben konnte, war schon per se suspekt. Hinzu kam noch der Gedanke einer von den Nazis weit überbewerteten Internationalität."

Die Tempelarbeit bleibt also noch immer ein kleines Geheimnis, auch wenn im Internet zahlreiche Rituale — zum Teil aber frei erfunden — kursieren. Aber auch hier verrät Raudenkolb etwas: Als Meister vom Stuhl sitzt er als Leiter der Versammlung bei den Tempelarbeiten ganz vorne auf seinem Stuhl — und so kommt der Titel zustande. "Meine Aufgabe ist es, die verschiedenen Verhaltensmuster zur Harmonie zu führen, die Brüder sollen sich wohl fühlen — und dafür muss ich sorgen."