Bürger haben Sorge: Geht der Nordkanal den Bach runter?Dichter Grünbewuchs macht Kaarst Sorgen, Neuss beschwichtigt

Ja, wo ist er denn? Beim Blick von der Brücke am Konrad-Adenauer-Ring präsentiert sich der Nordkanal als grünes Band. Streckenweise ist die Oberfläche derart dicht mit Kresse bewachsen, dass kaum noch Wasser zu sehen ist. Zahlreiche Anrufe besorgter Bürger – vor allem aus der Nordstadt – erreichten die Redaktion des Stadt-Kuriers. Während die Kaarster Stadtverwaltung eine „Grün-Befreiung“ fordert, sieht man im Neusser Rathaus keinen dringenden Handlungsbedarf.

Kresse, wohin das Auge blickt: Der Nordkanal schlängelt sich streckenweise als grünes Band durch die Landschaft.

Neuss/Kaarst. In Kaarst ist beispielsweise der Abschnitt an der Einmündung des Jüchener Bachs betroffen, in Neuss die Strecke zwischen Jröne Meerke und Rheydter Straße. „Durch den sehr dichten Bewuchs wird die Fließgeschwindigkeit des Nordkanals weiter verringert. Damit leidet die Wasserqualität. Die Pflanzen müssen deshalb weitgehend zurückgeschnitten werden“, fordert die Kaarster Bürgermeisterin Dr. Ulrike Nienhaus. Sie ist gleichzeitig Vorsitzende des Wasser- und Bodenverbandes Nordkanal, der derzeit in Abstimmung mit der Stadt Neuss den Rückschnitt koordiniere, erklärt Peter Böttner von der Pressestelle Kaarst. Für diese Arbeiten werde ein sogenannter Mähkorb benötigt. „Wenn ein kleiner Teil stehen bleibt, entsteht ein linearer Verlauf des Nordkanals, der sogar einen schnelleren Ablauf des Wassers ermöglicht“, sagt Nienhaus. Insbesondere durch die Aufstauung des Nordkanals auf Neusser Stadtgebiet (Teichlandschaft im Stadtgarten) werde der schnellere Abfluss des Wassers verhindert. Ein Gutachten des NRW-Umweltministeriums hatte im April 2017 Maßnahmen zur Verbesserung der Wasserqualität aufgelistet. Immer war die Fließgeschwindigkeit als wesentliche Verbesserung genannt worden.

Auch der Kaarster Ratsherr Josef Karis (Freie Wählergemeinschaft im Ortszentrum Kaarst) sieht dringenden Handlungsbedarf: „Der starke Bewuchs verursacht eine geringere Fließgeschwindigkeit sowie die weitere Bildung von Schlamm im Nordkanal“, ärgert er sich.

Die Neusser Stadtverwaltung hingegen will Entwarnung geben: Der Nordkanal werde nach den Vorgaben der EU-Wasserrahmenrichtlinie (WRRL) bewirtschaftet. Diese sehe vor, für alle künstlichen Gewässer in Europa das „gute ökologische Potenzial“ (GÖP) zu erreichen. Somit sei Pflanzenwachstum und das teilweise Verlanden des Gewässers durchaus erwünscht. Es entstehe die Grundlage für eine größere Artenvielfalt im und am Nordkanal, heißt es in einer Stellungnahme der Stadtverwaltung. Derzeit plane der Wasser- und Bodenverband Nordkanal Maßnahmen im Rahmen der WRRL, die eine Erhöhung der Fließgeschwindigkeit zur Folge haben könnten.

Die Ausbreitung der Wasserpflanzen werde durch die niedrige Fließgeschwindigkeit und die damit verbundene Sedimentation schlammigen Materials begünstigt. Sedimentation sei ein natürlicher Prozess in Gewässern mit niedriger Fließgeschwindigkeit und weder positiv oder negativ zu bewerten. Die niedrige Fließgeschwindigkeit sei hauptsächlich durch das vorhandene geringe Gefälle des Nordkanals bedingt, wobei Kanäle grundsätzlich ein geringes Gefälle aufweisen würden. „Einen großen Einfluss auf die Verbreitung hat außerdem die Sonneneinstrahlung“, so Stadtpressesprecher Peter Fischer, „in dauerhaft beschatteten Bereichen des Nordkanals ist die Wasser-Sumpfkresse in deutlich geringerem Umfang anzutreffen.“ Die Ausbreitung der Pflanze sei kein Zeichen für ein „Umkippen“ des Gewässers, da sie dem Gewässer Nährstoffe entzieht und somit eher eine Verbesserung der Wasserqualität anzeige. Jedoch müsse bei zu starkem Wachstum der Wasser-Sumpfkresse ein Freischnitt erfolgen, um den Abfluss zu gewährleisten. Dies ist laut Stadt Neuss für den kommenden Winter geplant.Rolf Retzlaff