Das Musikgeschäft mitten im Horror rettet Johnnys Irak-Trip Neusser Musiker spielte vor deutschen Soldaten bei Mossul
Neuss/Irak · Afghanistan, Usbekistan, Mali, Irak — nicht gerade Urlaubsländer, in denen der Tourist sorgenfrei die Seele baumeln lassen kann. Und doch gibt es einen, der sie alle bereist und sich dabei so manches Mal in Lebensgefahr gebracht hat: Der Neusser Musiker Johnny Yuma spielte jetzt vor rund 150 deutschen Soldaten, die in der Nähe von Mossul stationiert sind.
Bei seinen ersten drei Rock'n'Roll-Einsätzen in Afghanistan, Usbekistan und Mali konnte Johnny jeweils mit einer Band anreisen, doch für den Trip in den Irak ließen sich die Musikerkollegen nur schwer begeistern — zu gefährlich schien ihnen dieses Vorhaben. Nur Gitarrist Zibby Krebs sagte sofort zu. Und so startete das Duo zur Mission "Rock'n'Roll für deutsche Soldaten". "Man sollte diese Soldaten nicht vergessen, schließlich setzen sie ihr Leben aufs Spiel", sagt der Musiker und Tontechniker. Aber auch für Johnny und Ziggy war der Trip alles andere als ein Entspannungsurlaub. Schon allein die Temperaturen von tagsüber bis zu 50 Grad und nachts rund 30 Grad machten ihnen zu schaffen. Ganz zu schweigen von einem ganz besonderen Problem: Acht Kisten mit technischem Equipment und T-Shirts für die Soldaten verschwanden irgendwo in den Tiefen des Frankfurter Flughafen und kamen erst in Mossul an, als Johnny wieder in Neuss war. "Glücklicherweise gab es in Erbil ein Musikgeschäft — mitten im Horror", erzählt Johnny. Zwischen zerbombten Gebäuden, einsamen Straßen und in Begleitung von Fahrzeugen des Kommandos Spezialkräfte ging es auf Einkaufstour. Der Besitzer präsentierte nach kurzem Zögern sein hochmodernes Sortiment, "von Lampen bis zum Gitarrenständer — alles vom Feinsten", freute sich Johnny. Und es gab eine weitere Parallelwelt in Erbil: Im Deutschen Hof servierte Gunther Bier, Sauerbraten und Rollladen. Der Biergarten verfügte sogar über eine Klimaanlage: mit Löchern versehene Gartenschläuche, die aus zweieinhalb Metern Höhe mit einem dezenten Wassernebel für Kühlung sorgten. Aber diese Annehmlichkeiten konnten nur kurze Zeit ein Heile-Welt-Feeling verbreiten. Zu groß war die Angst vor Angriffen durch IS-Kämpfer. "Ich wurde sogar in den Umgang mit einem Gewehr eingeführt, damit ich mich im Notfall hätte verteidigen können", erinnert sich Johnny.
Hitze, Staub, Waffen, zerstörte Gebäude — das alles war zumindest zwei Stunden lang vergessen, als Johnny und Ziggy auf der Bühne standen und die Soldaten unter anderem mit Songs von Motörhead, Iron Maiden und Judas Priest begeisterten. Natürlich durfte auch die Johnny-Cash-Hymne "Hurt" nicht fehlen, bei der Yuma mit seinem unnachahmlichen Gesang dafür sorgte, dass so mancher harte Mann Gänsehaut bekam und so manches Tränchen verdrückte.
Und wird es einen fünften "Höllenritt" geben? "Mein Oberst hat mich schon gefragt, ob ich demnächst wieder dabei bin", schmunzelt Johnny. Wohin die nächste Rock'n'Roll-Reise führen wird, steht noch in den Sternen. Aber für einen Adrenalinjunkie ist offenbar kein Ziel zu gefährlich...
Rolf Retzlaff