Neuss so rot wie der Blutmond? Ordensschwester Josefa: Manche von uns haben Reiner Breuer gewählt

Neuss · Sogar der Mond über Neuss war dieser Tage rot. Heute treffen sich die CDU-Mitglieder in der von Wachmännern beschützten und umzäunten Elite-Schule ISR, um über die Zukunft der Neusser Union zu beraten.

Oberin Josefa findet Reiner Breuer gut.

Foto: Foto: Frank Möll

Ohne Öffentlichkeit. Wie schlimm es um sie steht, zeigt folgendes: Am für die CDU desaströsen Ergebnis der jüngsten Bürgermeisterwahl sind auch die frommen Ordensschwestern der Augustinerinnen nicht unschuldig.

"Ja, einige von uns haben Reiner Breuer gewählt" sagt die Oberin des katholischen Etienne-Krankenhauses, Schwester Josefa. Jeder in Neuss kennt sie. Wahrscheinlich ist Josefa die bekannteste und beliebteste Neusserin. Seit 1965 steht sie im Dienst, hat bereits neun Krankenhaus-Chefs kommen und gehen gesehen. "Wir interessieren uns brennend für Politik und warten immer auf den Stadt-Kurier, den wir uns an der Pforte zurücklegen lassen. Ich habe Reiner Breuer aber auch selbst erlebt und muss sagen, dass er ein kompetenter Mann ist. Was er zu unserer Palliativ-Station zu sagen hatte, war richtig klasse", freut sich Josefa über den Machtwechsel in Neuss.

Die CDU sei zerstritten, viele schauen nur auf ihr eigenes Wohl, sagen Neusser Ordensschwestern.

Als am Wahlabend aus dem Wahllokal "Herz Jesu-Heim" als erstes Ergebnis kurz nach 18 Uhr eine absolute Mehrheit gegen Thomas Nickel in die Hände von SPD-Chef Benno Jakubassa flatterte, wusste dieser schon, dass die Wahl für Reiner Breuer gewonnen war.

Eine Sünde?

Noch nie galt für Katholiken die Nicht-Wahl eines CDU-Kandidaten als Sünde. Doch in alten Zeiten hatten auch Pfarrer von der Kanzel Werbung für die Neusser CDU gemacht. Das ist heute anders. Oberpfarrer Msgr. Guido Assmann bemüht sich seit Jahren um ein sehr gutes Verhältnis zu seinem Gemeindemitglied Reiner Breuer (SPD), der direkt neben der Marienkirche wohnt. Auch vom Kölner Erzbischof, Kardinal Reiner Maria Woelki müssen die "roten" Neusser Augustinerinnen keinen Rüffel erwarten. Woelki selbst ist mit SPD-Politikern befreundet, geht mit ihnen privat Abendessen. Sein Vorgänger, Kardinal Meisner, hat die CDU massiv kritisiert und sogar geraten, das "C" in ihrem Namen zu streichen.

Oberin Josefa und ihre Mit-Schwestern hoffen, dass die CDU jetzt nach vorne blickt. Ein anständiger Umgang mit den Leuten an der Parteispitze sei wichtig. Und dann merkt sie noch an: Wer die Person Reiner Breuer wähle, ja nicht unbedingt "rot" sein müsse.

Derweil bekommt Parteichef Dr. Jörg Geerlings auch noch Rückendeckung von einer anderen Frau. "Rücktrittsforderungen finde ich nicht gut. Wir müssen jetzt alle gemeinsam nach vorne schauen", steht Waltraud Beyen hinter Jörg Geerlings, der sich dieser Tage an CDU-Ständen den Fragen der Bevölkerung stellte.

KOMMENTAR UNSERES CHEFREDAKTEURS:

Liebe SPD!

Wechsel ist gut. Die Demokratie profitiert davon. In den Nachbarstädten tauschen Kandidaten von CDU und SPD im Schnitt alle zehn Jahre den Chefsessel. Normalität, die auch nun endlich Neuss erreicht hat. Regelmäßige Wechsel der Macht sind auch Garanten gegen Korruption und Machtmissbrauch.

Herbet Napp (CDU) war ein guter Bürgermeister, doch die letzten beiden der 17 Jahre für alle eine Überforderung. Seine aktuellen Entscheidungen zeigen dies deutlich.

Die Wähler werden auch ein Gespür dafür haben, wann die CDU wieder reif ist, in Neuss Verantwortung zu tragen. Die Schnapsidee, alles "geheim" und ohne Volk auszukaspern, spielt der sympathischen, offenen Neusser SPD in die Karten. Hoffen wir mal, dass sie und Reiner Breuer schlau bleiben.

Frank Möll

(Kurier-Verlag)