Abenteuer Ausbildung: Vom Japaner, der auszog, um Tischler zu werden Lehrlingsmangel: Azubi-Stelle 10.000 Kilometer von der Heimat entfernt

Kaarst · Obwohl es seit Jahren mehr Bewerber als Ausbildungsplätze gibt, bleiben viele Azubi-Stellen unbesetzt. Einer der Hauptgründe: Die Qualität der Interessenten lässt zu wünschen übrig. Dies hat den Kaarster Tischlermeister Sascha Hermans veranlasst, sich auf ein Handwerker-Abenteuer der besonderen Art einzulassen: In seinem Betrieb am Steinweg wird der junge Japaner Naoki Terada (20) ausgebildet, der eigens dazu aus dem Land des Lächeln eingeflogen wird und sich auf eine fremde Kultur einlässt.

Naoki Terada (2.v.l.) lässt sich auf das Abenteuer Ausbildung in Deutschland ein, begleitet von (v.l.) Atsuko Matsui (Da Vinci International), Tischlermeister Sascha Hermans, Tetsuo Takano (Da Vinci International) und Jan Hartmann (Hartmann Personaldienste).

Foto: Foto: Rolf Retzlaff

„Wenn in einer Bewerbung um eine Azubi-Stelle in meiner Tischlerei steht, der junge Mann würde sich sehr für das Elektro-Handwerk interessieren, lese ich schon gar nicht mehr weiter“, ärgert sich Sascha Hermans über oftmals mangelhaft formulierte Bewerbungen sowie schlecht informierte und zu fordernde Bewerber. „Wir brauchen Leute, die Leidenschaft für das Handwerk mitbringen – und die fehlt vielen jungen Menschen heutzutage, sie sind orientierungslos und oft schlecht auf das Berufsleben vorbereitet.“ Durch den Kontakt zum Düsseldorfer Jens Hartmann (Hartmann Personaldienste GmbH) kam Hermans schließlich auf die Idee, auf der Suche nach geeigneten Azubis in die Ferne zu schweifen. Organisiert wird die deutsch-japanische Kooperation von der Firma Da Vinci International. Sie stellt deutsche Unternehmen – wie zum Beispiel Hermans Tischlerei – auf ihrer Homepage vor, knüpft bei Interesse die Kontakte und begleitet die jungen Menschen bei ihrem Azubi-Abenteuer. „Wir haben zahlreiche Anfragen japanischer junger Leute, die eine Ausbildung in Europa absolvieren möchten“, weiß Atsuko Matsui, Representative Director bei Da Vinci International. In Japan gebe es zwar Berufsschulen, doch die seien auf privater Basis und oftmals sehr teuer. Naoki konnte in Japan praktische Erfahrungen bei der Holzverarbeitung sammeln, doch theoretische Kenntnisse werden dort vernachlässigt. Eine Gesellen- oder Meisterprüfung wird nicht angeboten – die möchte er in Deutschland absolvieren. „Meister sind in Japan sehr berühmt“, weiß Matsui um den hohen Stellenwert, der solch einer in Europa absolvierten Ausbildung in ihrem Land eingeräumt wird, „in ganz Japan gibt es nur ein oder zwei Tischlermeister!“ Das könnte sich in einigen Jahren ändern, doch zuvor muss Naoki, der für seine Azubi-Stelle in Kaarst erstmals Japan verlassen hat, fleißig die deutsche Sprache pauken, um gut vorbereitet den Unterricht in der Schule und den Berufsalltag bewältigen zu können. Das Hermans-Team will ihn begleiten – mit Kollegialität, Geduld, Solidarität und Sachverstand.

Rolf Retzlaff

(Kurier-Verlag)