„Hej kannste ruut sin, schwatz oder jelb, ävver wenn et brung weed, dann wäde mer laut!“ Karnevalsprinz Raphael I. Leßmann wirbt für Vielfalt und Toleranz
Kaarst · Wenn er über die närrische Zeit erzählt, gerät er ins Schwärmen und Fabulieren: Raphael Leßmann ist Kaarster Karnevalsprinz mit Leib und Seele. Aber bei allem Spaß ist es dem 18-Jährigen wichtig, mit seinem Motto „klare Kante“ zu zeigen. Er wirbt für Toleranz und gelebte Vielfalt („Alle unter einem Dach – in den Farben getrennt, in der Sache vereint“) und fordert die Bürger auf, dem Rechtsradikalismus auch im Karneval resolut die Stirn zu bieten: „Hej kannste ruut sin, schwatz oder jelb, ävver wenn et brung weed, dann wäde mer laut!“
Das Karneval-Gen hatte Raphael I. bereits in die Wiege gelegt bekommen: Kurz nach seiner Geburt meldete ihn seine Mutter Martina beim Karnevalsverein Blau Rot Gold Neuss an. „Dort war er das Maskottchen mit blonden Haaren und auf zwei Beinen“, schmunzelt sie. Kein Wunder also, dass es den kleinen Raphael sehr früh auf die Bretter zog, die die närrische Welt bedeuten. Im zarten Alter von elf Jahren moderierte er zum ersten Mal den Kokiball der Kaarster Kommunionkinder. Mit 14 Jahren folgte sein erster Auftritt bei den kfd Kaarst: Mit seinem kabarettistischen Programm begeisterte er die Zuschauer im Gemeindezentrum St. Martinus. Ebenfalls seit 2009 führt er durch das Programm der Kinderparty „Jedem Pänz sing Pappnas“. Dies war der Startschuss für einen Marathon über die jecke Laufbahn: Sowohl auf Kaarster als auch auf Neusser Bühnen witzelte er sich mit seinen Büttenreden in die Herzen der Karnevalsfreunde. Mitglied beim Karnevalsverein „Kaasch op Jöck“ ist er seit 2006. In diesem Jahr tat er sich auch mit Danny Frimmersdorf (Raphael: „Einer der wundervollsten Menschen, die ich kenne!“) zum Duo „PuK“ zusammen. Anfangs servierten sie „Puffbrause und Kräutertee“ noch zu dritt: Chris Kauffmann hatte für kurze Zeit den Gesangspart übernommen.
Wie es ist, das Narrenvolk anzuführen, durfte Raphael I. in den Jahren 2019 bis 2022 hautnah miterleben: Sein Bruder Matthias stellte gemeinsam mit Cara Seekircher das Kaarster Kinderprinzenpaar – und Raphael war als Standartenträger dabei. Jetzt sind die Rollen getauscht: Matthias darf seinem Bruder zu Ehren die Standarte tragen.
Gab es denn einen konkreten Anlass, sich gerade in diesem Jahr die Prinzenkappe aufsetzen zu lassen? „Ich fand es einfach traurig, dass Kaarst wieder keinen Karnevalsprinzen haben sollte. Auch fand ich die Vorstellung ganz schön, mit meinem 18 Jahren der jüngste Prinz im Rheinland zu sein.“ Und hat er „Bammel“ vor dieser Aufgabe? „Ja und nein … Natürlich möchte ich die Leute unterhalten, aber ich möchte ihnen auch den Spiegel vorhalten.“ Und der Kaarster zitiert den großen Rudi Carrell: „Willst Du den Menschen einen tollen Abend bereiten, bringe sie zum Lachen. Soll es ein fantastischer Abend werden, bringe sie zum Lachen und Weinen.“ Auch möchte Raphael I. den jungen Menschen nahebringen, wofür der Karneval steht: „Für Vielfalt und Toleranz. Nur wenn es braun wird, werde ich laut – und das nicht nur an Karneval“, geht er auf das eingangs zitierte Mundart-Statement ein („Hochdeutsch ist für mich eine Behelfssprache …“). Ein Prinz, der was zu sagen hat und für seine Meinung geradesteht: „Wenn ich der Meinung bin, dass etwas falsch läuft, muss ich einfach den Mund aufmachen!“ Und er erklärt auch gleich sein zweites Motto „Alle unter einem Dach …“: „Wir sind fünf Veedel. Und alle Karnevalsgesellschaften stehen für eine Sache, die wir alle lieben und die uns zusammenbringt – den Karneval.“
Raphael möchte nicht nur feiern, sondern auch Gutes bewirken: Er wird im Laufe der Session bei den Veranstaltungen einen Spendenwürfel rumgehen lassen, um so Geld für die Notfallseelsorge im Rhein-Kreis Neuss zu sammeln. Auch wird es überall dort, wo der Prinz auftritt, einen Pin geben, gestaltet mit dem Emblem der Notfallseelsorge, das eine Narrenkappe trägt. Der Erlös aus dem Verkauf der Anstecknadel fließt ebenfalls in das Spendenprojekt. Die Wahl des Spendenzwecks lag nahe: Raphael, Oberstufenschüler des Erzbischöflichen Gesundheitsgymnasiums Marienberg in Neuss, engagiert sich als Schulsanitäter sowie beim Deutschen Roten Kreuz als Sanitäter, hat alljährlich Einsätze auf Veranstaltungen wie den Schützenfesten oder Kaarst Total. Er weiß, wie wichtig die Arbeit der Notfallseelsorger ist: „Im Ernstfall sind diese Frauen und Männer da. Sie kümmern sich um die Seele. Sie sind da, wenn unsere Helden nach dem Einsatz Helden brauchen.“
Jetzt freut sich Raphael auf eine stimmungsvolle Session – und er denkt auch an diejenigen, die nicht zum Karneval kommen können: Der Besuch von Seniorenheimen, Krankenhäusern und Kindergärten liegt ihm besonders am Herzen.
So sehr er auch den Kaarster Karneval von seiner „stiefmütterlichen Behandlung“ befreien möchte, Raphael hegt einen ganz besonderen Traum, der ihn direkt ins Herz des rheinischen Frohsinns führen würde: „Einmal im Kölner Gürzenich auftreten!“ Aber er gibt sich bescheiden und formuliert ein „Zwischenziel“: „Die kfd in Vorst lassen zum Karneval noch immer keine Männer auf die Bühne – es wäre schön, wenn ich der erste wäre …“
Trotz all der Narretei wird Raphael dann doch noch ein wenig sentimental: Er schlüpft in das Ornat, das Bernd Siedler in seinem Prinzenjahr 2002/03 getragen hatte. Raphael: „Ich bin ziemlich sicher, dass Bernd oben auf einer Wolke zusieht und froh ist, dass sein Ornat in Kaarst bleibt. Er und seine Henny waren ein Meilenstein des Kaarster Karnevals. Es ist mir eine Ehre, das Ornat tragen zu dürfen!“