Insolvenz bedroht Existenz von Apotheken AvP-Pleite bedroht Arzneimittelversorgung
Neuss · „Sind Sie auch betroffen?“ Eine bange Frage, die dem Neusser Apotheker und Pressesprecher der Apotheker im Rhein-Kreis Neuss, Christoph Napp-Saarbourg, in den vergangenen Fragen immer wieder gestellt wird. Der Grund: Durch die Insolvenz des Rechnungszentrums AvP ist die Existenz zahlreiche Apotheken bedroht.
Apotheker müssen ihr Warenlager vorfinanzieren. Die Rezepte werden von AvP eingesammelt, die Apotheker bekommen ihr Geld – im Normalfall. Doch jetzt ist das Rechenzentrum pleite, rund 300 Millionen Euro sind auf AvP-Konten eingefroren, bis sehr komplexe rechtliche Fragen geklärt sind; das kann Jahre dauern. „Durchschnittlich bis zu 80 Prozent des Umsatzes rechnet der Apotheker mit Kostenträgern ab“, weiß Napp-Saarbourg.
Das heißt: Diese Rezepte gehen zur AvP, die macht die Abrechnung mit der Krankenkasse. „Stellen Sie sich vor, Sie müssten auf 80 Prozent Ihres Gehalts verzichten, aber weiter die laufenden Kosten tragen“, macht Napp-Saarbourg deutlich, wie hart es einige Apotheker trifft. Die Warenlager seien meist über Banken vorfinanziert und über den Großhandel bezogen; letzterer gebe bereits Hilfestellungen, „aber damit ist das Problem nicht zu lösen“, so Napp-Sarbourg.
Hinzu kommt, dass die meisten Apotheker in der Regel als Kaufleute persönlich und unbegrenzt haften – dabei erfüllen sie den Auftrag der Sicherstellung der Arzneimittelversorgung der Bevölkerung. Ob dies weiter garantiert werden kann, ist fraglich. Laut Apothekerkammer Nordrhein sehen sich 20 Prozent der Apotheken mit einer teils existenzbedrohenden Situation konfrontiert.
„Und es ist kein Ende in Sicht“, blickt Napp-Saarbourg, der von der Krise nicht betroffen ist, weil er ein anderes Rechenzentrum nutzt, nachdenklich in die Zukunft: „Vor allem in ländlichen Gegenden kann die Schließung einer Apotheke schlimme Folgen haben.“ Auch müssten betroffene Apotheker das Angebot in ihrem Warenlager reduzieren und Medikamente für Kunden nicht mehr bestellen.
Der Neusser Apotheker spricht von einer zweiten Krise, in die seine Kollegen völlig unverschuldet rutschen, denn auch die Corona-Pandemie habe negative Auswirkungen gehabt. Er befürchtet eine Beschleunigung des Apothekensterbens: In diesem Jahr mussten rund 700 Apotheken schließen, bisher waren es durchschnittlich bis zu 300“, so Napp-Sarbourg, „und es gibt deutlich mehr Schließungen als Neueröffnungen“.
Die Apothekerkammer Nordrhein fordert zinslose Kredite – aber auch die müssen zurückgezahlt werden. Dennoch sieht die Vertretung der Apotheker hier die vorübergehende Lösung: „Es geht teils um sehr hohe Summen, die kaum jemand auf der Seite liegen hat. Da sind viele Frauen und Männer, Familienväter und vor allem auch viele Mütter ohne ohne eigenes Fehlverhalten in eine dramatische Situation gekommen. Deshalb sind zinsfreie Kredite so wichtig, um die Versorgung der Menschen mit Arzneimitteln nicht zu gefährden“, mahnt Kathrin Luboldt, Vizepräsidentin der Apothekerkammer Nordrhein.
Es gelte, kurzfristig die Liquidität der Apotheken bis zum Abschluss des Insolvenzverfahrens der AvP unbürokratisch zu gewährleisten.