Jüdische Gemeinde bestätigt Anstieg+++Muslime wollen in den Dialog treten Debatte um Antisemitismus: Was die Muslime in Neuss zu dem Thema sagen
Neuss · Es ist ein Thema, das seit Wochen und Monaten die Medien bestimmt. Verbände schlagen Alarm, weil es in Deutschland offenbar einen Anstieg von Antisemitismus gibt. Auch in Neuss wird die zunehmende Ablehnung von Juden diskutiert.
Beim interreligiösen Dialog von der Stadtverordneten Waltraud Beyen meldeten sich jetzt auch muslimische Gruppen zu Wort.
"Das sind turbulente Zeiten für uns", macht Rachid Amjahad, Dialogbeauftragter der marokkanischen Gemeinde NRW, deutlich und weist darauf hin, dass dies eher medial als real der Fall sei. Als Moslem bedauert er die Stigmatisierung gegen seine Religion. Islam und Judenfeindschaft werden häufig pauschal miteinander in Verbindung gebracht — fälschlicherweise.
"Wir als Marokkaner werden hierbei in eine Ecke gedrängt, in die wir nicht hingehören und in die wir nicht hin möchten. Es geht hier um einen territorialen Konflikt zwischen Israel und Palästina mit dem wir rein gar nichts zu tun haben. Dennoch sehen wir Handlungsbedarf und möchten in dieser Phase als Brückenbauer vermitteln. Unter anderem durch Aufklärung", weiß er. "Viele wissen nicht, dass in Marokko die größte, jüdische Gemeinde in der arabischen Welt lebt. Dort gibt es seit 2.500 Jahren eine natürliche Koexistenz zwischen den Religionen", sagt Amjahad.
Oft entstehe Antijudäismus durch Unkenntnis. "Zu viele haben durch die falsche Darstellung vereinzelter Medien das Bild eines brutalen Soldaten vor Augen, wenn sie an Juden denken. Selbstverständlich steckt viel mehr dahinter", so der Neusser. Dennoch: In der marokkanischen Gemeinde NRW habe es bisher keinen einzigen Fall von Antisemitismus gegeben. "Das würden wir sofort melden und denjenigen ausschließen. Hass und Abneigung haben in unseren Reihen keinen Platz", so Amjahad.
Dem kann Ozan Erdogan, Vorsitzender des Integrationsrates der Stadt Neuss, nur zustimmen. "Das wichtigste bleibt der Dialog. Den müssen wir führen, um Unstimmigkeiten oder Missverständnisse aus dem Weg zu räumen."
CDU-Stadtverordnete Waltraud Beyen tut in dieser Hinsicht bereits viel. Sie bedauert, dass der Antisemitismus wieder Thema ist und bemüht sich bereits seit Jahren um einen interreligiösen Dialog. Einmal im Jahr kommen Vertreter diverser Gemeinden und Vereine auf ihre Einladung zusammen und kommen ins Gespräch. Das will die Norferin auch in Zukunft so handhaben. In Neuss bewegt sich was — und offensichtlich ist das auch dringend notwendig.
Riccarda Blaeser, Antidiskriminierungsberaterin der jüdischen Gemeinde Düsseldorf Neuss, bestätigt, dass es einen Anstieg von Antisemitismus in Deutschland gibt. Das ist etwa seit der Zeit zu beobachten, als es 2014 zu Konflikten am Gazastreifen gekommen war. Sie warnt aber davor, das Thema einseitig zu betrachten. "Von wem der Antisemitismus ausgeht und was die Ursachen sind — das lässt sich ganz schwer beantworten, weil es eben ein komplexes Thema ist. Da müssen wir differenziert darauf schauen", so die Expertin.
So könne man eben nicht pauschal mit dem Finger auf Muslime oder AfD-Mitglieder zeigen. Ebenso habe es bereits vor dem Zuzug an Flüchtlingen Antisemitismus in Deutschland gegeben.
Um dem besorgniserregenden Trend entgegen zu wirken, bietet das Team der Servicestelle für Antidiskriminierungsarbeit persönliche Beratungen, Präventionsprogramme für Schulen und Multiplikatoren sowie das Erfassen von antisemitischen Vorfällen im gesamten Raum Nordrhein-Westfalen an.
In Neuss gab es derweil den ersten Israel-Tag auf dem neu gestalteten Freithof. Aktuell denkt die Verwaltung über eine israelische Städtepartnerschaft nach. Konkrete Gespräche dazu gebe es bereits.