Pfarrer Appelfellers Gedanken zum Osterfest: „Hinschauen. Licht ins Dunkle bringen!“

Sebastian Appelfeller, Vorsitzender des Verbandes evangelischer Kirchengemeinden in Neuss und Pfarrer an der Kreuzkirche in Gnadental, formuliert für die Leser des Stadt-Kuriers seine Gedanken zum Osterfest:

Pfarrer Sebastian Appelfeller formuliert für die Leser unserer Zeitung seine Gedanken zum Osterfest.

Foto: privat

Es ist nicht bekannt, ob der Wiener Philosoph Karl Popper jemals Neuss oder auch nur das Rheinland länger besucht hat. Und doch ist wohl eines seiner mir liebsten Zitate von rheinischen Geist geprägt: „Es gibt zum Optimismus keine vernünftige Alternative.“ Mit Blick auf die aktuelle Stimmung in unserer Stadt, in unserem Land, in unserer Welt kommt mir dieser Satz regelmäßig in den Sinn. Wie übrigens auch seine rheinische Entsprechung: „Et hätt noch immer jot jejange.”

Denn, so kann man den Eindruck gewinnen, der Pessimismus hat Konjunktur. Und zwar in allen Spielarten. Wer am Samstagabend einen der wenigen freien Plätze im Neusser Dom ergattert, wird nicht lange suchen müssen, um Gleichgesinnte zu finden, die über den gestiegenen Bierpreis schimpfen. Wer dann auf die unterdurchschnittliche Inflation der letzten 20 Jahre verweist, macht sich in der Regel so unbeliebt, wie jener, der, angesichts der Diskussion über Kriminalität in Deutschland darauf verweist, dass wir in Deutschland seit Jahren wachsende Aufklärungsquoten und sinkende Opferzahlen haben.

Pessimismus also. Ob in der Spielart des Stammtischs, oder aber in intellektuellen Kreisen, die längst das Ende der Aufklärung und der freiheitlichen Grundordnung in Deutschland diskutieren.

Sicher, angesichts des Klimawandels und der Kriege in Europa und im Nahen Osten, angesichts der Wahlprognosen in Deutschland und auch in den USA kann ich mich selbst gewisser Sorgen nicht entziehen. Und spätestens seit den beschämenden Studien zum Missbrauch in der evangelischen Kirche würde ich gerne die Decke weit über den Kopf ziehen und warten, bis all das vorbei ist.

Zugleich frage ich mich aber, wie gelingt es einem Philosophen, vom Optimismus zu sprechen, sogar dazu aufzurufen. Einem, dessen Eltern aus Druck vom Judentum zum Protestantismus konvertiert sind, der zwei Weltkriege erlebt und selbst aufgrund seiner jüdischen Wurzeln nach England emigriert. Eine Spur von Antwort finde ich in dieser Woche in den Ostergeschichten. Auch hier begegnen mir Menschen, die schwere Schicksalsschläge erlebt haben. Eine Mutter, die ihr Kind verliert. Menschen, die ihre Hoffnung auf eine freie Zukunft nicht erfüllt sehen. Politischer Terror, dem man nicht entkommen kann.

Dem gegenüber sitzen zwei stille Zeugen der Auferstehung. Zwei Engel am Grab Jesu. Sie stehen für den Optimismus in der Welt, erzählen davon, dass es neben der Angst noch etwas gibt, das Hoffnung schenkt. Optimismus ist nicht der naive Glaube, alles Schlechte wäre nur erfunden, sondern darauf zu vertrauen, dass ich im Hinsehen auf das, was mir Angst macht, Möglichkeiten des Umgangs damit finde. Es geht nicht darum, das Schlechte ins gute Licht zu rücken, sondern Licht in die Dunkelheit zu bringen, um damit klar zu kommen. Wie schmerzhaft peinlich das sein kann, erlebt die Evangelische Kirche gerade.

Es sind Philosophen der Aufklärung, die diesen Ruf der Engel in der Gesellschaft wiederholt haben. Hinschauen. Licht ins Dunkle bringen und damit einen Weg der positiven Veränderung ermöglichen. Diesem optimistischen Glauben geben Christinnen und Christen in der ganzen Welt Ausdruck, wenn wir in diesen Tagen über Tod und Auferstehung sprechen. Vielleicht waren die Autoren der Evangelien ebenfalls wie Popper nie im Rheinland. Sonst hätten sie wohl über die Ostergeschichte geschrieben: „Et kütt wie et kütt, und et hätt noch immer jot jejange!”