Ist der Neusser Kaufhof noch zu retten? Wie sich SPD und CDU für den Erhalt einsetzen – Hoffnung aufs Weihnachtsgeschäft
Neuss · Es hat gerade mal zwei Jahre gedauert – und schon wiederholt sich die Geschichte: Der Konzern Galeria Karstadt Kaufhof hat erneut Insolvenz unter einem Schutzschirmverfahren angemeldet. Vorsichtige Hoffnung macht den Mitarbeitern der Warenhauskette die Ankündigung des Online-Händlers „buero.de“, 47 Galeria-Standorte übernehmen zu wollen – und auf seiner Liste ist auch Neuss zu finden.
„Es gibt mehrere Listen“, sagt Heike Waschelitz, Betriebsratsvorsitzende der Galeria Kaufhof in Neuss, „kein Haus kann sich sicher sein, außer der Flaggschiffe“. Sie rechnet mit einer Entscheidung im Januar, damit das Weihnachtsgeschäft möglichst ungetrübt stattfinden kann. Aber Waschelitz gibt sich kämpferisch: „Die Kundenfrequenz in Neuss ist gut. Wir haben schon einmal erfolgreich um den Erhalt gekämpft.“ 2020 hatte die Belegschaft Galeria und Stadt symbolisch zu Grabe getragen, die Schaufenster schwarz abgehängt. Jetzt denkt Waschelitz über Aktionen wie zum Beispiel einen Brief an die Politik nach. „Es geht um den Erhalt unserer Arbeitsplätze“, sagt sie, macht aber auch deutlich dass „wir ohne ein neues Konzept in zwei Jahren wieder in derselben Lage sind; das wäre ein Sterben auf Raten“.
Im Neusser Stadtrat haben die Parteien ihre Solidarität mit der Belegschaft der Galeria zum Ausdruck gebracht. Der SPD-Vorsitzende Sascha Karbowiak, der DGB-Vorsitzende Udo Fischer und der SPD-Bundestagsabgeordnete Daniel Rinkert trafen sich jetzt zum Austausch mit Vertretern des Betriebsrats der Kaufhof-Filiale und der Gewerkschaft ver.di. Die Politiker versprachen, sich für eine bessere Informationspolitik einzusetzen. „Es ist schwer nachvollziehbar, dass das Kaufhof-Management zwei Jahre nach dem letzten Insolvenzverfahren und knapp 680 Millionen Euro an Finanzhilfen des Bundes erneut über 40 Filialen schließen möchte“, kritisiert Rinkert. Dem Betriebsrat und den Mitarbeitern würden keinerlei Informationen vorliegen, wie es mit dem Standort in Neuss weiter gehe. „Und das, obwohl die Mitarbeiter dem Unternehmen bei dem letzten Insolvenzverfahren vor zwei Jahren stark entgegengekommen sind. Jeder Mitarbeiter hat damals nach Aussage des Betriebsrats auf über 5.000 Euro Gehalt pro Jahr verzichtet – da kann man zumindest einen besseren Informationsfluss erwarten“, so Rinkert. Er will jetzt bei Arbeitsminister Hubertus Heil in Berlin anklopfen, um weitere Informationen über das laufende Insolvenzverfahren zu bekommen.
Bei dem Gespräch in Neuss äußerte der Betriebsrat auch Kritik am Eigentümer René Benko. Die zugesagten Investitionen in die Kaufhof-Filialen seien größtenteils ausgeblieben – und auch das angebotene Sortiment sei in den vergangenen Jahren kaum geändert worden. „So wurde deutlich, dass die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter an den einzelnen Standorten mehr Freiheiten bei dem Sortiment wünschen“, erklärt Karbowiak. Denn in der Neusser Innenstadt gebe es andere Mitanbieter und Chancen als beispielsweise in Düsseldorf.
Gefreut haben sich Rinkert und Karbowiak über die Information, dass das Geschäft im Neusser Kaufhof offenbar nicht schlecht laufe. „Der Neusser Kaufhof ist solide aufgestellt und hat in den vergangenen Jahren trotz der schwierigen Unternehmenslage sogar häufig schwarze Zahlen geschrieben“, sagt Karbowiak. Einen Appell richten die beiden SPD-Politiker gemeinsam mit dem Betriebsrat an die Bürger: „Es wäre ein tolles Zeichen, wenn die Neusserinnen und Neusser in den kommenden Monaten zeigen, dass ihnen ihr Kaufhof am Herzen liegt.“ Denn ein gutes Weihnachtsgeschäft in Neuss erhöhe die Chancen, dass der Kaufhof erhalten bleibt.
Für den Erhalt hatte sich bei der ersten Konkurs-Runde vor zwei Jahren der CDU-Vorsitzende Jan-Philipp Büchler besonders stark gemacht: Er war seinerzeit das „politische Gesicht“ der Kaufhof-Rettung, hatte zahlreiche Gespräche geführt. Unter anderem auch mit den Eigentümern, „die mit ihrer Änderung des Mietvertrags maßgeblich zur Rettung beigetragen hatten, aber auch an ihre Schmerzgrenze gegangen sind“, glaubt Büchler, dass „jetzt vor allem andere bei der Rettung gefragt sind, insbesondere der mögliche Investor Markus Schön“. Er appelliert an die Verwaltung, sie solle prüfen, was sie proaktiv unternehmen könne, „um ihm in Neuss ein besonders förderndes und unterstützendes Handeln in der Verwaltung“ zu zeigen. „Die Stadtverwaltung muss sich so zeitnah und schnell wie möglich mit dem Investor in Verbindung setzen und zeigen, dass Neuss einer der besten Standorte für ihn ist.“
Im Neusser Rathaus hüllt man sich auf die Frage, ob bereits mit einem möglichen Investor gesprochen wurde, derzeit in Schweigen: „Selbstverständlich führen wir Gespräche mit allen Beteiligten. Wir setzen uns für den Erhalt der Arbeitsplätze ein“, so die kurze Stellungnahme des Stadtpressesprechers Marc Bohn. Rolf Retzlaff