Martin Flecken soll neuer Präsident des Neusser Bürger-Schützenvereins werden

In rund drei Monaten geht die Ära Thomas Nickel zu Ende. Neuer Schützenpräsident soll Martin Flecken werden, er steht bereits in den Startlöchern. Mit dem Stadt-Kurier sprach der Noch-Oberschützenmeister über seine Ziele, das Thema Frauen im Schützenwesen und seine Strategie.

Noch-Oberschützenmeister Martin Flecken.

Foto: Foto: Fotoatelier Bathe

Herr Flecken, dass Sie der neue Schützenpräsident werden, ist hochwahrscheinlich, ja im Grunde genommen schon sicher. Ihre Vorgänger hatten alle ihren eigenen Stil, eine bestimmte Handschrift. Wie wollen Sie es machen?

Der Präsident wirkt stets durch seine Persönlichkeit. Das war bei Hermann Wilhelm Thywissen, bei Herbert Brüster und Bertold Reinartz, aber auch bei Thomas Nickel so. Wichtig ist, dass egal an wen der Staffelstab gereicht wird, die Tradition und der Kern des Brauchtums erhalten bleiben. Sicher gibt es über die Jahre Anpassungen. So fährt die Königin seit 1989 in der Kutsche mit. Auch wurden die Korpsführer immer stärker bei Entscheidungsfindungen einbezogen — sicher auch ein Verdienst unseres aktuellen Präsidenten. Zuvor war das Komitee das ausschließliche Führungsgremium. Es ist sehr gut, dass dies ausgeweitet wurde, das werde ich beibehalten.

Wo Sie das Thema schon selbst angesprochen haben: Wie ist nun Ihre Position zum Thema Frauen im Schützenwesen? Bei der Zog-Zog-Versammlung gab es seitens des Bürgermeisters Breuer deutliche Kritik...

Was sicher nicht zur Debatte steht, ist die Frage, ob Frauen mitmarschieren dürfen. Da habe ich das Gefühl, dass die Äußerungen von Reiner Breuer teilweise falsch in der Bevölkerung angekommen sind. Was er klar herausstellte, ist die Tatsache, dass weibliche Hauptausschussmitglieder als Funktionsträger an der Zog-Zog-Versammlung teilnehmen sollten. Da stelle ich mir allerdings die Frage, ob wir überhaupt noch Hauptausschussmitglieder einladen sollten. Das wurde eingeführt, weil der Verein direkte Zuschüsse aus dem Stadtsäckel erhalten hatte, dies als Ausgleich für die Standgelder aus dem Kirmesplatz, die früher der Verein hatte und die vor Jahrzehnten an die Stadt übergingen. Diese Zuschüsse wurden vor rund zehn Jahren eingestellt. Sicher finanziert die Stadt, die durch das Fest auch beträchtliche Einnahmen generiert, noch bestimmte Posten. Dennoch sollte diese Überlegung in den Raum gestellt werden. Was eine mögliche hauptamtliche weibliche Bürgermeisterin betrifft, sollte darüber nachgedacht werden, wenn sich diese Frage stellt. Es gab ja schon Entwicklungen in der Richtung, zum Beispiel beim Frühstück am Schützenfestsonntag.

Ich frage noch einmal ganz konkret als Journalistin, die bei der Zog-Zog-Veranstaltung nur ihrer Arbeit nachgehen würde. Sehen Sie in diesem Punkt Möglichkeiten für Entwicklungen?

Ja, die sehe ich.

Werden denn in Zukunft weibliche Ehrengäste am Schützenfest teilnehmen können?

Diese Möglichkeit sehe ich derzeit nicht.

Seit wann stand für Sie innerlich fest, dass Sie in die Fußstapfen von Thomas Nickel treten würden?

Das ist eine gute Frage. Es war tatsächlich schon einmal vor sicher drei Jahren so weit, als die Möglichkeit bestand, dass Thomas Nickel Bürgermeister werden würde. In dem Falle wäre er von dem Amt zurückgetreten. Bereits zu diesem Zeitpunkt hatten wir im Komitee und mit den Korpsführern angedacht, dass ich für dieses Amt vorgeschlagen werden soll.

Wie läuft Ihr letztes Jahr als Nicht-Präsident ab und wie wird der Wechsel vollzogen? Sind Sie nach 17 Jahren im Komitee so souverän, dass Sie keine Vorbereitung brauchen oder arbeitet Nickel Sie bereits ein?

Nach Thomas Nickel bin ich das dienstälteste Mitglied des Komitees. Ich habe noch zwei Stunden unter seinem Vorgänger Reinartz erlebt und ansonsten seine gesamte Zeit als Präsident im Komitee mitverfolgt. Dennoch ist es in diesem Jahr so, dass ich von Nickel noch mehr eingebunden werde. Auch mache ich mir bei seinen Reden die eine oder andere zusätzliche Notiz, damit ich für das kommende Jahr gut vorbereitet bin.

Wo Sie gerade den Präsidenten Bertold Mathias Reinartz ansprechen: Wie kam es, dass seine Dienstzeit nur so kurz war?

Die Präsidentschaft hatte er nach dem Ausscheiden aus dem Bürgermeisteramt übernommen, zunächst hatte er auch Feuer für das Amt des Schützenpräsidenten, die Glut ließ aber wohl nach. Es gab auch einmal Kritik, dass er bei wichtigen Veranstaltungen gefehlt hatte. Das kam beispielsweise bei Hermann Wilhelm Thywissen auch schonmal vor, aber es gab zumindest immer eine Karte aus Garmisch Partenkirchen, die dann verlesen wurde.

Wie lang wollen Sie es denn machen?

Das Ende ist ja quasi schon absehbar. Ich bin 61 Jahre alt und laut Satzung sollte der Präsident mit 70 Jahren aufhören. Ich würde gern so lange machen, wie es geht und wie die Gesundheit es erlaubt. Ziel ist es in jedem Fall bis zum Jahr 2023 durchzuhalten. Das 200-jährige Bestehen unseres Vereins als Präsident erleben — das will ich mir nicht entgehen lassen. Und ich fände es auch schön im Jahr zuvor, 2022, wenn ich das 50. Mal aktiv dabei bin, an der Spitze des Komitees feiern zu können.

Jahr für Jahr jagt ein Rekord den nächsten. Ist die ständige Erweiterung des Regimentes für Sie erstrebenswert?

Da gibt es für uns in jedem Fall wichtigeres. Nicht die Quantität zählt, sondern die Qualität.

Eine naheliegende Frage wäre: Was macht das Schützenwesen aus. Was macht es aber eben nicht aus?

Das Bild des betrunkenen Schützen, das stimmt nicht mit dem überein, was wir repräsentieren. Natürlich wird gefeiert und auch das ein oder andere alkoholische Getränk getrunken. Dennoch werden auch Regeln und Traditionen eingehalten. Sicher gibt es immer Ausnahmen. Die Schützen sind eben ein Spiegelbild unserer Gesellschaft.

Wo wir bei diesem Thema sind: Wie geht es mit dem Wackelzug weiter?

Das ist kompliziert. Ich bin dafür, dass es weiterhin am Dienstagabend einen Zug für den neuen König gibt. Über die Form lässt sich sicher streiten. Ich wünsche mir manchmal, dass das disziplinierter vonstatten geht. Andere sind zufrieden mit der Form, wie sie jetzt ist. Ich muss dazu sagen, dass dieses Thema schon seit Ewigkeiten diskutiert und es immer Minderheiten geben wird, die sich gestört fühlen werden.

Schützenkönig Napp-Saarbourg sagte zuletzt selbst, dass das Schützenfest Kult sei. Was glauben Sie woran das liegt?

Es ist einfach ein riesiges Netzwerk, bei dem die Begeisterung wie von selbst überspringt. Auch meine vier Kinder sind voll dabei. Schon von der Jugend auf wachsen die Neusser in das Brauchtum rein — und nicht nur sie. Auch Menschen von außerhalb werden integriert. Der Funke springt sofort über.

Welche Ziele haben Sie sich für Ihre Zeit als Präsident gesteckt?

Ziel ist es, das Fest im Kern zu erhalten. Das Schützenwesen als Netzwerk gegenseitiger Unterstützung herauszustellen. Nicht der Eventcharakter soll dabei im Fokus stehen, auch wenn der sicher die Jugend lockt und ein Stück weit auch dazugehört. Herausragend ist aber, dass wir Schützen zusammenstehen und nicht nur die Männer — auch die Frauen und Töchter, eben die ganze Familie; wir leben das Neusser "wir-Gefühl".

Mit welcher Strategie wollen Sie das erreichen?

Durch die eigene Begeisterung, die ich für das Schützenwesen empfinde. Es ist ja tatsächlich so, dass nicht nur die Neusser dabei sind, sondern eben alle, deren Herz für unsere Stadt schlägt. Auch Menschen von außerhalb werden hervorragend eingebunden und integriert. Das ist der richtige Weg.

Wirtschaftlich erfindet sich der Verein gerade neu. Mit dem Schützenbräu haben Sie ein Produkt erfolgreich auf dem Markt etablieren können. Was ist für die Zukunft vorgesehen?

Wir wollen diese Strategie weiterverfolgen. Auf unseren Verein kommen immer weitere Kosten zu. Angefangen beim Aspekt Sicherheit bis hin zur Begrünung der Tribüne, die bisher vom Garten- und Friedhofsamt finanziert wurde. Das sind auf einen Schlag 20.000 Euro mehr, die bezahlt werden müssen. Das Schützenbräu war in diesem Jahr gut gefragt, darauf können wir aufbauen. Auch weitere Produkte sind in Planung.

Wir haben gerade eine Umfrage abgeschlossen, in der die Neusser abstimmen konnten, welcher Moment während der Festtage für sie der schönste ist. Auch wenn es Ihnen schwer fallen dürfte, wie würden Sie diese Frage beantworten?

Das ist in der Tat schwierig. Aber der Aufmarsch der Parade hat immer wieder was Erhebendes. Wenn einem der Duft der Tannenzweige schon entgegenströmt, kommt Freude auf. Genauso fiebere ich jedes Jahr dem Hochamt entgegen.

Schon im November werden Sie vermutlich Präsident sein. Wovor haben Sie den größten Respekt?

Etwas Bammel habe ich vor der Rede auf dem Markt. Wenn so viele Augen auf einen gerichtet sind und man so stark im Fokus steht, will man natürlich alles richtig machen.

Vielen Dank für das Gespräch!

Das Interview führten Thomas Broich, Rolf Retzlaff und Violetta Buciak

(Kurier-Verlag)