Neuss – bei Geldautomatensprengern beliebt: Neue Maßnahmen sind gefragt

Neuss · Ortstermin auf der Bergheimer Straße in Reuschenberg: Nachdem hier in der vergangenen Woche ein Geldautomat der Deutschen Bank in die Luft gesprengt wurde, machte sich der Neusser Landtagsabgeordnete Dr. Jörg Geerlings selbst ein Bild von der Situation. Er weiß: „Die Landesregierung muss und wird weiter in die innere Sicherheit investieren!“

Hier wurde ein Geldautomat gesprengt: Der Landtagsabgeordnete Dr. Jörg Geerlings machte sich vor Ort ein Bild und redete mit Betroffenen, unter anderem mit Manuel und Wilfried Schnock, den Betreibern des benachbarten Geschäftes.

Foto: Kurier Verlag/Rolf Retzlaff

„Aus betrieblichen Gründen vorübergehend geschlossen“ ist auf den am Holzverschlag befestigten Zetteln an der Bergheimer Straße zu lesen. Die Detonation am 4. Februar, gegen 2.23 Uhr, hat den Geldautomaten zerstört und die Räumlichkeiten stark beschädigt. Die Täter flohen ohne Beute. Zurück blieb ein Bild der Zerstörung; auch das Dekorationsgeschäft im Nachbargebäude wurde stark in Mitleidenschaft gezogen. „Ein Großteil der Ware wurde zerstört, die Fensterfassade wurde aus der Verankerung gerissen, Teile der Decke sind demoliert“, weiß Wilfried Schnock (68), der das Geschäft gemeinsam mit seinem Ehemann Manuel (23) führt, wegen Geschäftsaufgabe aber schon vor der Sprengung den Ausverkauf eingeleitet hatte. Jetzt sei der größte Teil seiner – nicht versicherten – Waren zerstört, das Ladenlokal nicht mehr nutzbar, betont er.

Ein Schicksalsschlag, verursacht von den Automatensprengern, die noch immer flüchtig sind. Gerade im Rhein-Kreis Neuss scheint die Masche mit der Brachialgewalt beliebt zu sein. Allein in Neuss gab es 2021 acht Automatensprengungen, in diesem Jahr jeweils eine in Dormagen, Rommerskirchen, Grevenbroich, Jüchen und – wie eingangs beschrieben – Reuschenberg.

„Die Täter kommen meistens aus den Niederlanden und nutzen das weit verzweigte Autobahnnetz zur Flucht“, weiß Geerlings sogar von einem „Trainingszentrum“ in Utrecht zu berichten: „Die Täter zeigen eine sehr hohe Kriminalität und große Professionalität.“ Als Fluchtauto nutzen sie gerne den Audi RS 6, der bis zu 250 km/h fahren kann. Die Elektronik der Fahrzeuge wird ausgebaut, um sich einer Überwachung zu entziehen. Meist sind die Täter unbewaffnet, um gegebenenfalls vor Gericht mit einem geringeren Strafmaß davonzukommen.

Die Täter gehen mit höchster Brutalität zur Sache: „Oft ist der Gebäudeschaden höher als der Wert des gestohlenen Geldes“, sagt Geerlings, „und so wird es für die Banken immer schwieriger, Flächen für Automaten zu finden, da die Vermieter das Risiko scheuen“. Zudem würden die Versicherungsprämien steigen – und für die Banken würde so die Aufstellung eines Automaten teurer werden. „Die Folge: Es gibt immer weniger Geldautomaten“, befürchtet der Landtagsabgeordnete immer weniger Kundenservice in den Ortsteilen. Ein Beispiel: Vor einigen Jahren gab es an der Düsseldorfer Straße im Barbaraviertel noch einen Geldautomaten; nachdem dieser mehrfach gesprengt wurde, wurde er abgebaut.

Geerlings setzt jetzt auf eine intensive Nachverfolgung der Täter und präventive Zusammenarbeit mit den Banken. Die eigens gegründete Ermittlungskommission „Heat“ des Landeskriminalamtes setzt unter anderem auf eine verstärkte Ermittlungsarbeit gemeinsam mit den Niederlanden, mehr Kontrollen auch auf den Autobahnen mit dem Ziel, eine Flucht zu verhindern sowie mehr Polizeipräsenz im Umfeld möglicher Tatorte. Auch sucht die Polizei die Zusammenarbeit mit Betreibern von Geldautomaten, um geeignete Sicherungs- und Überwachungsmaßnahmen zu vermitteln.

Geerlings verweist auf erste Erfolge: Im Herbst 2021 gelang deutschen und niederländischen Beamten ein Schlag gegen die Szene; 23 mutmaßliche Täter wurden identifiziert, ihnen werden bundesweit 15 Automatensprengungen vorgeworfen. Die Zahl der Sprengattacken auf Geldautomaten in NRW ist 2021 um 14 Prozent zurückgegangen – von 176 auf 151. Zudem blieb es in den meisten Fällen beim Versuch: 80 Mal zogen die Täter im vergangenen Jahr ohne Beute ab, weil die Panzerung standhielt.

Ganz wichtig ist und bleibt auch die Mithilfe aus der Bevölkerung: Wer etwas Verdächtiges beobachtet, sollte sich nicht scheuen, die Polizei unter Tel. 02131/30 00 anzurufen.

Rolf Retzlaff