Schützen-Präsident Martin Flecken im Interview mit dem Stadt-Kurier „Beflaggt die Straßen – Fahnen mit ihren Farben zeigen Gemeinsamkeit“
Neuss · Martin Flecken hat turbulente Zeiten hinter sich: Erst kam Corona mit seinen immensen Einschränkungen, dann musste in diesem Jahr die Frauen-Frage geklärt werden. Wobei ... – ist sie eigentlich endgültig geklärt? Was der Präsident des Neusser Bürger-Schützen-Vereins (NBSV) dazu meint und was er über Schützen und Landesgartenschau, Königskandidaten, Kostensteigerungen, Beflaggung und mehr zu sagen hat, lesen Sie im großen Stadt-Kurier-Interview:
Herr Flecken, nach dem Jubiläumsjahr des NBSV ist es doch bestimmt regelrecht entspannt, ein ganz normales Schützenfest zu organisieren …
Ja, nach den Jahren der Pandemie und des Jubiläums, auch vor einigen Monaten dem ausgleichenden Abschluss der Satzungsdiskussionen, freut man sich, ein ganz normales Schützenfest entspannt zu feiern; doch auch wenn wir seit 1823 in ähnlicher Weise feiern, eigentlich stellen sich regelmäßig und Jahr für Jahr gewisse neue Fragen und Herausforderungen.
Wahrscheinlich wird es ein ganz besonders sicheres Schützenfest, weil mit Christoph II. Heusgen ein prominenter König regiert?
Wir hoffen sehr, dass es ein sicheres Schützenfest wird, nicht wegen der anerkennenswerten Prominenz des Schützenkönigs; aber wenn der Chef der Münchner Sicherheitskonferenz und damit des weltweit führenden Forums für Debatten internationaler Sicherheitsfragen, das Vorschläge und Lösungen entwickelt und auf Austausch und Ausgleich bedacht ist, als Schützenkönig unser höchster Repräsentant ist, ist das auch eine Botschaft zum Schützenfest: Folgt dem, wofür er sich engagiert, feiert harmonisch, friedfertig und ohne jegliche Gefährdung der Sicherheit der Teilnehmenden und Besucher!
Die Verlegung des Feuerwerks auf den Freitag wird vom Vorjahr übernommen. Hat sich dieser Termin im vergangenen Jahr bewährt?
Die Verlegung des Feuerwerks hat sich sehr bewährt. Der Freitagabend vor dem Schützenfest ist eine Zeit, an der ganz viele Schützen und ihre Familien auf dem Rummelplatz sind und das Feuerwerk miterleben können, anders als am Dienstagabend, wenn parallel der sogenannte „Wackelzug“ läuft.
Wird es beim Schützenfest Einschränkungen aufgrund von Baustellen geben?
Wie fast stets haben wir im Blick auf die eigentliche Innenstadt und die Zugwege keine Baustellen; mit diesem Ziel kooperieren wir auch gut mit der Stadtverwaltung.
Ein Blick nach vorn: Wie wird 2025 das Schützenfest gefeiert? Ohne Festwiese oder steht sie weiter zur Verfügung?
Die Stadtverwaltung hat uns gegenüber schon in Zeiten der Bewerbung zur Landesgartenschau 2026 klargestellt, dass die Durchführung des Schützenfestes Priorität genießt. Das gilt nicht nur für 2026, das gilt auch und erst recht für 2025, auch wenn es gewisse Modifikationen an der Festwiese, die aber jedenfalls zur Verfügung steht, geben kann. Und wir sind in stetigen Gesprächen, um Einzelheiten abzustimmen.
Dann sind wir im Jahr 2026, dem Jahr der Landesgartenschau: Wie werden sich die Schützen hieran beteiligen?
Hierzu werden Einzelheiten noch abgesprochen. Doch klar ist, die Schützen werden sich beteiligen. Das Schützenfest ist ja auch ein Fest, das Blumen und Floristik widerspiegelt, sei es im Kleinen durch die friedvollen Sträußchen in den Gewehrläufen, sei es durch die Blümchen, die Frauen und Kinder ihren Männern und Vätern bringen, sei es erst recht durch die Pracht der edlen Blumenhörner der Hönesse, sei es durch die duftende Tannengrün-Dekoration der Tribünen, sei es durch die vielen Blumen, die sonst im Schützenfest zu Frühstücken, Einladungen und Bällen verschenkt werden. – Und die Schützen werden 2026 wohl auch häufiger schon vor dem Fest auf der Festwiese sein. Vom Frühjahr bis zum Herbst steht auf der Wiese ein besonderes Zelt zur Landesgartenschau; das können wir dann, da 2026 zeitlich parallel die Stadthalle wegen notwendiger Sanierungsmaßnahmen nicht zur Verfügung steht, zum Beispiel zu den Vorabenden 2026 nutzen. Wir hoffen aber auch sehr und vertrauen darauf, dass die Stadthalle 2027 für die Traditionsveranstaltungen vor dem Obertor wieder rechtzeitig zur Verfügung steht.
Und in den Jahren ab 2027 wird das Feiern im neuen Bürgerpark umso schöner?
Ja! Da gehe ich von aus, dass das Feiern der Tage nach Bartholomäus auf der Festwiese ab 2027 einen neuen Charme und Glanz hat.
Im vergangenen Jahr hat der NBSV rund 1,2 Millionen Euro für das Schützenfest ausgegeben – eine Kostensteigerung im Vergleich zu 2022. Wird der NBSV diesmal noch mehr Geld in die Hand nehmen müssen?
Natürlich hatten wir im vergangenen Jahr gewisse Sonderausgaben wegen des Jubiläums. Doch leider muss man von stetigen Kostensteigerungen ausgehen, wenn ohnehin alles teurer wird.
Was sind die größten „Kostentreiber“?
Das sind vor allem die Kosten für die Musik, auch für die Sicherheit und immer wieder auch Mieten.
Wie kann der NBSV Einnahmen generieren?
Wir sind unserem Hauptsponsor, den Stadtwerken Neuss, für die stetige Unterstützung sehr dankbar, ebenso allen anderen Unterstützern. Wir verstärken aber auch das Sponsoring und rufen vermehrt zu Spenden auf.
Wie kann gespart werden?
Wir haben einige Positionen, zu denen wir Einsparungen vorgenommen haben. Ausgaben deckeln ist aber dann, wenn alles teurer wird, schwierig, es sei denn, man macht Abstriche am Programm und Profil des Festes. Das will kaum einer, wie uns auch Gespräche mit den Korpsführern deutlich machen, mit denen wir uns in einem gemeinsamen Prozess zu den Fragen der Finanzen auch weiterhin austauschen.
Ist die Zahl der Musiker gesunken? In den vergangenen Jahren gab es ja leider immer wieder Meldungen, dass sich Kapellen aus Mangel an Musikern aufgelöst haben.
Wir haben 2024 ein Plus an Schützen, wir haben 2024 ein Plus an Musikern.
Die Mitgliederzahlen beim NBSV sind leicht gestiegen. Gibt es denn bereits viele Anmeldungen von Frauen, die ja jetzt ordentliches Mitglied werden dürfen?
Die Satzungsänderung tritt Mitte 2025 in Kraft, dann gehen wir von vermehrten Anmeldungen von Frauen aus.
Glauben Sie an eine mittelfristige „Machtübernahme“ der Frauen? Immerhin könnten sie mit einer Zweidrittel-Mehrheit die Satzung des NBSV ändern …
Nein, an eine Machtübernahme durch Frauen glaube ich nicht, auch wenn es natürlich richtig ist, dass eine Zweidrittel-Mehrheit die Satzung ändern kann.
Wie ist Ihr persönlicher Eindruck: Sind die meisten Frauen mit der Rolle der Rösken zufrieden oder streben sie eher zum Mitmarschieren in Uniform? Wie wird sich die Rolle der Frau im Schützenwesen weiterentwickeln?
Die Rolle der Frau im Schützenwesen hat sich schon immer weiter entwickelt, man kann es in unserer Geschichte nachlesen. – Dat Röske oder die Röskes sind nach meiner Kenntnis die stolzen und „liebreizenden Neusser Mädchen“ und Frauen, also auch und erst recht solche, die stets von Herzen das Schützenfest mitgefeiert und genossen haben und sich überhaupt nicht ausgeschlossen fühlen. Die Vokabel hat nichts mit einer Wertung zu tun, Rösken seien die, die quasi vor ihren Männern kuschen und von ihnen eingeschränkt werden. – Und: Die ganz meisten Neusser Frauen streben nach dem, was ich höre und erlebe, nicht zum uniformen aktiven Mitmarschieren.
Der Schuss auf den Königsvogel ist vorerst den Männern vorbehalten. Mit Bert Römgens und Klaus Ehren gibt es bereits zwei Bewerber. Ein Wettstreit ist also schon mal sicher. Wie kommt es, dass bei zahlreichen Schützenfesten in der Region um „Königskandidaten“ gerungen werden muss, in Neuss aber fast immer mehrere Bewerber an die Vogelstange treten?
In einem Lied singen wir, dass unser Fest in seiner Art der Feste Kron sei – und rar; das war nicht nur in altersgrauer Vorzeit so, das ist heute erst recht so; das Fest hat sein unverwechselbares und einzigartiges Profil und ist kein Event, das man überall finden kann. Das hat Anziehungskraft, auf Schützen – denn anders als anderswo haben wir ja auch keine Nachwuchssorgen – und auf Königsbewerber, auch wenn wir ja schon Jahre mit Einzelbewerbern hatten. Das Fest hat Renommee, das Renommee strahlt auch auf den Schützenkönig aus.
Ganz Neuss freut sich aufs Schützenfest. Im vergangenen Jahr hatten Sie die Bürger zu einer festlichen Beflaggung ihrer Straßen und Häuser aufgerufen. Waren Sie mit der Resonanz zufrieden? Warum – meinen Sie – sollten die Neusser für reichlich Fahnenschmuck sorgen?
In dem Punkt bin ich nie ganz zufrieden, es kann immer mehr und besser werden. Daher appelliere ich auch in diesem Jahr an Bürgerinnen und Bürger, schmückt und beflaggt Eure Häuser und Straßen. Fahnen mit ihren Farben zeigen Gemeinsamkeit und das Zusammenstehen an, wir kennen das besonders aus Zeiten von Fußball-Europa- und Weltmeisterschaften. Reichlich Neusser Fahnenschmuck demonstriert Neusser Zusammenhalt, wir schützen Neuss! Daher bin ich auch – vielleicht altmodisch – dafür, möglichst primär die Neusser Stadtfarben mit Wappen zu hissen, gerne dann daneben auch Korpsfahnen oder Zugfahnen.
Ich wünsche uns allen ein prächtiges, farbenfrohes, friedvolles und unvergessliches Schützenfest: schöne Kirmes!
Das wünscht auch das gesamte Team des Stadt-Kuriers allen Schützen, Bürgern und Gästen! Wir sehen uns an den Festtagen!
Die Fragen stellte Rolf Retzlaff.