Das Schützenkönigspaar Christoph II. und Ina Heusgen im großen Interview Vom internationalen Parkett auf die Bohlen der Festzelte gewechselt

Neuss · Sie bewegen sich auf internationalem Parkett ebenso sicher wie auf den traditionsreichen Bohlen des Neusser Festzeltes: Das Diplomaten- und Schützenkönigs-Ehepaar Dr. Christoph II. und Ina Heusgen fiebert dem Höhepunkt seines Regentschaftsjahres entgegen. Kurz vor Schützenfest traf sich Stadt-Kurier-Redakteur Rolf Retzlaff mit den beiden Majestäten in ihrer Residenz auf der Tückingstraße. Im lockeren Plausch ging es um Angela Merkel und ihre „Last“ mit dem Neusser Schützenfest, um die Hut- und die Frauen-Frage, um „Gemeinsamkeit wahren“, die Fortentwicklung der Tradition und vieles mehr. Schnell wurde deutlich: Christoph Heusgen ist mit Leib und Seele Neusser Schütze – auch wenn der Vorsitzende der Münchner Sicherheitskonferenz (MSC) „in der Welt zuhause“ ist.

 Schützenkönig Christoph II. Heusgen und Schützenkönigin Ina Heusgen. Foto: NBSV

Schützenkönig Christoph II. Heusgen und Schützenkönigin Ina Heusgen. Foto: NBSV

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Herr Heusgen, wann ist Ihre Aufregung größer – kurz vor der Eröffnung der Münchner Sicherheitskonferenz oder vor Ihrer Rede beim Königsehrenabend?

Christoph Heusgen: Das sind zwei völlig verschiedene Veranstaltungen, aber dennoch vergleichbar. Bei der einen gibt es die außenpolitische Community, die miteinander vertraut ist. Wenn ich vor der Gemeinschaft der Schützen stehe und rede, habe ich ein Ziel: Die Schützen sollen sagen, dass es sich gelohnt hat, in die Stadthalle zu kommen. Da wird darauf geachtet, was der Schützenkönig sagt. Der Druck ist hoch, wie auch bei der MSC, bei der auch auf jedes Wort geachtet wird.

Sie wirken in der großen Weltpolitik mit, bewegen sich auf internationalem politischen Parkett, waren einige Jahre Berater von Kanzlerin Merkel; ist da die Königswürde für Sie noch etwas Besonderes?

Christoph Heusgen: Ich bin seit 53 Jahren Schütze und weiß, wie einzigartig es ist, Neusser Schützenkönig zu sein. Das ist die Verwirklichung meines Lebenstraums. Ich neige nicht zur Übertreibung, aber ich sehe die Ausübung dieses hohen Amtes als einen der Höhepunkte meines Lebens an.

 Riesenjubel: Christoph Heusgen wurde nach dem Königsvogelschuss von seinen Zugkameraden über die Festwiese getragen.

Riesenjubel: Christoph Heusgen wurde nach dem Königsvogelschuss von seinen Zugkameraden über die Festwiese getragen.

Foto: Kurier-Verlag/Thomas Broich

Können Sie Erfahrungen vom politischen Parkett mit ins Schützenfest einbringen?

Christoph Heusgen: Es ist eher umgekehrt. Ich habe einiges aus dem Zusammensein mit der großen Schützenfamilie ins diplomatische Leben mitgenommen, zum Beispiel, wie wichtig persönliche Beziehungen sind. Sie helfen auch in der Außenpolitik, Probleme zu lösen.

Wo wir eben schon Frau Merkel ins Spiel gebracht haben: Würde sie nicht auch mal gerne beim Neusser Schützenfest mitmarschieren?

Christoph Heusgen: Ich kenne sie gut, habe mehr als zwölf Jahre mit ihr gearbeitet, sie hat einen weltweit einzigartigen Ruf. Ich glaube aber nicht, dass diese Welten zusammenfinden könnten (schmunzelt).

Dennoch hat sie sich im Laufe ihrer Amtszeit immer wieder mit dem Neusser Bürger-Schützenfest auseinandersetzen müssen ...

Christoph Heusgen: Ja, sie hatte eine eher kritische Einstellung zum Schützenfest, da an diesen Tagen einige Mitarbeiter aus ihrem Umfeld nicht zur Verfügung standen, weil sie in Neuss feierten. Aber sie hat letztlich mit dem Schützenfest ihren Frieden gemacht: Kurz nach dem Königsvogelschuss hat sie mir per SMS einen Glückwunsch geschickt.

Da dürfte sie nicht die Einzige gewesen sein ...

Christoph Heusgen: Es stand halt auch in der überregionalen Presse, dass ich Neusser Schützenkönig geworden bin. Sehr viele Gratulanten hatten ihre Glückwünsche allerdings auch mit Fragezeichen versehen, weil sie nicht wussten, was das Amt eigentlich bedeutet.

Ina Heusgen: Es ist Kollegen und Freunden aus dem internationalen Bereich auch nicht ganz leicht zu erklären. Wie übersetzt man zum Beispiel Schützenfest oder Schützenkönig? (lacht)

Christoph Heusgen: Ich erinnere mich an eine Szene, als Ministerpräsident Hendrik Wüst als Gast auf der Münchner Sicherheitskonferenz zwischen dem norwegischen Premierminister und dem Präsidenten Guatemalas saß und ihnen versuchte zu erklären, dass ich nicht nur Vorsitzender der MSC, sondern auch Neusser Schützenkönig bin. Ich glaube, der eine hielt mich dann für so etwas wie einen Wikinger, der andere für eine Art Tupamaro ... (lacht)

Wenn schon Frau Merkel nicht mitmarschiert: Wie stehen Sie zur Rolle der Frau im Neusser Schützenwesen? Reicht die ordentliche Mitgliedschaft oder muss da mehr kommen?

Ina Heusgen: Ich finde die Debatte berechtigt. Frauen, die mit einem Schützen liiert sind, sind voll ins Schützenwesen eingebunden, aber andere Frauen sind außen vor, selbst wenn sie in Neuss aufgewachsen sind. Veränderungen müssen sich aber entwickeln. Man kann nicht sehr alte Traditionen von heute auf morgen über den Haufen werfen, das verstört viele Menschen. Eine Fortentwicklung der Tradition ist allerdings aus meiner Sicht richtig. Aber das muss langsam erfolgen, so dass man auch beobachten kann, ob sie die Erwartungen erfüllt oder irgendwelche Probleme aufwirft.

 Der Schützenkönig als Diplomat im Gespräch mit der US-Vizepräsidentin Kamala Harris.

Der Schützenkönig als Diplomat im Gespräch mit der US-Vizepräsidentin Kamala Harris.

Foto: NBSV

Und was sagt der König zur Frauen-Frage?

Christoph Heusgen: Das Schützenfest ist ein kulturelles Gut, das so erhalten werden muss, allerdings sollte es sich langfristig ändern. Die Kinderparade im vergangenen Jahr (hier zogen Jungen und Mädchen mit, Anmerkung der Redaktion) war ein voller Erfolg, bei meinen Besuchen in Neusser Grundschulen habe ich miterlebt, wie die Kinder gemeinsam Schützenfest spielen. Ich kann mir gut vorstellen, dass es irgendwann tatsächlich ein Frauen-Korps geben wird. Man wird sehen, wie stark die Beteiligung der Frauen bei der nächsten Jahreshauptversammlung ist und kann daraus Rückschlüsse ziehen.

Wie haben Sie beide das bisherige Königsjahr erlebt?

Ina Heusgen: Der Auftakt war wunderschön! Ich war beim Krönungsabend und -ball ganz hingerissen davon, mit welcher Festlichkeit und Freude die Menschen bis 4 Uhr morgens mit uns gefeiert haben.

Christoph Heusgen: Wir leben in Berlin und haben kleine Kinder, aber ich bin so häufig wie nur möglich nach Neuss gekommen. Ich habe jetzt eine Platin-Bahncard (schmunzelt). Aber ich habe mich stets auf die jeweilige Veranstaltung gefreut. Es war nie Last, sondern stets Freude. Ich bin sowieso gerne in Neuss, und in Schützenkreisen zu sein, ist wunderbar! Die Begeisterung der Schützen übertraf meine Erwartungen. Das gilt für alle Korps – bei jedem spielt der Schützenkönig eine wichtige Rolle.

Frau Heusgen, wie haben Sie denn reagiert, als Ihr Mann Ihnen offenbart hatte, Schützenkönig werden zu wollen?

Ina Heusgen: Das weiß ich schon seit Jahren, diesen Wunsch hat er mit in die Ehe gebracht. Dann war es gut, dass er diesen Wunsch in die Tat umgesetzt hat.

 Seine Majestät Christoph II. Heusgen und Königin Ina in der Königskutsche.

Seine Majestät Christoph II. Heusgen und Königin Ina in der Königskutsche.

Foto: NBSV

Und wann begann der „königliche Stress“ für Sie?

Ina Heusgen: Der größte Stressfaktor war die Klärung der Kleider- und Hutfrage (lacht)! Ich habe Rat zu Konventionen und Erwartungen bekommen, aber auch den, meinen eigenen Stil und Akzent zu wahren.

Und wie ist Ihr eigener Stil?

Ina Heusgen: Normalerweise eher klassisch. Für das Schützenfest habe ich aber versucht, die Garderobe maximal festlich zu gestalten – und mit dem Hut „den Vogel abzuschießen“ (lacht).

Christoph Heusgen: So viel sei verraten: Wenn meine Frau auf dem Rathausbalkon steht, wird sie als Schützenkönigin zu erkennen sein ...

Gab es einen besonderen Anlass, auf den Königsvogel zu schießen?

Christoph Heusgen: Seit dem ersten Jahr als Schütze war dies mein Ziel. Aber erst klappte es aus beruflichen Gründen nicht, dann traf uns der schlimmste Schicksalsschlag – der Tod unserer fünfjährigen Tochter. Wir haben großes Glück gehabt, dass wir es geschafft haben, trotzdem noch einmal nach vorne zu blicken und so auch noch dieses Vorhaben wieder aufgreifen zu können.

Und bei Ihrem Zug „Nur so“ sind Sie in erfahrenen Händen.

Christoph Heusgen: Meine Zugkameraden Karl-Theo Reinhart und Achim Goetz waren bereits König, jetzt hält der Zug auch das dritte Königsjahr gemeinsam durch, bevor wir alle über 70 sind (lacht). Sie betreuen mich als König, bauen eine Großfackel und organisieren Veranstaltungen in unserer Residenz mit. Ich freue mich über die mehr als 50 Jahre währende tolle Gemeinschaft.

 Schützenkönig Christoph II. Heusgen ganz privat im Urlaub mit der Familie (Ehefrau Ina, Tochter Leah und Sohn Moritz).

Schützenkönig Christoph II. Heusgen ganz privat im Urlaub mit der Familie (Ehefrau Ina, Tochter Leah und Sohn Moritz).

Foto: NBSV

Apropos Residenz: Sie „halten Hof“ an der Tückingstraße 6 ...,

Christoph Heusgen: ... dem Haus meiner Schwester Regina Heusgen. Es ist ein Riesenglück, dass wir hier mit unserer ganzen Familie untergebracht sind. Und auch der Gemeinschaft auf der Tückingstraße tut das gut. Wir wollen jetzt eine Initiative starten, damit der Umzug künftig wieder – wie schon vor zehn Jahren – über die Tückingstraße zieht, auch wenn ich nicht mehr Schützenkönig bin.

In Ihrem Königsjahr unterstützen Sie die beiden Vereine „Schützen gegen Krebs“ und „Neuss hilft“.

Christoph Heusgen: Ich hatte im Stadt-Kurier ein Interview gelesen, in dem die damalige Schützenkönigin, Jutta Hillen, ihrer Hoffnung Ausdruck verliehen hatte, dass „Schützen gegen Krebs“ von der neuen Majestät weiter unterstützt wird. Das mache ich sehr gerne. „Neuss hilft“ passt zu meiner Frau und mir, wir sind beide Diplomaten. Der Verein unterstützt Ukrainer in Neuss und in ihrer Heimat. Und bei meiner Rede am Königsehrenabend habe ich deutlich gemacht: Wir dürfen die Ukraine nicht im Stich lassen!

Das passt auch zu Ihrem Motto, unter das Sie Ihr Königsjahr gestellt haben.

Christoph Heusgen: „Gemeinsamkeit wahren“ lautet das Motto. Das haben die Schützen zum Beispiel bei der Demonstration gegen Rechtsextremismus auf dem Markt gezeigt; genauso wie beim Benefizkonzert, das Oberst Bernd Herten und ich ausgerichtet haben. Aber auch im Kleinen gibt es viele Beispiele.

Haben Sie sich schon überlegt, wen Sie mit Ihrem Königsgeschenk überraschen?

Christoph Heusgen: Ich habe gehört, dass die Stadt nicht immer froh ist über die Königsgeschenke, weil häufig Folgekosten entstehen. Ich werde das Regiment als Kern des Schützenfestes beschenken. Ich liebe die kleinen Korps und habe mir die Artillerie ausgesucht: Sie erhält neue Schabracken, also Decken für ihre Pferde, die unter anderem die Kanone ziehen. Die Kanone steht symbolisch für die Verteidigung der Heimatstadt – und das passt prima zu den Schützen.

Jetzt naht der Höhepunkt Ihres Regentschaftsjahres. Woran erinnern Sie sich besonders gerne?

Der gewaltigste Moment war, als der Königsvogel fiel. Auch der Krönungsumzug und -ball waren absolute Highlights. Aber im Grunde war jede Veranstaltung schön, wie zum Beispiel das Benefizkonzert in der Marienkirche oder das Beiern im Quirinusmünster. Ich bin überwältigt vom Wunsch vieler Schützen, gestaltend teilzunehmen; es ist toll, wie die Schützen-Gemeinschaft sich engagiert.

Jetzt trifft sich die Schützengemeinschaft zum Feiern, Netzwerken und mehr. Und ganz Neuss ist dabei. Die Neusser Bürger wissen: Ohne Schützen und ihren König wäre das Leben in Neuss weniger lebens- und liebenswert. Frau und Herr Heusgen, ich danke Ihnen für das Gespräch. Wir sehen uns auf der Festwiese, dem Kirmesplatz oder auf der Rollmopsmeile!

Das Gespräch führte Rolf Retzlaff.