Elfjähriger Neffe tot+++Angeklagter will Rot gesehen haben Onkel gibt grausame Tat zu: Auftakt zum traurigsten Prozess des Jahres
Neuss · Erschütternde Szenen im Gerichtssaal. Auf der Anklagebank sitzt Sven F., der verdächtigt wird, seinen elfjährigen Neffen so misshandelt zu haben, dass er unter den Folgen der Verletzungen verstarb. Wenige Meter weiter schlägt die Mutter des Jungen weinend die Hände über den Kopf, als sie die grausamen Details der Tat hört.
Sven F. versteckt sich hinter einer Mappe, als Pressevertreter die Kameras auf ihn halten und ein Blitzlichtgewitter losgeht. Der kräftig gebaute Mann trägt ein schwarzes Sweatshirt, hat dunkle Augenringe und starrt auf den Tisch, während der Staatsanwalt die Anklageschrift verliest. Im Publikum — viele Verwandte und Freunde waren beim ersten Prozesstag anwesend — macht sich Entsetzen breit.
Dem Angeklagten wird vorgeworfen, am Vormittag des 5. Oktober seinem elfjährigen Neffen im Badezimmer aus Wut einen solch kraftvollen Schlag gegen den Kopf versetzt zu haben, dass der Junge rücklings in die Badewanne stürzte. Dann soll er, angeblich um das Kind zu wecken, diesem so heißes Wasser über den Kopf gegossen haben, dass der Elfjährige schwere Verbrühungen erlitt. Auch das gibt der Angeklagte zu. Obwohl der 41-Jährige erkannt habe, dass der Junge sich in einem kritischen Zustand befand, soll er anschließend kaltes Wasser in die Badewanne eingelassen und den Jungen seinem Schicksal überlassen haben.
Als später die Ehefrau des Angeklagten nach Hause zurückkehrte und sich nach dem Neffen erkundigte, soll der Angeklagte nachgeschaut und das völlig ausgekühlte Kind ohne Herzschlag in der Badewanne gefunden und es für sicher tot gehalten haben. Gleichwohl soll er — pro forma — mit der Laienreanimation begonnen und die Rettung verständigt haben. Tatsächlich konnte bei dem Kind nach erheblichen Reanimationsbemühungen durch die Rettungskräfte zunächst wieder ein eigener Kreislauf hergestellt werden. Der Junge soll durch den Schlag jedoch eine massive, akut lebensbedrohliche Hirnschwellung erlitten haben. Als die lebenserhaltenden intensivmedizinischen Maßnahmen am 17. Oktober letztlich eingestellt wurden, verstarb der Junge unmittelbar.
Das Motiv des Angeklagten war Wut auf den Elfjährigen. Dieser habe sich geweigert, unter die Dusche zu gehen. Der Junge soll seinen Onkel verhöhnt haben, indem er auf die Toilette stieg und sich über den Angeklagten lustig machte — so schildert es die Anwältin des Angeklagten. Dann habe der Mandant "Rot gesehen". Er habe das Kind aber keinesfalls umbringen wollen.
Der 41-Jährige soll aus schweren familiären Verhältnissen kommen. Als Kind soll er regelmäßig von seinem Vater mit Teppichklopfer und Gürtelschnalle geschlagen worden sein. Die Narben aus diesen Taten versuchte F. später mit Tätowierungen zu verdecken. Nie will er die Hand gegen eines seiner sechs Kinder erhoben haben. Stattdessen sei er streng und gerecht mit ihnen umgegangen und sei stets bemüht gewesen, keines zu bevorzugen. Später soll F. seinen Neffen, der vorher bei seinen Großeltern lebte, bei sich aufgenommen haben. Auch um ihn dort aus den "schockierenden und nicht kindgerechten Verhältnissen rauszuholen." Der Elfjährige soll froh darüber gewesen sein und wollte laut Angeklagtem gar nicht mehr aus der neuen Umgebung weg. Jedoch sei er schon immer aufmüpfig gewesen und habe sich nicht an die Regeln gehalten.
Während dieser Schilderungen protestierte die anwesende Mutter des toten Jungen immer wieder, machte deutlich, dass sie ihrem Bruder — dem Angeklagten — keinen Glauben schenke. Nach der Verlesung dieser Erklärung endete der erste Prozesstag gegen den 41-Jährigen.