Kapelle im „Etienne“ nach drei Jahren Pandemie wieder für alle offen: Seelsorgeteam zieht Bilanz Wie der Glaube hilft, auch schwere Zeiten zu überstehen

Neuss · Dass in einer Kapelle Stille herrscht, ist nicht ungewöhnlich. In den vergangenen Jahren war es in dem Gotteshaus des Johanna Etienne Krankenhauses aber noch stiller als sonst – sie war wegen Corona nur noch für Patienten und deren Angehörige geöffnet.

Ab Februar empfängt das Seelsorge-Team im „Etienne“ wieder Gläubige von außerhalb in der Kapelle.

Foto: St. Augustinus Gruppe

Das soll sich jetzt wieder ändern: Ab Februar, nach fast drei Jahren Pandemie, können auch wieder Menschen von außerhalb die beliebte Sonntagsmesse um 8.30 Uhr besuchen – mit einem negativen Selbsttest und FFP2-Maske. Nachdem Corona fast in allen Bereichen kaum noch Thema ist, kehren mit den Kliniken nun auch die letzten Einrichtungen schrittweise zur Normalität zurück. Doch was ist aus der Pandemiezeit geblieben? Und wie hat der Glaube geholfen, diese schweren Zeiten zu überstehen? Das Seelsorgeteam des Etienne zieht eine Bilanz.

Ein Dutzend Kerzen brennen neben dem Altar. „Es kommen auch Mitarbeitende her, die eine Kerze anzünden und beten“, sagt Jürgen Laß, katholischer Pfarrer und Krankenhausseelsorger. „Hier finden sie Ruhe und entkommen für einen Moment der Hektik im Krankenhaus.“ Neben ihm zählen die evangelische Pfarrerin Susanne Schneiders-Kuban und Ordensfrau Schwester Amala zum Seelsorgeteam. Genau wie die Pflegefachkräfte und Mediziner waren auch die Geistlichen während der Corona-Hochzeiten permanent gefordert und im Einsatz. Auf einen Schlag war so vieles anders als zuvor. „In unserer Sonntagsmesse waren vor der Pandemie um die 60 Besucher, die aus dem Haus, aber auch von außerhalb kamen.“ In den vergangenen Jahren waren mal drei, mal vier, manchmal überhaupt keine Besucher in der Messe. „Dann haben wir mit unseren bis zu 18 Ordensschwestern gebetet. Es war eine intensive Zeit – gerade zu Beginn“, sagt der 55-Jährige. Er erinnert sich noch genau, wie er den ersten Coronapatienten auf der Isolationsstation besucht hat, um ihm das Sakrament der Krankensalbung zu spenden: „Beim Anlegen der Schutzkleidung habe ich mich gar nicht gut angestellt. Und da merkte ich, dass ich Angst hatte, die ich versuchte zu unterdrücken. Denn schließlich war das Virus noch unbekannt, und ich hatte schon einige Menschen erlebt, die schwer daran erkrankt waren.“ Ein Rückzug kam für ihn aber nicht infrage: „Es war selbstverständlich, dass wir die Patienten nicht allein lassen würden.“ Insbesondere in den Zeiten mit gesetzlichen Besuchsverboten hat sich der Dienst des Seelsorge-Teams verändert. „Zum einen haben wir ‚stellvertretende Besuche‘ gemacht und uns bemüht, dass besonders ältere oder sterbende Menschen nicht allein waren. Da kamen einige Anrufe von Angehörigen mit der Bitte, einen Besuch abzustatten oder wenigstens Grüße auszurichten. Zum anderen fehlten aber oft die Angehörigen vor Ort, die uns sonst auf einen Patienten hinweisen. Aufgrund der besonderen Belastung war das auch den Mitarbeitenden nicht immer möglich“, erklärt der Pfarrer. Dass die Geistlichen gebraucht wurden, spürten sie tagtäglich. „Das merken wir immer wieder, wenn wir einen Patienten im Mehrbettzimmer besuchen und dann feststellen, dass auch die Bettnachbarn Redebedarf haben“, berichtet Sr. Amala. „Wir nehmen uns natürlich für Jeden Zeit, egal welchen Glauben der Mensch hat und ob er überhaupt religiös ist.“ Dabei stellen die Geistlichen fest, dass es oft einen Unterschied macht, ob der Patient gläubig ist oder nicht. „Religiöse Menschen haben meist weniger Probleme, ihre Situation zu akzeptieren und finden Halt im Glauben. Sie haben eine höhere Widerstandskraft“, erklärt die 54-Jährige. „Hinzu kommt durch die Gemeinde und die sozialen Kontakte dort ein Netz, das genau in Krisenzeiten besonders tragfähig ist“, sagt Pfarrer Laß. „Das Vertrauen auf Gott führt zu einer inneren Gelassenheit, macht einem vielleicht das Loslassen einfacher“, so der Geistliche. Nichtsdestotrotz gebe es Situationen, in denen sich auch ihm der Sinn nicht erschließe. „Wenn ich erlebe, wie Kinder am Sterbebett ihres Vaters trauern, oder nahestehende Angehörige erleben müssen, dass ihre Liebsten durch einen Unfall plötzlich aus dem Leben gerissen werden, nimmt mich das natürlich mit. Da leide ich auch mit“, gibt der Pfarrer zu. „In solchen unerträglichen und oft turbulenten Situationen ist es auch unsere Aufgabe, Ruhe reinzubringen und eine Situation zu schaffen, die einen Abschied möglich macht.“ Es gibt auch berührende Momente, die Zuversicht geben. Zum Beispiel, wenn während einer Krankensalbung die Bettnachbarn mitbeten und dadurch eine ganz besondere Stimmung entsteht. Oder wenn das bloße Zuhören der Geistlichen den Patienten geholfen hat. „Per Telefon sind wir übrigens auch nach dem Krankenhausaufenthalt erreichbar. Immer“, verspricht Pfarrer Laß und entzündet neben dem Altar eine weitere Kerze.