Integration im Rhein-Kreis Neuss „Den Kulturrucksack nicht einfach an der Landesgrenze austauschen“
Neuss/Kaarst · Die Integrationslotsin Bouchra El Maazi hat selbst einen Migrationshintergrund, in Deutschland wuchs sie in einem sozialen Brennpunkt auf. Wenn sie von Integration spricht, nutzt sie gerne einen bildhaften Vergleich: „Der Migrant kommt mit einem Kulturrucksack mit all seinen Werten, die ihn als Person ausmachen, nach Deutschland. Viele Politiker hätten gerne, dass er seinen Rucksack gegen einen deutschen Kulturrucksack austauscht. Das funktioniert einfach nicht.“
Der Migrant müsse seinen eigenen Rucksack mitnehmen und die Werte der Situation angepasst mischen. „So sollten die Gesetze und Normen des Herkunftslandes bildlich gesprochen gegen das deutsche Gesetzbuch ausgetauscht werden“, sagt El Maazi, „es gibt hier kein ,...entweder, oder...‘, sondern nur ein ,...und...’“ Dabei macht sie aber auch deutlich, dass Kriminelle konsequent bestraft werden sollten. „Das dient zur Abschreckung und der Schaffung von Respekt vor den staatlichen Einrichtungen“, so El Maazi. Es müsse konsequent, aber auch präventiv gegen Gewalt und Kriminalität vorgegangen werden. Doch sie warnt vor einer Generalverurteilung der Migranten. „Seitdem ich denken kann, wird Migranten alles Negative unterstellt, positive Nachrichten über Migranten werden – wenn überhaupt gedruckt – als Einzelfälle dargestellt. Vielleicht ist es an der Zeit, die Umstände näher zu durchleuchten, und man sollte fragen, was läuft schief und warum?“ Sie fordert die Politik auf, mit den Menschen auf Augenhöhe zu reden. „Man könnte zum Beispiel gemeinsam mit Migranten-Selbstorganisationen sehen, was man bewirken kann. Diese Vereine sollten als gleichwertige Partner angenommen werden. Sie haben einen ganz anderen Zugang zu den Menschen als zum Beispiel ein Bürgermeister.“ Und wieder warnt sie vor Vorurteilen: „Gründe für Kriminelle ohne Migrationsgeschichte: schwere Kindheit, Verwahrlosung, Minderwertigkeitsgefühle, Gruppenzwang, Pubertät ... Gründe für Kriminelle mit Migrationsgeschichte: „Migration“ (meistens nicht mal die eigene, sondern die der (Groß-) Eltern) – suche den Fehler ….“
Bereits nach den Vorfällen Silvester 2015 habe ein Ausnahmezustand geherrscht, jetzt entfacht die Diskussion erneut: „Integration ist keine Einbahnstraße, beide Seiten müssen aufeinander zukommen“, so El Maazi. Zum Beispiel würden die Ahmadiyya Gemeinde und auch die Alevitische Gemeinde in Neuss mit ihren Aktionen viel dazu beitragen, Vorurteile abzubauen. „Durch Begegnungen kann die Angst vor ,dunklen Gestalten‘ genommen werden“, weiß El Maazi, „wenn die Angst durch Neugier ersetzt werden könnte, wäre vieles einfacher...“ Rolf Retzlaff