Der Rat hat entschieden: Viele Kaarster Eltern müssen künftig mehr zahlen Neue OSG-Satzung: „Für uns Familien mit Kindern ein Schlag ins Gesicht!“
Kaarst · Noch vor einigen Monaten hatte Bürgermeisterin Ursula Baum – lange Zeit war sie Vorsitzende des Jugendhilfeausschusses – immer wieder betont: „Nach Möglichkeit soll in den Bereichen Kinder und Jugend nicht der Rotstift angesetzt werden!“ Letztendlich ist dies doch nicht gelungen: Vergangene Woche wurde in der Ratssitzung die Änderung der Satzung für die Elternbeiträge im offenen Ganztag (OGS) mit nur vier Gegenstimmen auf den Weg gebracht – sehr zum Ärger zahlreicher Eltern: „Die Stadt Kaarst ist auf dem besten Weg sich für junge Familien gänzlich unattraktiv zu machen. Zukunft sieht anders aus!“, postete eine Mutter auf Facebook. Und Frank Schröder machte hier mit einem offenen Brief seinem Ärger Luft.
Mit der neuen OGS-Satzung erfolge eine Umverteilung der Finanzierung, erklärt die Stadtverwaltung. Der Elternbeitrag ist ab dem ersten Kind in der OGS zu zahlen, unabhängig von weiteren Kindern in der Kindertagespflege oder in einer Kita. Für ein weiteres Kind in der OGS muss ein 50-prozentiger Beitrag gezahlt werden. Zusätzliche Geschwisterkinder in der OGS bleiben beitragsfrei. „Die Entscheidung ist ein kleiner Baustein der Haushaltskonsolidierung – das bisherige Modell der Beitragszahlung war nicht mehr zu finanzieren“, heißt es in einer Mitteilung der Stadt. So ist bisher ein Kind in der OGS beitragsfrei, wenn ein weiteres Kind der Familie einen Kindergarten besucht, für das Elternbeiträge gezahlt werden. Zudem waren bisher jüngere Geschwisterkinder im Kindergarten von Elternbeiträgen befreit, wenn ein Kind (älter als vier Jahre) ebenfalls einen Kindergarten besucht. Finanzielle Erleichterungen, die zum Kindergartenjahr 2024/25 wegfallen sollen.
Bürgermeisterin Baum erklärt: „Mein Wunsch ist Beitragsfreiheit für alle Eltern in Kita und OGS. Ohne entsprechende Finanzierung durch Bund und Land können wir uns diese Beitragsfreiheit aber nicht leisten“, macht sie deutlich, dass die Stadt allein die Kosten nicht mehr tragen könne. „Tatsächlich haben viele Eltern in den zurückliegenden Jahren sehr von der Geschwisterkind-Regelung in Kaarst profitiert. Unabhängig vom Einkommen haben Eltern teilweise keinen Cent für die Betreuung ihrer Kinder in Kita und OGS bezahlt“, so Baum. Die neue und tatsächliche Mehrbelastung der Familien ergebe sich aber nur durch die Beiträge in der OGS – gestaffelt nach Einkommen. „Im Höchstsatz müssen Eltern 341 Euro mehr im Monat zahlen – wenn sie mehrere Kinder in der OGS betreuen lassen und mehr als 85.000 Euro verdienen“, rechnet Baum vor. Eine betroffene Mutter macht eine ganz andere Rechnung auf: „Für eine Familie mit drei Kindern – eins in der Kita, zwei in der OGS – fallen Betreuungskosten von insgesamt 950 Euro im Monat inklusive Essen an. Das ist echt eine Frechheit!“
Frank Schröder hatte sich in einem offenen Brief an die Ratsfraktionen udn die Bürgermeisterin gewandt: „Es geht darum, ob Kinder künftig aufgrund der teilweise drastischen Steigerung der Betreuungskosten zu einem ,Luxusartikel’ werden. Es geht darum, ob es sich eine Familie leisten kann, dass das zweite Elternteil in Teilzeit arbeiten geht oder für die Betreuung der Kinder zu Hause bleiben muss. Es geht darum, ob es sich eine Familie mit einem durchschnittlichen Einkommen leisten kann, einen (kleinen) Urlaub im Jahr zu machen oder nicht“, macht der betroffene Vater deutlich. Schröder führt einen städtischen Informationsbrief an die Eltern bezüglich der geplanten Satzungsänderung an. Dort schreibe die Stadt positiv: „Für viele Eltern und Erziehungsberechtigte wird die neue OGS-Satzung eine Ersparnis bringen“. „Das stimmt, da die Einkommensgrenze, ab der ein Beitrag fällig wird, von derzeit 30.000 Euro auf 37.000 Euro angehoben werden soll“, so Schröder. Bezüglich der Mehrbelastung sei das Schreiben weniger konkret und verweise auf beigefügte Anlagen. In einem Schreiben der Stadtverwaltung vom 24. Juni an die Mitglieder des Stadtrates (nicht an die Eltern) sei man deutlich konkreter geworden. Dort heißt es: „Die höchste Mehrbelastung für eine Familie kann bei … 341,00 Euro liegen.“ Schröder mahnt: „Wohlgemerkt monatlich 341 Euro – also 4.092 Euro im Jahr! Das entspricht nahezu einer Verdopplung der Beiträge für diese Beispielfamilie mit drei Kindern. Bei zwei Kindern liegt die höchstmögliche Mehrbelastung bei 227 Euro monatlich – also 2.724 Euro. Wie soll man diese dramatische Mehrbelastung tragen?“ In Berlin werde gerade darüber diskutiert, dass eine deutliche Erhöhung des Kindergeldes zum 1. Januar 2025 aufgrund der immensen Kostensteigerungen für Familien zwingend erforderlich sei – „und wir wollen in Kaarst die Beiträge erhöhen? Das passt nicht zusammen und ist für uns Familien mit Kindern ein Schlag ins Gesicht“.
Bürgermeisterin Baum wehrt sich: „Die Stadt investiert massiv in die Bildungslandschaft – dies kommt den Familien und den Kindern zu gute. Wir haben 43 Millionen Euro für die neue Gesamtschule ausgegeben, mehr als 40 Millionen Euro werden in den Neubau der Grundschule Stakerseite und den OGS-Anbau an der KGS fließen. Seit 2018 habe wir fünf neue Kitas gebaut, bis 2026 kommen zwei weitere Kitas hinzu.“ Die Elternbeiträge seien auch nach der Erhöhung bei weitem nicht kostendeckend, so Baum: „Wir haben zu Beginn des Konsolidierungsprozesses deutlich gemacht, dass wir als Stadtgesellschaft diesen Prozess nur unter Beteiligung aller Kaarsterinnen und Kaarster schaffen werden. Alle werden ihren Beitrag leisten – leider auch die Familien.“